Unterwegs mit Strafermittlerin Gloria Atiba-Davies

Jagd nach Beweisen

Gloria Atiba-Davies, Ermittlerin und Opferexpertin am Internationalen Strafgerichtshof
Gloria Atiba-Davies, Ermittlerin und Opferexpertin am Internationalen Strafgerichtshof © Sonja Heizmann
Von Sonja Heizmann · 20.03.2016
Ihr Job ist es, zuzuhören. Manchmal stundenlang. An geheimen Orten trifft Gloria Atiba-Davies Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ohne Unterbrechung erzählen sie von dem, was sie nicht mehr loslässt. Von Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen, Mord.
"Alpha, can we have a short mission debrief?"
"The first witness we met, this is a young girl who had been attacked and received a deep cut on her head. It was a bit challenging because this girl had to come with her Dad and before we started the interview, we requested that the father steps out of the interview room and the girl couldn’t let the father go, because of the damage done to her. She was even holding to the fathers trousers, like where are you going, why are you leaving me? And actually in the process, she revealed, she had been sexually abused."
Gloria Atiba-Davies fordert ihre Kollegin auf ihr vom letzten Einsatz zu berichten. Die Kollegin erzählt von einer potentiellen Zeugin. Ein junges Mädchen, das mit einer Machete am Schädel schwer verletzt worden war. Sie kam mit ihrem Vater zur Zeugenbefragung. Als er den Raum verlassen sollte, wollte sie ihn nicht gehen lassen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass das Mädchen sexuell misshandelt worden war.

Verbrechen gegen Frauen und Kinder

Vergewaltigung, Folter, Mord - Gloria Atiba-Davies und ihre Kollegen beschäftigen sich jeden Tag damit. Die 58-jährige aus Sierra Leone ist Ermittlerin am Internationalen Strafgerichtshof und leitet bei der Anklagebehörde die Gender and Children Unit: eine Abteilung, die sich vorrangig mit Verbrechen gegen Frauen und Kinder befasst.
Als ich Gloria in Den Haag besuche, hat sie alle Hände voll zu tun. Beweise für einige der schwersten Verbrechen, die die Menschheit kennt, müssen gesammelt, Zeugen befragt und betreut werden. Seit neun Jahren macht Gloria diesen Job. 2009 habe ich sie für einen Dokumentarfilm auf einen ihrer Einsätze begleitet.
Die Mission beginnt im field office. Mit einem Sicherheitsbriefing.
Einsatzort: Bangui, Zentralafrikanische Republik. Eines der ärmsten Länder der Welt. Die rot markierten Stadtteile sind sicher, in allen anderen gibt es regelmäßig Überfälle, vor allem den Busbahnhof und den Wochenmarkt bitte meiden. Sollte es zu Unruhen im Land kommen, wird im Notfall evakuiert, mit Hilfe der UN oder des französischen Militärs, andere Unterstützung nicht annehmen.
Vom Balkon ihres Hotelzimmers sieht Gloria Atiba-Davies direkt auf den schwerfällig fließenden Ubangui. Der Fluss ist hier fast einen Kilometer breit. Auf der anderen Seite liegt die Demokratische Republik Kongo. Von dort kamen Ende 2002 die Rebellen in die Zentralafrikanische Republik - plünderten, mordeten, vergewaltigten.
Gloria ist heute mit dem Übernachtflug aus Paris angereist.
Im Gepäck: die Bibel, ein dünner Schlafsack, Kakao und Einmalhandschuhe, um den Tisch im Hotelzimmer zu desinfizieren.
Der Grenzfluss Ubangui. Auf der anderen Seite liegt die Demokratische Republik Kongo.
Der Grenzfluss Ubangui. Auf der anderen Seite liegt die Demokratische Republik Kongo.© Sonja Heizmann
Im Fall Zentralafrikanische Republik liegen viele Beweise bereits vor. Der Befehlshaber der kongolesischen Rebellen sitzt in Haft. Demnächst soll der Prozess gegen ihn losgehen. Ziel von Glorias Einsatz ist es Zeugen zu treffen, die in Den Haag aussagen sollen. Mit dabei eine Psychologin und die psychosoziale Expertin, die Gloria in Den Haag von dem Mädchen mit der Kopfverletzung erzählt hatte.
13 Zeugen werden sie treffen. Ihre Kolleginnen sollen besonders auf deren Verhalten achten. Sie müssen herausfinden, ob die Zeugen physisch und psychisch stabil genug sind, um vor Gericht auszusagen und worauf der Gerichtshof bei den einzelnen Personen besonders achten muss.
An einem geheimen Treffpunkt bereitet sich das Team auf das Gespräch mit der ersten Zeugin vor. Hinter zugezogenen Gardinen platzieren sie Laptops, Formulare, Getränke auf dem langen Holztisch. Im Vorraum, gleich neben der Klimaanlage, steht ein Sofa. Manche Befragungen brauchen Stunden, andere Tage.
Bei jedem Zeugen wird genau überlegt, welche Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind. Wie der Zeuge zum Treffpunkt kommt und welcher Ort geeignet ist. Erreichbar muss er sein, aber nicht zu exponiert und auch nicht so versteckt, dass andere neugierig werden. Außerdem wird genau überlegt, wie das Team zusammengesetzt sein sollte.
Gloria - kahl rasierter Schädel, Trekking Hose und kurzärmeliges Hemd -- sitzt auf der einen Seite des Tisches, auf der anderen die Zeugin, in buntem traditionellen Kleid und Flip-Flops. Die Haare mit einem Tuch zusammengebunden. Daneben Psychologin und Übersetzer.Um Zeugin und Übersetzer zu schützen, tauchen ihre Stimmen hier nicht auf.
"Kommen wir zu dem Ereignis. Was ist damals passiert, woran können Sie sich erinnern?"
"Sie kamen in unser Haus. Es waren drei Männer. Zwei von ihnen drückten meinen Mann auf den Boden und bedrohten ihn mit ihren Waffen. Der Dritte hat mich vergewaltigt. Als alles vorbei war, hatte ich große Schmerzen im Unterleib. Es ging mir sehr schlecht."
"Haben Sie immer noch Bilder davon vor Augen?"
"Wenn ich zur Ruhe komme, mich hinsetze, dann sehe ich alles wieder vor mir."

Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe

In der Zentralafrikanischen Republik wurde sexuelle Gewalt gezielt als Kriegswaffe eingesetzt. Die Täter sind systematisch vorgegangen, von Haus zu Haus. Frauen, Männer und Kinder wurden vor ihren Familien von mehreren Männern vergewaltigt, manchmal stundenlang. Die damit verbundene Scham und Stigmatisierung zerstört Familien und ganze Gemeinschaften.
"Haben Sie Bedenken auszusagen?"
"Nein."
"Haben Sie Angst davor, dass sich jemand an Ihnen rächen könnte?"
"Nein, ich habe niemandem von unseren Treffen erzählt."
"Der Gerichtshof hat die Aufgabe Sie zu schützen."
Das Wohlbefinden, die Nöte und Bedenken der Zeugen haben immer Priorität, sagt Gloria. Manche von ihnen haben ihr Dorf noch nie verlassen. Welche Folgen wird die Reise in diese andere, 5000 km entfernte Welt für sie haben? Und was heißt es, die Aussage vor Richtern und Anwälten in dunklen Roben noch einmal zu wiederholen?
Jean-Pierre Bemba wird als Befehlshaber der kongolesischen Rebellen vor dem Internationalen Strafgerichtshof im Fall Zentralafrikanische Republik angeklagt.
Jean-Pierre Bemba wird als Befehlshaber der kongolesischen Rebellen vor dem Internationalen Strafgerichtshof im Fall Zentralafrikanische Republik angeklagt.© IStGH
Gloria und ihr Team müssen auch die Erwartungen der Opfer dämpfen. Ihnen sagen, dass nicht die Täter, sondern ihre Befehlshaber angeklagt werden, dass es nicht in der Macht des Gerichtshofs steht, Konflikte zu beenden, dass juristische Prozesse Jahre dauern können und Angeklagte am Ende manchmal doch freigesprochen werden.
"Trauen Sie sich die Reise zu?"
"Gehen wir zu Fuß?"
"Nein, wir werden fliegen."
Diese Zeugin wird wohl nach Den Haag reisen. Gute Zeugen, sagt Gloria, behalten die Fassung und lassen sich von den Fragen der Verteidigung nicht irritieren, zeigen aber trotzdem all die Emotionen, die sie zum Zeitpunkt der Tat hatten und auch heute noch haben.
Am Abend berichtet Gloria vom field office aus ihrem Teamchef in Den Haag.
Einer der Zeugen ist zusammengebrochen, sie mussten ihn psychisch wieder stabilisieren.
Der Teamchef will wissen, was mit dem Zeugen geschehen wird.
Gloria schlägt intensive Betreuung vor, seine Gefühlsausbrüche seien sehr heftig.

Kochen im Hotelzimmer

Auf diesem einwöchigen Einsatz kocht Gloria jeden Abend in ihrem Hotelzimmer für sich und ihre Kolleginnen. Sie isst nicht gerne in Restaurants, möchte vermeiden unterwegs krank zu werden. Reiskocher, Gewürzmischungen, Fischkonserven - alles hat sie von Zuhause mitgebracht, sogar Obst.
Während der Reis kocht, denkt Gloria über die Zeugen nach, die sie in den letzten Tagen getroffen haben.
Da war die Frau, die gerade erst entbunden hatte und durch die brutalen Vergewaltigungen von mehreren Soldaten unfruchtbar wurde. Und der Mann, der auf alle Viere gezwungen und vier Stunden lang missbraucht wurde bevor die Täter seine Frau und Töchter vergewaltigten, die jüngste war gerade mal elf Jahre alt.
Um all das zu verarbeiten, sprechen Gloria und ihre Kolleginnen regelmäßig über ihre Begegnungen mit Zeugen.
Ermittler müssen nicht hart sein, sondern vor allem menschlich, sagt Gloria. Dazu gehört auch Gefühle zu zeigen und die eigenen Grenzen und Schwächen zu kennen und zu akzeptieren.
Burn-out ist unter Mitarbeitern des Gerichtshofs keine Seltenheit.
In diesem Job sind ausreichend Schlaf und regelmäßige Mahlzeiten sehr wichtig, sagt Glorias langjährige Kollegin, die jetzt mit dem Rest des Teams zum Essen kommt. Gloria achtet auf beides.
Wie heute Abend versucht Gloria bei ihrer Arbeit auch Dinge zu finden über die sie lachen kann. In Gedanken nimmt sie ihre ältere Schwester immer mit auf ihre Einsätze. Erinnert sich an irgendwelche albernen Sachen, die sie gesagt hat. Wenn Gloria nach aufwühlenden Begegnungen mit Zeugen nicht einschlafen kann, bittet sie Gott um Frieden, damit sie nicht ständig das Gesicht des Opfers vor sich sieht.
Manchmal fragt Gloria sich, wie viele Zeugenberichte sie noch ertragen kann. Aber dann denkt sie an die Opfer und deren Hoffnung, dass ihre Stimmen gehört und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Und an ihre eigene Familie, die dem Bürgerkrieg in Sierra Leone nur knapp entkam.
Als im Mai 1997 die Regierung in Sierra Leone gestürzt wird, ist Gloria seit mehr als 18 Jahren Staatsanwältin in ihrer Heimat. Ein Angeklagter gegen den sie ein Verfahren führt, putscht sich an die Macht. Über Nacht wird sie zum Flüchtling.

Genugtuung über Inhaftierung Charles Taylors

Zurück in Den Haag. Vier Jahre später. Ich stehe unter einem Regenschirm und schaue Gloria beim Golfunterricht zu. Vor uns eine Autobahn, über uns tiefgrauer Himmel.
Das holländische Wetter ist unberechenbar, daran hat Gloria sich längst gewöhnt. Mit ihr auf dem Golfplatz zwei Kollegen vom Gerichtshof. Golfen, Schwimmen, Bibelkreis. Glorias Woche ist ziemlich vollgestopft.
Wir fahren durch das beschauliche Den Haag - Sitz von mehreren internationalen Gerichten und unzähligen Menschenrechtsorganisationen. Auch Charles Taylor, ehemaliger Präsident Liberias, ist hier inhaftiert. Dafür, dass er die Rebellen im Glorias Heimat Sierra Leone während des Bürgerkrieges unterstützt und zu Gräueltaten angestiftet hat, wurde er zu 50 Jahren Haft verurteilt. Für Gloria eine Genugtuung.
Gerichtssaal im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
Gerichtssaal im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag© IStGH
Unsere Fahrt führt in ein Neubaugebiet. Hier wohnt Gloria alleine in einer Vierzimmerwohnung.
Sie hat sich diese Ecke ausgesucht, weil sie das Neue, Offene daran mag und direkt nebenan alle Läden sind, die sie braucht. Außerdem ist es hier sicher, die Polizei dreht ständig ihre Runden.
Gloria braucht Sicherheit. Nicht nur, weil sie oft verreist und ihre Wohnung dann unbeaufsichtigt ist.
Schnell legt sie das Hühnerfleisch, das sie auf dem Weg gekauft hat, in den Kühlschrank. Gloria bereitet auch in Den Haag ihr Essen selbst zu, kocht jeden Samstag für die kommende Woche vor.
Sie macht kleine Tupperdosen voll und versieht sie mit den Wochentagen.
Sie will immer genau wissen, was sie zu sich nimmt, sagt Gloria und steckt sich ein paar Weintrauben in den Mund.
In der Wohnung wenig Persönliches. Ein paar Mitbringsel von ihren Reisen, auf dem Regal Fotos: von Gloria als Schülerin, sehr hager und damals noch mit Haaren. Den Schädel rasiert sie sich erst seit ein paar Jahren kahl. Äußerlichkeiten sind ihr nicht mehr so wichtig. Neben den alten Schwarz-Weiß-Fotos, eine Aufnahme von Glorias Kindern.
Darrin, der Älteste, tritt in die Fußstapfen der Mutter und studiert Völkerstrafrecht, Edwin ist bei einer Behörde des amerikanischen Justizministeriums und Tochter Leila arbeitet für ein Modemagazin.
Als der Putschversuch in Sierra Leone stattfindet, ist Gloria gerade auf einem Seminar in Schweden. Zurück um ihre Kinder aus dem Land zu holen, kann die allein erziehende Mutter nicht.

Totale Hilflosigkeit

Wenn sie die Kinder zu fassen bekommen, werden sie sie umbringen, davon war Gloria überzeugt. Zum Glück fanden die Schutz bei einer Bekannten, denn die Putschisten kamen tatsächlich noch am Tag des Coups zu ihrem Haus. Später brannten sie es nieder.
Gloria erinnert sich an totale Hilflosigkeit.
Sie wusste nicht, wie sie ihre Kinder retten sollte. Alle anderen waren damit beschäftigt ihre eigenen Familien in Sicherheit zu bringen.
Erst 18 Monate später sehen sie sich wieder. Gloria hatte versucht für ihre Familie in England Asyl zu beantragen, vergeblich. Die Kinder werden von Freunden nach Gambia gebracht. Gloria zieht nach. Unterstützt vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gehen sie später nach New York, wo Glorias Mutter und Schwester wohnen. Als Juristin kann sie dort nicht arbeiten, nur als Kanzleigehilfin. Alles, was ihr aus ihrem alten Leben bleibt, ist der Inhalt des Koffers, den sie mit nach Schweden genommen hatte.
Es war sehr schwer, aber sie musste für die Kinder und sich selbst stark sein.
Jetzt geht Gloria jeden Tag die Stufen hinauf zum Internationalen Strafgerichtshof, dem ersten ständigen Weltgericht. Ein weißer Turmkomplex mit verspiegelten Fenstern. Vorbei an Elektrozaun und Rammböcken, durch die schweren Türen und die nüchternen Gänge, die nur mit Mitarbeiterausweis zugänglich sind.
Heute hat sie ein Treffen mit Anklägerin Fatou Bensouda. Seit 2012 ist die Juristin aus Gambia im Amt. "Gender crimes" hat sie zu einer ihrer Prioritäten gemacht.

Der Internationale Strafgerichtshof, das erste permanente Weltgericht, in Den Haag
Der Internationale Strafgerichtshof, das erste permanente Weltgericht, in Den Haag© IStGH
Gloria und ihre Kollegen sollen in einem Dokument erklären, wie der Gerichtshof gegen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe vorgeht.
Es soll eine Art guideline sein - für z.B. Nichtregierungsorganisationen, die solche Verbrechen dokumentieren. Oder für Länder, die mit dem Gerichtshof kooperieren. Das Weltgericht ist auf Unterstützung angewiesen. Finanziell, aber auch bei seinen Ermittlungen und der Verhaftung von Angeklagten. Um so wichtiger ist es neue Mitglieder zu gewinnen. Die USA, Russland, China, Israel und andere lassen noch auf sich warten. Wer Mitglied wird, erlaubt Ermittlungen im eigenen Land und gegen seine Staatsbürger.
Fast alle Fälle vor dem Internationalen Strafgerichtshof beinhalten Anklagepunkte, die mit sexueller Gewalt zu tun haben, erklärt Gloria auf dem Weg in ihr Büro.
Wenn Befehlshaber dafür, dass sie Vergewaltigung anordnen oder nicht verhindern vor Gericht gebracht werden, wird das in Zukunft andere abschrecken so etwas zu tun, glaubt Gloria.
In ihrem Büro wartet schon die Kollegin. Die nächsten Einsätze müssen geplant werden. Ich frage die beiden,ob sie sich an die Situation vor vier Jahren erinnern, damals auf unserer Reise als der Zeuge zusammengebrochen ist.
Die befragten Männer hatten noch nicht verarbeitet, dass sie vor den Augen ihrer Familien vergewaltigt worden waren. Sie hatten schwere Verletzungen davon getragen. Sie bekamen psychologische Unterstützung, damit sie stabil genug für ihre Aussage vor Gericht sein würden.

Seit zehn Jahren Warten auf Gerechtigkeit

Und sie kamen tatsächlich nach Den Haag. Auch alle anderen Zeugen, die das Team in Bangui getroffen hatte, machten ihre Aussage vor Gericht. Der Prozess gegen den Angeklagten im Fall Zentralafrikanische Republik läuft noch, wann das Urteil gesprochen wird, ist nicht abzusehen. Die Opfer des Konflikts von Ende 2002 warten jetzt schon seit mehr als zehn Jahren auf Gerechtigkeit.
Für manche Opfer bedeutet Gerechtigkeit, dass die Angeklagten für ihre Taten bestraft werden, für andere ist es eine große Erleichterung, wenn sich jemand ihre Geschichte anhört, ihnen glaubt und anerkennt, dass ihnen Unrecht angetan wurde. Andere verstehen unter Gerechtigkeit, dass ihnen geholfen wird ihr altes Leben wieder aufzubauen.
Der Internationale Strafgerichtshof will all das erfüllen. Er verfügt auch über einen Opferfond. Aber in der Zentralafrikanischen Republik ist das alte Leben der Opfer in noch weitere Ferne gerückt. Anfang 2013 stürzten Rebellen die Regierung, seither herrscht Chaos. Wieder gibt es massive Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, rund eine Million Menschen sind auf der Flucht.
In Den Haag geht indes der Alltag weiter. Heute ist Freitag. Der einzige Tag, an dem Gloria in der Kantine des Gerichtshofs isst. Denn freitags gibt es Pommes und die isst sie mit viel Salz.
Rechtsmediziner, Ermittler, Sicherheitsleute, Anwälte, Beweismittelexperten, sie alle strömen aus ihren Büros zum Mittagessen, um nach einer kurzen Pause wieder ihre Arbeit aufzunehmen -- mit dem Ziel der Straflosigkeit für Völkermord und andere schwere Verbrechen ein Ende zu setzen.
Trotz aller Rückschläge, ist Gloria immer noch optimistisch, dass dieser Kampf gewonnen werden kann - mit den engagierten Mitarbeitern des Gerichtshofs und der Unterstützung von Partnern. Sie müssen weitermachen, alles andere würde bedeuten, das Böse siegen zu lassen.
Sonja Heizmann: "Gloria ist eine starke, sehr kontrollierte Frau, die im Umgang mit Zeugen und Kollegen unglaublich warmherzig ist und viel lacht. Ganz oft habe ich sie aber auch sehr erschöpft gesehen, dann rollt sie plötzlich ihre Augen nach oben, so als ob sie gleich ohnmächtig werden würde. Wie viele am Internationalen Strafgerichtshof gibt sie alles für ihren Job und für die Opfer. Und trotzdem reicht das manchmal nicht aus."
Sonja Heizmann
Sonja Heizmann© privat
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