Unter Druck

Von Stephan Oszvath · 03.09.2013
Die nationalkonservative ungarische Regierung führt den Kampf um die Meinungshoheit im Land. Mit aller Macht versucht sie privat organisierte kritische Medien wie das Klubradio mundtot zu machen. Auch deutschsprachige Korrespondenten werden nicht in Ruhe gelassen.
Dezember 2010 – die Morgensendung "180 Minuten" im öffentlich-rechtlichen Radio. Im Studio: Moderator Attila Mong und Redakteur Zsolt Bogár. Aus Protest gegen das Mediengesetz der nationalkonservativen Regierung Orbán legen sie eine Schweigeminute ein.

Die beiden Journalisten sind die ersten, die gefeuert werden. Hunderte weitere fallen einer Säuberungswelle in den öffentlich-rechtlichen Medien zum Opfer. Wegen des Mediengesetzes riskiert Orbán den Konflikt mit Brüssel. In den Redaktionen geht die Angst um, meint der geschasste Moderator Attila Mong.

"Die Ungarn machen seit Jahrhunderten die Erfahrung: Wenn sie für ihre Meinung einstehen, bekommen sie Schwierigkeiten. Die Wende hat das nicht sehr verändert. Zivilcourage war nicht sehr verbreitet. Die Regierungspartei Fidesz schiebt nun die ungarische Gesellschaft in Richtung eines osteuropäischen Feudal-Wesens – insofern ist die Angst etwas stärker geworden. Aber die war im Grunde schon immer da."

Im öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radio-Programm dominieren nun Politiker der Regierung. Unliebsame Nachrichten werden unterdrückt oder verfälscht. Attila Mongs ehemalige Sendung ist zur Bühne für Regierungschef Viktor Orbán geworden. Spötter nennen seinen wöchentlichen Auftritt dort "Freitagsgebet".

Staatliche Medienbehörde kann Strafen verhängen
Auch die staatliche Medienbehörde ist zu einem Machtinstrument der Regierung geworden – besetzt mit Regierungstreuen kann sie Lizenzen entziehen und hohe Strafen verhängen. Im Kreuzfeuer: das private Klubradio.

Zweieinhalb Jahre lang versuchte die Behörde den Radiosender auszuschalten: Durch fadenscheinige Ausschreibungen – Zwei-Monats-Lizenzen, dem Entzug der Regionalfrequenzen und hohe Lizenzgebühren. Der Radiosender bekam zwar vor Gericht Recht, hat jetzt eine Dauer-Frequenz, steht aber vor dem finanziellen Ruin. Klubradio-Chefredakteur Ferenc Vicsek sagt.

"Einfache Unternehmer haben Angst, bei uns zu werben. Man hat ihnen klar gemacht, wenn sie bei uns Anzeigen schalten, bekommen sie Schwierigkeiten. Das sagen uns die Unternehmer ganz offen: Tut uns leid, das riskieren wir nicht."

Seit Monaten haben die Klubradio-Redakteure keine Gehälter bekommen. Die regierungsnahen Medien dagegen schwimmen im Geld.
Attila Mong sagt:

"Es gibt im Grunde absolute Pressefreiheit. Es geht nicht darum, ob jemand sagen kann, was er will, sondern was für Folgen das hat. Und zweitens: Kommt das auch bei den Leuten an, die von diesen Meinungen erfahren sollten. In dieser Hinsicht gibt es keine Pressefreiheit. Im Internet kann zwar jeder sagen was er will, aber mit Maßnahmen der Eigentümer und auf dem Werbemarkt achten sie darauf, dass das nur einen kleinen Kreis erreicht."

"Hilfestellungen", wenn Formulierungen "zu harsch" sind
Es geht um Kontrolle. Und die soll sich auch auf deutschsprachige Korrespondenten erstrecken. Botschafter und Landsmannschaften im Ausland werden eingespannt, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Außenstaatssekretär Gergely Pröhle sagt:

"Zu dieser Freiheit gehört auch, dass man manchmal der Presse hilft. Wenn es Falschmeldungen gibt, die zu korrigieren. Es kommt nie vor, dass Meinungen in Frage gestellt werden, manchmal gibt es aber durchaus Kritik, wenn die Formulierungen vielleicht zu harsch sind."
ARD- und Printkollegen aus Deutschland und Österreich können über derartige "Hilfestellungen" berichten. Ernst Gelegs, der für den ORF aus Budapest berichtet, wurde mit privaten E-Mails konfrontiert. Er sagt:

"Die Regierung ist der Meinung, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein. Kritik ist deshalb unerwünscht, weil man an Wahrheit keine Kritik üben kann."

Links auf dradio.de:

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