Unter Jungen

Von Matthias Bertsch · 02.02.2013
Ein reines Jungengymnasium steht dem Gleichheitsgebot der Geschlechter nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied zugunsten der konservativen katholischen Gruppierung Opus Dei. Die Fördergemeinschaft für Schulen in freier Trägerschaft betont, Jungen könnten dabei nur gewinnen.
Es waren zwei Welten, die sich in Leipzig gegenüberstanden: Die konservative katholische Gruppierung Opus Dei, die in Potsdam eine reine Jungenschule gründen und die rote Landesregierung in Brandenburg, die das verhindern will. Drei Instanzen hat der Streit um Koedukation versus Monoedukation beschäftigt, nun hat das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich eine Entscheidung getroffen - zu Gunsten von Opus Dei. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehöre zwar zu den Wertvorstellungen, die in jeder Schule, egal ob staatlich oder privat, vermittelt werden müssen, machten die Leipziger Richter in ihrer Urteilsbegründung deutlich – doch ein Zwang zur Koedukation lasse sich daraus nicht ableiten, so die Sprecherin des Gerichtes, Renate Philipp:

"Die Feststellung, dass man diese Vorstellung nur durch einen gemeinsamen Schulunterricht vermitteln kann, eine solche Erkenntnis hat in dem gerichtlichen Verfahren nicht festgestellt werden können, und deshalb musste die Genehmigung für eine reine Jungenschule erteilt werden."

Eine Jungenschule, für die es großen Bedarf gibt, betont Horst Hennert. Hennert ist Geschäftsführer der Fördergemeinschaft für Schulen in freier Trägerschaft, jenes Vereins, der seit sieben Jahren für ein Jungengymnasium in Potsdam streitet. Der ehemalige Gymnasiallehrer hält die Trennung der Geschlechter für wichtig, um Jungen gezielter zu fördern.

Hennert: "80 Prozent derer, die das ADHS, also das Zappelphilipp-Syndrom haben, sind Jungs, die Jungs haben einen viel größeren Bewegungsdrang, die Jungs sind besser in den Naturwissenschaften und in Mathematik, die Mädchen in Sprachen. Also es gibt viele Verschiedenheiten zwischen Jungen und Mädchen, und wir denken einfach, dass es eine große Hilfe ist, wenn Eltern wählen können und sagen: Für unseren Sohn wäre eine Jungenschule besser."

Auch im Brandenburger Bildungsministerium sieht man den besonderen Förderbedarf mancher Jungen, doch das Problem lasse sich auch in grundsätzlich koedukativen Schulen angehen, ist Sprecher Stephan Breiding überzeugt:

"Sie können für einen bestimmten Zeitraum, in bestimmten Fächern, die Klassen zum Beispiel nach Jungen und Mädchen trennen, das ist durchaus möglich, es ist aus unserer Sicht überhaupt nicht notwendig, dafür das Kind mit dem Bade ausschütten und zu sagen: Nur weil die Jungenförderung vielleicht nicht überall gleichermaßen gut funktioniert, schaffen wir jetzt die Koedukation ab und machen nur noch reine Mädchen- oder Jungenschulen, ich glaube, das ist nicht zielführend."

Doch nach dem Urteil der Leipziger Richter ist klar: Monoedukative Schulen können auch in Brandenburg nicht mehr verboten werden. Die Auseinandersetzung um das geplante Jungengymnasium in Potsdam ist damit allerdings nicht vorbei - nicht zuletzt weil der Trägerverein der geplanten Schule eng mit der umstrittenen katholischen Organisation Opus Dei verbunden ist. Rechtsanwalt Thomas Jürgens hat das Bildungsministerium in Leipzig vertreten:

"Wir werden jetzt natürlich prüfen, wie sieht das pädagogische Konzept dieser Schule aus, ob die Tatsache, dass Opus Dei dort Schulträger ist, eine Rolle spielt, kann ich noch nicht sagen. Meine private Meinung ist schon, dass ich die Monoedukation in den Händen von Opus Dei nicht besonders gut aufgehoben finde."

Die Vorwürfe gegenüber der Organisation, die vor 85 Jahren in Spanien gegründet wurde und ein Leben im Dienste Jesu predigt, reichen von "extrem konservativ" bis zu "sektenähnlich", der Bestsellerautor Dan Brown stellt sie in seinem Roman "Sakrileg" als machtversessenen Geheimbund in der katholischen Kirche dar. Nichts davon sei wahr, sagt Horst Hennert, selbst Mitglied bei Opus Die:

"Es gibt nichts Geheimes, sonst müsste ich das inzwischen eigentlich kennen gelernt haben, ja, die Geheimnisse des Opus Dei, aber es wird immer wieder weitergesagt. Damit wird es nicht wahrer, aber es wird immer wieder für die Leute zu einen gewissen Gespenst und zwar meistens zu einem Schreckgespenst."

Der Religionsunterricht werde zwar durch Priester von Opus Dei erteilt, doch insgesamt soll nur rund jeder siebte Lehrer Mitglied der Organisation sein, erklärt Hennert mit Blick auf ein Mädchengymnasium in Jülich, das der Förderverein seit rund 40 Jahren betreibt. Auch der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner, hält die Aufregung um Opus Dei im Zusammenhang mit der geplanten Schule für übertrieben:

"Die staatliche Schulaufsicht hat jederzeit Einblick, Durchblick in alles, was an dieser Schule geschieht, das kann überhaupt keine geheimbündnerische Veranstaltung sein, wenn es denn den Namen 'staatlich anerkannte Schule in freier Trägerschaft' verdient."

Aber gibt es überhaupt ein Interesse an einer katholischen Jungenschule in Potsdam? Attraktiv scheint eine solche Schule vor allem für diejenigen zu sein, die selbst in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der die Kirche eine wichtige Rolle spielt, das heißt vor allem für Süd- und Westdeutsche, die sich im Süden Berlins oder in Potsdam niedergelassen haben. In einem weitgehend säkularen Umfeld entdecken sie oft die Kirche wieder, wenn es um ihre Kinder geht – ähnlich wie in Frankreich.

Förner: "In Frankreich gibt es ein unglaubliches Interesse an konfessionellen, vor allem katholischen Schulen, das ist nach meiner Meinung nach wie vor ein gewisses positives Vorurteil, das man mit der katholischen Kirche verbindet: Die haben das schon lange gemacht, die können's, die wissen, wie`s geht, dort können wir unsere Kinder gut hinschicken, zumal eben eine staatliche Schulaufsicht da noch mal draufguckt."

Eine Vorstellung von Exklusivität, die auch Horst Hennert nicht fremd ist:

"Die besten Schulen in England sind die monoedukativen Schulen, sind die Jungen- und Mädchenschulen, die rangieren unter den besten 20 Schulen Englands ganz vorne, und das liegt zum Teil auch daran, weil man eine gewisse Corporate Identity schafft von der Schule in dem Bewusstsein, na gut wir sind also im Baseball die besten, usw."

Eine Corporate Identity oder Exklusivität, die auch im Berufsleben von Vorteil sein kann – und doch darauf beruht, dass eine ganze Gruppe, im Fall des Jungengymnasiums die Mädchen, ausgeschlossen ist. Auch wenn die juristische Auseinandersetzung um Ko- versus Mono-Edukation beendet ist, der Streit um den besseren Ansatz ist es noch lange nicht. Stephan Breiding vom Bildungsministerium in Brandenburg plädiert weiterhin für Inklusion:

"Wir versuchen, die Schulen in die Lage zu versetzen, alle Schüler aufzunehmen, egal ob sie besondere Handicaps oder Begabungen haben, egal ob es Mädchen oder Jungs sind, und wir glauben, dass das der richtige Schritt ist, und dass eine weitere Separierung von Schülern und Schülerinnen auf Spezialschulen eher ein rückwärtsgewandter Ansatz ist."

Links bei dradio.de:

Katholischer Trägerverein darf Jungengymnasium gründen - Richter entscheiden im Streit um Opus-Dei-Schule in Potsdam
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