Unternehmerverband: Deutschland braucht ein Energieministerium

Hans-Joachim Reck im Gespräch mit Marcus Pindur · 02.01.2012
Der Atomausstieg müsse politisch flankiert und begleitet werden, sagt Hans-Joachim Reck. Er habe den Eindruck, dass sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrsche, die Umsetzung der Beschlüsse zur Energiewende würde von alleine laufen.
Marcus Pindur: Alle wollen in den Himmel, aber keiner will sterben. Alle wollen ökologisch einwandfreie, nicht nukleare Energie, aber keiner will einen Strommast vor den Gartenzaun oder ein Pumpspeicherkraftwerk im Naherholungsgebiet. Die Energiewende, die sogenannte, die ist eigentlich keine, bis die Probleme, die mit ihr verbunden sind, auch analysiert und in Angriff genommen werden. Dabei sind auch die Stadtwerke stärker gefordert als bisher, denn sie drängen mehr und mehr auf den Strommarkt und machen den Energieriesen auch Konkurrenz. Wir sind jetzt verbunden mit Hans-Joachim Reck, er ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen. Guten Morgen, Herr Reck!

Hans-Joachim Reck: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Sie prophezeien eine Ära der Stadtwerke und ein Zurückdrängen der großen Stromriesen. Worauf gründet sich denn solcher Optimismus Ihrerseits?

Reck: Es gibt eigentlich zwei Hauptgründe: Der eine Grund ist der, dass nach der Wirtschafts- und Finanzkrise die Bürger sich den dezentralen, überschaubaren Einheiten wieder zuwenden, die im Übrigen ihnen auch gehören, den öffentlichen kommunalen Unternehmen, und der zweite Grund ist der, dass die zukünftige Energieversorgung dezentraler sein wird, und diese Dezentralität, die können wir garantieren.

Pindur: Warum sollen dezentrale Kraftwerke denn die Welle der Zukunft sein? Dezentral heißt doch eigentlich auch: Weniger effizient insgesamt.

Reck: Nein, das muss es überhaupt nicht sein, sondern die Summe vieler dezentraler Energieproduktionsstätten wird jetzt die große zentralisierte Energieversorgung zukünftig ersetzen. Aber das geschieht insbesondere durch nachhaltige Stromerzeugung, Energieerzeugung, wie zum Beispiel durch Onshore-Windkraftanlagen. Und insofern kann ich Ihre These da nicht teilen.

Pindur: Ist denn die Energiewende derzeit politisch richtig aufgehoben? Die Bundesnetzagentur soll diesen Umbau begleiten und vorantreiben. Sie plädieren für eine ganz andere Lösung, nämlich für ein eigenes Energieministerium. Warum?

Reck: Die Forderung nach einem Energieministerium resultiert daraus, dass wir uns große Sorgen machen, dass dieser Transformationsprozess auch wirklich funktioniert. Auch aufgrund der europapolitischen Debatte habe ich persönlich den Eindruck im Herbst bekommen, dass sowohl in der Politik, aber auch in der öffentlichen Meinung, die Auffassung vorherrscht, dass wenn man jetzt diese Ausstiegsbeschlüsse gefasst hat, wird der Rest schon von alleine kommen.

Das ist aber mitnichten so. Dieser Ausstieg muss politisch flankiert und begleitet werden. Das ist ein hochkomplexer Transformationsprozess, den wir auch singulär - auch innerhalb Europas, aber auch im europäischen Kontext - stemmen müssen. Und da kritisieren wir die Vielfalt der institutionellen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung. Und die Forderung nach einem Energieministerium ist eigentlich nichts weiter als die Forderung nach einem angemessenen Projektmanagement, das wir vermissen.

Pindur: Jetzt ist die Bundesnetzagentur zwar eine nachgeordnete Behörde, aber das ganze ist in den Händen teils des Wirtschafts- und teils des Umweltministeriums - da gehört es doch eigentlich hin. Ist das nicht so ein bisschen der Versuch, für inhaltliche Probleme, wie zum Beispiel den Trassenbau, der uns bevorsteht, eine organisatorische Lösung zu finden?

Reck: Nein, also Sie sagen ja zu Recht, wo es hingehört, nämlich in die Regierung, und damit auch in die politische Verantwortung und auch die politische Kontrolle des Parlaments. De facto ist aber das wirkliche Energieministerium bereits die Bundesnetzagentur. Und die Bundesnetzagentur hat eigentlich originär, ursprünglich, den Auftrag, die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes durch entsprechende Mechanismen wie zum Beispiel die Anreizregulierung sicherzustellen.

Die Entwicklung ist allerdings tatsächlich so, dass die Bundesnetzagentur als untergeordnete Behörde mehrfach Kompetenz versammelt, auch mehr Köpfe zählt mittlerweile, mehr Ressourcen hat als beide Ministerien zusammen. Und das halte ich für eine politische Fehlentwicklung, und die habe ich auch kritisiert. Das wäre genau so, als wenn das Bundeskartellamt de facto das Bundeswirtschaftsministerium würde. Und ich sehe auch, dass in der Politik diese Kritik zum Teil aufgenommen wird, wenn ich zum Beispiel an den energiepolitischen Koordinator der Unionsfraktion, Herrn Bareiß, denke.

Pindur: Warum dort?

Reck: Ja, weil die die Bedenken teilen, dass wir eine politische administrative Verlagerung von Kompetenzen aus der Bundesregierung heraus in dieser zentralen Frage, dass das zu einer Defokussierung führt und vor allen Dingen auch nicht zu dem nationalen Konsens beiträgt, den wir in der Sache brauchen. Wenn Sie aus politischen Gründen - was ich ja in der gegenwärtigen Lage durchaus verstehe - sagen, nein, wir wollen kein Energieministerium machen, sondern wir wollen das in den bestehenden Ressorts lassen, dann müssen Sie das tun, was aus meiner Sicht zwingend notwendig ist, dann müssen Sie eine Projektplattform schaffen, wie man das zum Beispiel bei den Thema Mobility gemacht hat.

Und muss die beteiligten Akteure zwingen, auf dieser Plattform die Sachverhalte zu aggregieren, die Sachverständigen anzuhören, Kommunikation auch zu betreiben und auch die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen flankierend einzuleiten. De facto geschieht aber was ganz anderes im letzten Herbst, dass nämlich jedes Ressort fast zu gleichen Themen parallel Gespräche führt und so versucht, die Dinge unkoordiniert weiter voranzutreiben. Und was wir brauchen, ist eine einheitliche Politik der Bundesregierung.

Pindur: Also ...

Reck: Die Themen sind zu komplex - und das ist der Kernpunkt der Kritik, übrigens nicht nur von mir geäußert, sondern auch von so einem unverdächtigen Verband wie dem BDI. Die formulieren das nicht, indem sie sagen, wir brauchen Projektmanagement, sondern die sagen, wir brauchen einen Masterplan. Aber das ist im Kern das Gleiche.

Pindur: Also zu viel politische Reibungsverluste. Kommen wir noch mal zu der Rolle der Stadtwerke zurück: Die stehen doch eigentlich vor den gleichen Herausforderungen, wie dies auch die Stromriesen tun. Also der Netzausbau ist ein Riesenproblem. Speicherkraftwerke ist ein weiteres Problem. Die Bürgerproteste, die damit verbunden sein werden - das betrifft doch die Stadtwerke genau so wie die Stromriesen.

Reck: Ja, partiell schon, wobei die großen Regionalversorger ein zusätzliches Problem haben, was wir so ohne weiteres nicht haben: Sie müssen einmal den von ihnen verschlafenen Ausstieg aus der Kernenergie strategisch umsetzen in den Unternehmen, und vor allen Dingen, sie müssen dann auch globaler werden, um überleben zu können. Das ist strategisch eine etwas andere Herausforderung als für die dezentrale Kommunalwirtschaft, aber in der Sache gebe ich Ihnen im Übrigen recht: Wir haben die gleichen Dinge zu vergegenwärtigen.

Viele Menschen sagen: Bitte nicht in meinem Hintergarten, die Stromtrasse, oder wir wollen das Pumpkraftwerk nicht. Hier müssen wir zwei Dinge tun: Wir müssen zukünftige Planverfahren anders kommunizieren, auch schneller durchführen, aber auch mit neuen Dialogformen versehen, auch die Möglichkeiten des Internets viel stärker ausnutzen, aber auf der anderen Seite müssen wir auch klar sagen, dass auch dezentrale im Wettbewerb verpflichtete Einheiten dem nationalen Interesse verpflichtet sind. Wir werden auch da an den Gemeinsinn der Bürgerinnen und Bürger appellieren müssen.

Pindur: Herr Reck, vielen Dank für das Gespräch!

Reck: Ich danke Ihnen auch!

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