Unterricht via Internet

Wir brauchen endlich sichere Schul-Clouds!

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Menschen kommunizieren mit drahtlosen Technologien
Kommunikation übers drahtlose Netz: Auch für den Schulunterricht könnte das produktiv sein. Doch die Umsetzung ist bislang im großen Stil gescheitert. © imago / Icon Images
Ein Kommentar von Christian Füller · 19.08.2019
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Unterricht via Cloud, vernetztes Lernen: Alle wollen das, doch in der Umsetzung hapert es gewaltig - insbesondere aus Datenschutzgründen. Dabei gibt es längst Lösungen: "Open Source" schlägt die IT-Konzerne, meint Journalist Christian Füller.
Die Bildungsrepublik steckt in der Zwickmühle. Wieder Mal. Obwohl der Digitalpakt mit all seinen Milliarden für die Länder endlich unter Dach und Fach ist, hakt es wieder. Es geht um das Zaubermittel, das digitale Bildung erst wirksam macht: eine Cloud, aus der die Schüler von überall her Zugriff auf ihre Schularbeiten haben.
Bislang finden sich allerdings vor allem unfertige, kaputte oder unsichere Schulclouds auf dem Markt.

Die Cloud muss sicher sein

Eine Lernwolke eröffnet die Potenziale digitalen Lernens: Neben dem realen Klassenzimmer wird ein virtuelles eröffnet. Dort treffen sich Schüler und Lehrer nicht physisch, sondern tauschen Dokumente aus, kommunizieren und arbeiten parallel an Essays, oder Videoprojekten. Im Idealfall unterbrechen sie eine Schulaufgabe im Unterricht und setzen sie später genau an der gespeicherten Stelle fort – von irgendwo anders.
Die Schulcloud muss auch einer geschützter Ort sein: So wie nicht jedermann ein Schulhaus betreten darf, sollen Schüler online abgeschirmt miteinander arbeiten können.

Die Umsetzung zieht sich hin

Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Lage ein bisschen komplizierter. Zwei große Bundesländer sind gescheitert, eigene sichere Clouds aufzubauen.
Aber auch die zentrale Cloud, die das Bundesbildungsministerium mit viel Geld entwickeln lässt, ist noch lange nicht fertig. 2016 begann das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam eine Cloud zu entwickeln, die ihr Erfinder einst als Riesenwolke über allen Kindergärten, Schulen und Universitäten der Republik gedacht hatte. Das HPI hat den sympathischen Versuch unternommen, in seiner Cloud alles neu erfinden zu wollen. Das zieht sich.
Nun schreiben wir das Jahr 2019, der Digitalpakt geht los, aber es sind erst 120 Schulen angeschlossen - 120 von insgesamt 33.000 deutschen Schulen. Mit anderen Worten: Eine nationale Schulcloud mit ein Promille der Lehranstalten ist keine nationale Cloud, sondern ein Absturz von Wolke 7.

Die NSA liest mit

Die Verwirrung perfekt machte kurz vor den Sommerferien der hessische Datenschutzbeauftragte. Michael Ronellenfitsch bemängelte, wie der heimliche Marktführer Microsoft Schülerdaten verarbeitet. Der Professor erklärte die Cloud von MS Office 365 für "datenschutzrechtlich unzulässig" – und schloss in sein Verdikt zugleich die Clouds von Apple und Google ein.
Zurecht: Wenn nicht klar ist, ob und welche Daten die USA von Zöglingen deutscher Staatsschulen extrahieren, darf dieses System nicht angewandt werden. Die Schulen machten sich sonst zum Datenhehler.
Inzwischen hat Ronellenfitsch sein Urteil zwar abgeschwächt. Das Dilemma für die Schulen aber bleibt: Wer, verflixt, stellt denn nun eine Cloud zur Verfügung, die a) funktioniert und b) in der die Schüler frei arbeiten können, ohne dass die NSA mitliest?

Es geht auch anders - nämlich "Open Source"

Die Antwort ist einfacher als gedacht. Es gibt eine Reihe von Schulclouds, die beides sind - schlüsselfertig und sicher. Der einzige Nachteil, den sie haben: Kaum eine Schule kennt sie, denn ihnen fehlt die PR-Power, welche die Schulcloud des Bildungsministeriums oder die US-Giganten haben.
Es sind Mittelständler oder "Open Source"-getriebene Entwicklungen mit Namen wie Moodle, Mebis, iServ, itslearning oder Webweaver. Bei denen können sich Schulen binnen 24 Stunden an eine Cloud anstöpseln lassen. Und deren Daten verbleiben in Deutschland.

Irrungen und Wirrungen der Clouds

Übrigens lässt sich aus der Malaise mit den Staats- und den Profitclouds Kapital schlagen: Warum sollte man das Geflecht von Interessen, Macht und Geld nicht mit Schülern im Politikunterricht thematisieren?
Wer die Irrungen und Wirrungen um die Clouds verstanden hat, ist auf die digitale Welt ganz gut vorbereitet.

Christian Füller, 55, ist Buchautor (unter anderem "Muss mein Kind aufs Gymnasium?", Duden 2018, und ""Die Revolution missbraucht ihre Kinder", Hanser 2015) und Journalist. Er schreibt unter anderem für "Spiegel Online", "FAZ", "Welt am Sonntag" und bloggt als Pisaversteher. Für unsere Sendereihe "Politisches Feuilleton" kommentiert er regelmäßig bildungspolitische Themen.

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