Unverschämter Monolog einer selbsterklärten Sexgöttin

24.01.2008
Pedro Almodóvar war in den achtziger Jahren als Skandalregisseur bekannt, bevor er zum Großmeister des europäischen Kinos wurde. Seine Liebe zum Skurrilen, zum lasterhaft Lüsternen zeigt sich auch in der Schmonzette "Patty Diphusa", die vergnüglich an seine frühen Filme und die Party-Stimmung der Nach-Franco-Zeit erinnert.
Ist dies nun ein Ab- oder Aufstieg? Fest steht jedenfalls, dass der einstige spanische Skandalregisseur Pedro Almodóvar längst zum Klassiker von europäischem, ja von Weltrang geworden ist. Wer nun meint - einige seiner frühen Fans tun es -, dass sich das begnadete Genie der achtziger Jahre inzwischen in einen konsumentenkompatiblen, risikoscheuen Großmeister verwandelt habe, der erinnere sich nur an gewisse Szenen der letzten beiden Filme, etwa an eine himmlisch herumtobende Penélope Cruz in "Volver" oder einen lasziv "Qui sas, Qui sas, Qui sas..." hauchenden Gael Garcia Bernal als Priesterzögling in "La mala educatión". Oder lese dieses soeben auf deutsch erschienene Buch - beziehungsweise rotzfreche Büchlein.

"Patty Diphusa" heißt der Roman (genauer: die Erzählung) aus der Feder Almodóvars, und wer jetzt moniert, dass das Werk ja bereits 1991 geschrieben wurde, sei diskret darauf hingewiesen, dass der Kultregisseur, Cannes-Preisträger und erklärte Hollywood-Liebling immerhin so unbesorgt und politisch-sexuell unkorrekt geblieben ist, um einer deutschen Übersetzung noch im Jahre 2008 zuzustimmen.

Selbstverständlich war dies nicht, denn "Patty Diphusa" ist nichts anderes als der unverschämte Monolog einer selbsterklärten Sexgöttin und Pornosternchens mit dem Herz stets auf dem rechten Fleck - von der Verwendung anderer Körperteile hier in dieser Rezension ganz zu schweigen.

Patty allerdings nimmt nie - NIE! - ein Blatt vor dem Mund, und was in Almodóvars Filmen Kameraeinstellungen von betörender Suggestionskraft sind, müssen hier Majuskeln erledigen:

"ICH habe die achtziger Jahre in einem furiosen Auftakt begonnen, doch noch bevor die Hälfte herum war, war ICH ausgebrannt, und ICH brauchte neun Jahre, um mich wieder aufzurappeln."

Für Liebhaber schriftstellernder Regisseure deshalb ein ACHTUNG! Dies hier ist nämlich weder Woody Allen und schon gar nicht Werner Herzog, sondern eher ein William Burroughs mit Humor, will heißen ein regressionsfreudig in die Frühphase der "Movida Madrilena", jener legendär orgiastischen Party-Stimmung im Nach-Franco-Spanien zurückkehrender Pedro Almodóvar: Frauen, Autoren und Leser am Rande des Nervenzusammenbruchs. (Inklusive reaktionär-papistischer Apotheker, die der dauer-promiskutiven Patty partout keine Kondome verkaufen wollen.)

Wer sich von all dem nicht abschrecken lässt, wird bei der Lektüre dieser höheren Schmonzette wahrlich Vergnügen finden -nicht zuletzt dank des gewitzten Szene-Glossars und der Anmerkungen des deutschen Übersetzers Klaus Laabs. So etwa:

"Mehrere Monate lang unterbrach Almodóvar seine Erzählung für La Luna. Als er sie fortsetzte, hatte er vergessen, wo er stehen geblieben war. Wir werden deshalb nie erfahren, was bei der zweiten Begegnung Pattys mit dem Taxifahrer geschehen ist."

Glücklicherweise aber hat die göttliche Patty an dieser Stelle des Textes noch so manch andere garantiert nicht jugendfreie encuentros vor sich.

Rezensiert von Marko Martin

Pedro Almodóvar: Patty Diphusa
Roman. Aus dem Spanischen übersetzt und kommentiert von Klaus Laabs
Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2008
148 S., 7, 90 Euro