Unternehmer und Kulturbürger

Von Heike Schwarzer · 08.08.2005
Sein Geld verdient Michael Berninger mit Gratispostkarten, den CityCards. Nirgendwo sonst in Deutschland tragen diese Karten künstlerische Motive. Das hat seinen Grund. Denn Berninger versteht sich nicht nur als kühl kalkulierender Unternehmer, sonder immer auch als Kulturbürger. Auch die Kunstaktion Zwischengrün in der Leipziger Innenstadt hat er konzipiert.
Michael Berninger ist ein Mäzen, ein Gartenfreund und ein Leipziger Kulturbürger, der von sich sagt, dass er Kunst leben muss.

"l'art pour l'art nein danke. Kunst darf Zeichen setzen, Kunst darf mich aber auch verzaubern, verwandeln, irritieren, sie darf auch schön böse sein."

Mit seinem glatt rasierten Schädel, der usbekischen Kappe und den hellen blauen Augen ist der ehrenamtliche Chef des Leipziger Kunstvereins kaum zu übersehen.

Der leidenschaftliche Radfahrer und Stadtentdecker, taucht überall dort in Leipzig auf, wo es um neue Musik, zeitgenössische Kunst oder den öffentlichen Raum geht.

Berninger engagiert sich aber nicht nur für die Gründerzeitviertel, sondern auch für Grünau, die größte Plattenbausiedlung Deutschlands.

Alle reden von schrumpfenden Städten, was kommt heraus: wachsende Landschaften.

In die Berninger mit seiner neueste Aktion - der Plattform Zwischengrün - nicht nur Pflanzen und Kunst setzt, sondern auch schützende Räume für Auto oder Mensch.

Die Laubengarage zum Beispiel - entworfen von Leipziger Architekten als schicke Alternative zum Baumarkteinerlei.

Also das Konzept ist eigentlich, erklärt Meister Erik Pomplitz, dass die Laubengarage dem Nutzer die Möglichkeit bietet, preiswert in eine Konstruktion einzusteigen. Ja, ob das nun der Rentner ist, der sein Auto darunter parkt, oder die Jugend-WG, die dort an ihren Mopeds schraubt. Oder die junge Familie, die dort im Schatten drunter sitzt. Es sind eine ganze Menge Möglichkeiten, die das Teil bringt.
Und deshalb könnte die Laubengarage auch in einem Kleingarten in Hamburg oder auf einer Abrissfläche im Ruhrpott stehen. Sie ist das erste Projekt, das Berninger, der kunstsinnige Stadtbürger, innerhalb der Aktion Zwischengrün realisiert. Das umfangreiche Programm

"für Stadt, Garten, Landschaft und Kunst"

steht im Internet unter www.zwischengruen.de Bis zum Oktober ist es auf dem Leipziger Promenadenring, in Parkanlagen und öffentlichen Plätzen zu erleben. Auch mit den temporären Künstlergärten, die der Gartenfreund Berninger jedes Jahr erblühen lässt.

"Leipzig ist eine wunderschöne Stadt, sehr kompakt in der Innenstadt. Und da kam so um 2000 ein Nachdenken wie wir mit öffentlichem Raum umgeht, wer hat Zugang zum öffentlichen Raum und wie nutzen wir ihn. Und da dachte ich, dass man das mit Künstlerinnen und Künstlern machen kann und Garten ist da für mich das verbindende Symbol."

Und Spielwiese für ungewöhnliche Künstlergärten, die als Lochmuster in die innerstädtischen Wiesen gestanzt werden, als schwarze Scherenschnitt-Rosen in ungenutzten Ladenfenstern erblühen oder aus den Baumwipfeln des Leipziger Stadtparks mit Löwengebrüll oder Walgesängen auf die Spaziergänger niedergehen.

Ungern spricht der Unternehmer und Kunstfreund über sich selbst, Michael Berninger agiert am liebsten im Hintergrund und engagiert sich nur dann, wenn damit auch selbstfunktionierende Netzwerke entstehen. Komponist und Musiker Thomas Christoph Heyde:

"Er ist ein engagierter Bürger vom alten Schlag. Es gibt ja in Leipzig das typische Bürgerengagement seit Jahrhunderten, und er verbindet das mit so einem Netzwerkverhalten,"

mit dem Berninger schon Mitte der 1980er Jahre, trotz staatlicher Repressalien, dem ersten schwul-lesbischen Klub außerhalb der Kirche in Leipzig auf die Beine half.

Als Liebhaber der zeitgenössischen Kunst wollte Berninger auch immer andere an seiner Entdeckungsfreude teilhaben lassen: So entstand der Galerienrundgang. Bernd Tischer, sein Freund und Kompagnon seit über 15 Jahren.

"Was Leipzig von allen anderen Rundgängen unterscheidet, dass öffentliche mit privaten kommerziellen Galerien zusammenarbeiten. Das funktioniert in anderen Städten überhaupt nicht. Das hat er wirklich zusammengekriegt."

So Bernd Tischer, der seit fast zehn Jahren gemeinsam mit Berninger den Culturtraeger anführt. Die kleine Firma für Kulturwerbung und Postkarten, vertreibt jene CityCards, die, wie in allen deutschen Großstädten, in Kneipen oder Restaurants ausliegen und gratis Werbung machen.

Micha hatte 1992 den Auftrag, die Öffentlichkeitsarbeit der Leipziger Aidshilfe zu machen und hatte da die Idee, Künstler zu beauftragen und da sind mehrere Editionen entstanden und irgendwie kam dann die Frage, wie verteilen wir die und da war die Geschäftsidee geboren, der Citycards in Leipzig und Umgebung.

Künstlerförderung als Marketingkonzept. Ein Anspruch, den Berninger und sein Team von vielen anderen Postkartenherstellern in Deutschland abhebt.

Michael Berninger - ein Leipziger Kulturbürger, ein Netzwerker und auch ein gentleman, der gern mal unaufgesetzt den Handkuss wählt. Im zwischengrünen Kulturherbst wird er sein Fahrrad besteigen und auch zeitgenössische Musik unter die Leipziger bringen: mit Schlagzeugklängen auf dem Güterbahnhof Plagwitz, einem Picknickkonzert im Schönauer Park oder - als Abschluss - dem Nachtkonzert auf der Grünauer Halde.

"In derselben Zeit, wo wir Zwischengrün machen, gibt es wieder den Rundgang durch die Leipziger Galerien und Museen und natürlich vernetzen wir das, dass die amerikanischen Sammler, Sammlerinnen und alle anderen, abends nach Grünau mit einem Busshuttle fahren und auf einer Halde auf die erleuchtete Stadt, auf die Plattenbausiedlung aus den 70er Jahren schauen. Und das ist auch gewünscht, dass man sich begegnet."