Unsere Bad Bank

Von Max Thomas Mehr · 12.09.2013
Noch können Anleger ihre Gebote für Teile der Depfa Bank abgeben. Der deutsche Staat will den ehemals gigantischen Verlustbringer, der 2008 das Bankensystem erschütterte, wieder loswerden. Aufgehübscht und unter Hinterlassung riskanter Altlasten, meint der Journalist Max Thomas Mehr.
Erinnern wir uns: Ohne Staatsgarantien von mehr als 100 Milliarden Euro und ohne zehn Milliarden Euro Direkthilfe wäre die Hypo Real Estate und mit ihr die Depfa 2008 pleitegegangen. "Systemrelevanz" war das Zauberwort, mit dem der deutsche Staat zur Rettung schritt und die HRE samt Depfa verstaatlichte. Ein einmaliger Vorgang in Deutschland. Seither bürgt die Bundesrepublik und damit der Steuerzahler für alle Geschäfte dieser Bankenholding. Und nun, fünf Jahre später, sollen die Einzelteile dieses Finanzkonzerns wieder Käufer finden.

Wo sind die Verluste abgeblieben?

Bis zur Wiedervereinigung 1989 war die Depfa eine grundsolide Staatsbank. Schon seit Preußens Zeiten hat sie sich um den sozialen Wohnungsbau verdient gemacht. Mit ihrem Pfandbrief für Sparer und niedrigen Zinsen für Bauherren war sie das ideale Instrument für soziale Wohnungspolitik. Doch Anfang der 90er-Jahre wurde sie privatisiert. Deregulierung und eine neue Generation von Bankern machten Omas Pfandbriefen den Garaus. Auf dem Weg zum Global Player zog es die Depfa ins Steuerparadies Irland.

Mit den Zinsdifferenzen im gerade erst entstehenden Euroraum spekulierte sie früh auf die endgültige Einführung der neuen Gemeinschaftswährung und erzielte so Traumrenditen. Italien und anderen Südländern verschaffte die Depfa günstigere Konditionen für Staatsanleihen, als sie sich selbst auf dem Kapitalmarkt hätten beschaffen können. So trieb sie diese Länder mit billigem Geld in die Staatsschuldenkrise.

Von Irland aus auf neue Märkte
Auch der angelsächsische Markt ließ sich von Irland aus gut erschließen. Amerikanische Studentenkredite, geschnürt zu Milliardenpaketen, gehörten auf einmal genauso zum Geschäft der Bank wie Anleihen für US-amerikanische Kommunen. Finanziert wurde dieses gigantische Wachstum vor allem damit, dass langfristige, teure Kredite mit kurzfristigen, billigen Krediten gegenfinanziert wurden. Im Bankerdeutsch heißt das "Fristentransformation".

Der Vorsitzende der Depfa, Gerhard Bruckermann, galt als der neue Star des Finanzkapitalismus – zumindest in Deutschland. Doch sein größtes Geschäft war am Ende ein höchst egoistisches. Der Verkauf der Depfa an die HRE in München – wenige Monate bevor Lehman pleiteging und die HRE vom Staat gerettet werden musste. Die irische Depfa wurde wieder deutsch und ihr Vorstandschef, ihr CEO, verdiente am Verkauf der Bank 102 Millionen Euro. Dabei hinterließ Bruckermann dem bundesdeutschen Steuerzahler "Risiko"-Positionen, die man auch Schrottpapiere nennen könnte, die 2010 mit noch 134 Milliarden Euro in den Büchern standen.

Wer kommt für den Schaden am Ende auf?

Der Clou: Diese "Risiko"-Positionen gehören heute nicht mehr zur Depfa. Nicht zu jener Depfa, die nun verkauft werden soll. Die besitzt vielleicht noch ein paar Filetstücke aus vergangenen Zeiten, die jetzt von Finanzinvestoren ausgeschlachtet werden sollen. Die schwerverkäuflichen Papiere aber – und damit das Gros des Depfa-Geschäfts – wurden 2010 in eine staatliche Bad Bank mit dem euphemistischen Namen FMS Wertmanagement entsorgt.

Peu à peu versucht diese jetzt, die Bilanzsumme und damit das ganze Geschäft auf null runterzufahren. Mit frischem Geld von Anlegern muss sie dabei zugleich den laufenden Betrieb der "Fristentransformation" aufrechterhalten. Ein risikoloses Geschäft für Anleger, da der Staat für ihre Kredite haftet – auch für Ramschanleihen. Den Finanzberichten der Bad Bank zufolge musste sie allein 2012 über 76 Milliarden Euro aufnehmen. 2013 wird es kaum weniger sein.

Die Schulden, die da angehäuft werden, tauchen bisher in keinem Bundeshaushalt auf. Das ist das Unheimliche an der Bewältigung der Finanzkrise in Deutschland. Über ihre wahren Kosten wird uns frühestens die übernächste Bundesregierung aufklären. Denn erst, wenn die Bad Bank aufgelöst ist, muss der Bundeshaushalt – und damit der Steuerzahler – die Schulden begleichen. Optimisten gehen von 50 Milliarden Euro aus. Für diese eine Bank.

Griechenland beginnt links der Isar, mitten in München.


Max Thomas Mehr, Jahrgang 1953, ist politischer Journalist und Fernsehautor. Er hat die Tageszeitung "taz" mitbegründet. Für das Drehbuch des Films "Sebnitz: Die perfekte Story" (arte) wurde der Dokumentarfilmer mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.
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