TV-Duell in Amerika

"Trump lebt in einer Donald-Duck-Welt"

Donald Trump und Hillary Clinton bei ihrem zweiten TV-Duell
Donald Trump und Hillary Clinton bei ihrem zweiten TV-Duell © dpa/picture-alliance/Jim Lo Scalzo
Jochen Hörisch im Gespräch mit André Hatting · 10.10.2016
Donald Trump lebe in seiner erfundenen Welt aus Imaginationen, meint der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch. Wenn Trumps "lockeres Verhältnis zum Postfaktischen" ins Wanken gerate, werde er schnell handgreiflich – so auch im TV-Duell mit Hillary Clinton.
Einer der vielen Kritikpunkte von Hillary Clinton an ihrem Widersacher Donald Trump lautet: Er lebe in seiner eigenen Welt. Sie habe damit vollkommen recht, urteilt der Mannheimer Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch im Deutschlandradio Kultur. Er hat das zweite TV-Duell zwischen den Konkurrenten unter bestimmten psychologischen Aspekten genau beobachtet:
"Wir leben alle in unserer eigenen Welt. Aber die sollte einigermaßen sensibel sein für Außenwahrnehmungen. Es gibt ja den schönen Begriff der 'kognitiven Dissonanz'. Man findet sich selbst ganz großartig, hat nur das Problem, dass der Rest der Welt einen nicht großartig findet. Das könnte zum Beispiel das Problem von Trump sein."
Die grundsätzliche Diagnose des Falls Trump laute:
"Der lebt in einer selbstgebastelten Donald-Duck-Welt – eher als in einer Donald-Trump-Welt. Und die ist problematisch."

Ungebrochener Glaube an die eigenen Lügengeschichten

Das erkenne man auch daran, dass Trump offenbar fest an seine Lügengeschichten glaube – zum Beispiel an die Wahrhaftigkeit der Aussage "Ich war nicht für den Irak-Krieg". Trump, der ganz offenbar in Imaginationen und Phantasmen lebe, werde dann in kritischen Momenten handgreiflich. Im Fernsehduell sei das bis in die Körpersprache hinein zu beobachten gewesen, sagt Hörisch:
"Er lauerte ja immer im Rücken von Hillary Clinton auf, die sich den Fragestellern zugewandt hatte. Und jeder, der einmal einen Vortrag gehalten hat, weiß, wie irritierend das ist. Also meine psychologische Ferndiagnose wäre: Handgreiflichkeiten bei Donald Trump erklären sich dadurch, dass er eben so ein lockeres Verhältnis hat zum Postfaktischen. Und das überkompensiert durch seine Art von Körperlichkeit, die sehr übergriffig ist."

Postfaktische Politik - früher und heute

Postfaktische Politik habe es schon immer gegeben, meinte Hörisch. Neu sei allerdings, dass die erwiesenermaßen falschen Fakten – wie auch bei Trump – trotzdem ständig wiederholt werden würden:
"Die Bereitschaft des Publikums zu akzeptieren, dass eine Lüge eine Lüge ist – die nimmt ab. Jeder zimmert sich seine kleine Wunschrealität zusammen und hält das einigermaßen stur durch, auch gegen die großen Autoritäten. Etwa im journalistischen Bereich, die die Fakten gecheckt haben. Oder auch wissenschaftlichen Bereich: Historiker, die Quellenkritik gemacht haben."

"Wir leben in überkomplexen Zeiten"

Was sind die Gründe für dieses Verhalten? "Wir leben in überkomplexen Zeiten", lautet eine der Diagnosen von Hörisch. Viele Phänomene seien für die Menschen unübersichtlich und nur schwer zu strukturieren:
"Unser Bedürfnis aber, eine ordentliche Struktur in die Fülle der Ereignisse hinein zu bringen, ist übergroß. Und also gibt es große Erzählungen und große Erklärungsmuster. Und wir sind eher gefühls -und emotionsbasiert als faktenorientiert."

"Im Moment sieht es sehr schlecht für Trump aus" – hören Sie zum Thema auch das Interview mit dem Michael Hochgeschwender, Professor für Amerikanisitk:
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