Ursendung

Sokrates lässt grüßen!

Die Griechische Fahne im Wind
Die Griechische Fahne im Wind © Deutschlandradio Kultur / Christoph Dietrich
19.01.2015
Star-Chirurg Korassidis liegt zwischen den Gräbern auf dem antiken Kerameikos-Friedhof, gestorben nach einer Injektion Schierlingsgift. Kommissar Kostas Charitos nimmt die Ermittlungen auf. Der Chirurg hat in großem Stil Steuern hinterzogen.
Die auf seinem Rechner eingegangene Mail eines "Nationalen Steuereintreibers" fordert satte Nachzahlungen: "Sollten Sie Ultimo überschreiten, wird anders abgerechnet. – Sokrates lässt grüßen! Bald taucht ein zweites Opfer auf, wieder ein Steuersünder, auch er starb an Schierlingsgift. Mitten in der Staatskrise müssen sich auch Regierungsvertreter mit den Mordfällen auseinandersetzen.
Aus dem Neugriechischen von: Michaela Prinzinger
Bearbeitung und Regie: Christoph Dietrich
Mit: Matthias Brenner, Thomas Thieme, Markus Meyer, Max Volkert Martens, Carmen-Maja Antoni, Veit Schubert, Krista Birkner, Hansjürgen Hürrig, Markus Hoffmann, Oliver Trautwein u.a.
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2015

Länge: ca. 52'11
Petros Markaris, 1937 in Istanbul geboren, studierte Volkswirtschaft, schreibt Theaterstücke, Kriminalromane und übersetzt deutsche Dramen ins Griechische. Bekannt machten ihn seine Romane um Kommissar Kostas Charitos. Zuletzt erschienen "Zahltag" (dt. 2012) und "Abrechnung" (dt. 2013).

"Poletai" - griech. "Zu Verkaufen"
"Poletai" - griech. "Zu Verkaufen"© Deutschlandradio Kultur / Christoph Dietrich
Vom Steuern zahlen und Häuser bauen
Regisseur Christoph Dietrich über die Arbeit an "Sokrates lässt grüßen"
Steuerhinterziehung ist in Griechenland Volkssport, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Das hat eine lange Tradition. Unter den Osmanen galt es geradezu als Ausweis patriotischer Gesinnung, dem fremden aufoktroyierten Staatswesen – wo immer es ging – die Steuern zu verweigern. Nun gehört der Staat seit knapp 200 Jahren wieder den Griechen, an der Einstellung zu den Steuern hat das allerdings kaum etwas geändert. Volkswirtschaftlich gesehen mag das wenig dramatisch sein, solange es sich um Ziegenhirte handelt. Doch wenn die sogenannten 'Eliten' des Landes die Steuern verweigern, wenn ganze Wirtschaftszweige wie z.B. die Reedereien sich der Zahlungen mit Hilfe legaler Steuertricks (bei Duldung durch den Gesetzgeber) entziehen können – ausgerechnet jenes Gewerbe, das in Griechenland aufgrund seiner Monopolstellung besonders profitabel wirtschaftet –, dann muss das für die Staatsfinanzen desaströse Konsequenzen haben.

"Unserer Freundschaft hat also das Bemühen des griechischen Staates um mehr Steuergerechtigkeit keinen Abbruch getan."
Christoph Dietrich

Wie sehr die Steuerverweigerungsmentalität in der Bevölkerung verankert ist, veranschaulicht vielleicht eine Erfahrung, die ich bei meinen zahlreichen Griechenland-Urlauben gemacht habe. Seit Jahren fahre ich immer mal wieder auf 'meine' Insel, und dort kehre ich dann regelmäßig in einer bestimmten Taverne ein; das Essen ist noch traditionell, der Wirt – ein Patron alten Stils, herzlich und jovial, mit den größten Ländereien vor Ort, einer Zimmer- und einer Autovermietung im Familienbesitz – spricht ein wenig Deutsch. Mittlerweile kennt man sich, ist mehr oder weniger befreundet. Ich gebe ein gutes Trinkgeld und der Wirt spendiert des öfteren ein 'Bier from the house'. Solche Aufmerksamkeiten pflegen die Freundschaft. Mit der Abrechnung nahmen wir es auch nie so genau, das wurde mit Bleistift auf Papier erledigt. Mal fiel die Summe überraschend hoch aus, dann wieder fehlte auch schon mal eine Portion auf der Rechnung. Das war alle Jahre so. Dieses Jahr gab es eine Irritation: Ich bekam, als es ans Bezahlen ging, einen ausgedruckten Kassenbon, zum ersten Mal. Und die Preise hatten spürbar angezogen. Auch die Angaben auf dem Kassenzettel stimmten, penibel! Was tun? Zurückhaltung beim Trinkgeld? Weniger Essen? Was vielleicht auch bekömmlicher sein würde, schließlich bin ich ja auch nicht mehr ganz so hungrig wie vor 20 Jahren, als ich zum ersten Mal auf der Insel war. Letzteres erwies sich als sehr vernünftig.
Der Kassenbon lag nun auf dem Tisch, mit der ausgewiesenen Mehrwertsteuer!, das Trinkgeld daneben, und das 'Bier from the house' fehlte auch nicht. Unserer Freundschaft hat also das Bemühen des griechischen Staates um mehr Steuergerechtigkeit keinen Abbruch getan. An der grundsätzlichen Einstellung meines Wirtes hat sie allerdings nichts geändert. Der vertraute mir beim Gespräch über die Krise an: Bevor ich Steuern zahle, baue ich lieber noch ein Haus. Das lässt sich steuerlich absetzen, steht dann allerdings erst mal – und bis auf weiteres – als Bauruine rum.