Uruguays erfolgreichster Film

"Señor Kaplan" auf Nazi-Jagd

Szene aus dem Film Senor Kaplan
Señor Kaplan verfolgt mit Ex-Polizist Wilson Contreras einen vermeintlichen Alt-Nazi. © Neue Visionen Filmverleih
Von Victoria Eglau · 14.07.2015
Der 78-jährige Jacobo Kaplan will in "Señor Kaplan" einen Alt-Nazi von Uruguay nach Israel entführen. Herausgekommen ist ein Film, der anrührend und komisch zugleich ist. Er kommt jetzt in unsere Kinos.
"Mein Name ist Jacob Kaplan. Was habe ich Denkwürdiges getan?"
Jacobo, auf Deutsch Jakob, Kaplan ist Uruguayer. Jüdischer Herkunft, flüchtete er als Kind vor den Nazis aus Polen nach Südamerika. In Uruguays Hauptstadt Montevideo führte er ein ruhiges Leben, gründete eine Familie, hat Kinder und eine Enkelin. Doch mit seinen 78 Jahren stellt sich Señor Kaplan existentielle Fragen.
"Ist die Welt dank mir besser geworden?"
Jacobo Kaplan sieht schlecht, baut häufig Unfälle und verliert schließlich seinen Führerschein. Aber noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er in seinem Leben noch etwas Besonderes vollbringen kann.
"Es stimmt, ich bin nicht mehr jung – aber: Goethe hat den Faust mit 81 Jahren geschrieben. Und Abraham empfing den Ruf Gottes mit 75."
Regisseur ließ sich von seinem Großvater inspirieren
Als sich in seiner jüdischen Gemeinde das Gerücht verbreitet, an Uruguays Küste lebe inkognito ein deutscher Nazi, hält Jacobo Kaplan seine Gelegenheit für gekommen:
"Ein Mann, der sich im Alter fragt, was er in seinem Leben geleistet hat, und was er der Nachwelt hinterlassen wird, stürzt sich in ein wahnsinniges Abenteuer à la Don Quijote. Er wird zum Nazi-Jäger, damit sein Name in die Ewigkeit eingeht."
sagt Regisseur Álvaro Brechner über seine Hauptfigur, zu der ihn sein eigener Großvater inspirierte – wie Jacobo Kaplan ein jüdischer Immigrant aus Polen.
"Einmal ist er in einen Swimmingpool gesprungen, obwohl er nicht schwimmen konnte – meine Oma musste ihn retten und meine Familie ist fast durchgedreht. Auch Jacobo Kaplan macht das am Anfang meines Films. Das sind starrköpfige und grantige, aber unglaublich liebenswerte Typen."
"Wo soll's hingehen, Don Jacobo?"
"Fahr einfach los, ich erklär's Dir später. Ich habe den Verdacht, dass dieser Alte ein Nazi ist."
Álvaro Brechners Streifen ist eine Komödie mit durchaus dramatischen Momenten. In seine waghalsige Mission stürzt sich Jacobo Kaplan nicht allein: Wilson Contreras, Ex-Polizist und eine ziemlich verkrachte Existenz, begleitet ihn. Gemeinsam pirschen sie sich am heißen Strand von Montevideo immer näher an den vermeintlichen Nazi heran – einen Imbissbesitzer, den der deutsche Schauspieler Rolf Becker verkörpert.:
"Das ist eine geheime Mission. Wenn die Leute herausfinden, dass wir ihn nach Israel entführen, geht die ganze Operation den Bach runter."
"Entführen? Wir sollen ihn entführen?"
Film spielt auf wahre Begebenheiten an
Der Film spielt damit auf die Entführung Adolf Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst aus Argentinien 1960 an. Zahlreiche hochrangige Nationalsozialisten hatten sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Südamerika abgesetzt. Álvaro Brechner, der 39-jährige Regisseur, sagt über das ungleiche Nazijäger-Duo in seinem Film:
"Ein Don Quijote braucht eben einen Sancho Panza, einen Reisegefährten, der an das Abenteuer des Lebens glaubt."
Es ist zugleich komisch und anrührend, zu beobachten, wie Kaplan und Contreras gegen Windmühlen ankämpfen und sich in einem Abenteuer verrennen, das mehr auf Annahmen als auf Tatsachen beruht. Señor Kaplan ist ein Film, der in leichtem Ton ein Thema anspricht, das früher oder später fast jeden beschäftigt: Wie kann ich meinem Leben einen Sinn geben? Aber Álvaro Brechner wollte auch der Generation seines Großvaters ein filmisches Denkmal setzen:
"Jene Einwanderer, die ein sehr spezielles Abenteuer erlebten: sie mussten alles hinter sich lassen und sich in den Ländern Lateinamerikas in völlig andere Gesellschaften und Kulturen integrieren, ganz bei null anfangen."
"Señor Kaplan, koproduziert mit Spanien und Deutschland, ist zurzeit der international erfolgreichste Film aus Uruguay. Das 3,4-Millionen-Einwohnerland hat eine Filmindustrie, die den Namen "Industrie" kaum verdient. Sie bleibt weit zurück hinter der Kinoproduktion in anderen Ländern Lateinamerikas wie Argentinien, Brasilien und Mexiko. Doch der Uruguayer Brechner dreht ausgesprochen gern in seiner Heimat:
"Es werden bei uns wenige Filme gemacht, aber die technische Ausstattung und das schauspielerische Niveau sind erstklassig."
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