"Unser Land" von Herbert Grönemeyer

In Deutschland geboren - wie praktisch!

Das 14. Studioalbum Grönemeyers erscheint am 21. November.
Sänger Herbert Grönemeyer am 18.11.2014 in Berlin bei der Vorstellung seines neuen Albums "Dauernd Jetzt". © picture alliance / dpa / Stephanie Pilick
Von Gesa Ufer · 27.11.2014
Eine Liebeserklärung an Deutschland, die ganz neue Debatten anstößt? Mit einer solchen Interpretation wäre der Grönemeyer-Song "Unser Land" dann doch überfordert, meint Gesa Ufer. Sie findet das Lied so spannend wie Knäckebrot.
Herbert Grönemeyer, so sind sich einige Rezensenten seines neuen Albums sicher, stoße mit diesem Song eine ganz neue Debatte zum Thema Patriotismus an. Das wäre erstaunlich. Denn Grönemeyers Vorlage fällt alles andere als steil aus.
Im kantigen Deutsch-Rock-Gewand trägt Herbert Grönemeyer seine ungewöhnliche Liebeserklärung vor – krachig und peitschend.
Drauf, drin – ich will nicht woanders hin
Neu, deutsch – gemeinsam der Laden läuft
Die Augen an für den Nebenmann
Während die anderen Songs seines neuen Albums melodisch und gut verständlich anmuten, entscheidet sich Herbert Grönemeyer ausgerechnet in diesem Song für sein charakteristisches und gern parodiertes Gebell, diesem Tonfall, der ein ganz klein wenig an Charlie Chaplin im "Großen Diktator" erinnert. Eine bewusst ironische Annäherung im verminten Verhältnis eines Deutschen zu seinem Land?
Wir sind nicht verdammt hier zu sein
Dies ist unser Land, deins u nd meins
Es ist ein vielschichtiges Revier
Wir mögen es wie andere ihrs
Dass hier nach dem "Reim-Dich-oder-ich-fress-dich-Prinzip" "sein" auf "meins" und "Revier" auf "ihrs" folgt, das hat noch etwas Charmant-Rohes, Ungelenkes. Das fällt in die gleiche Kategorie wie die Tatsache, dass Grönemeyer trotz jahrzehntelanger Bühnenerfahrung noch immer keinen guten Poser abgibt. Das Fehlbare macht ihn sympathisch. So ist er eben, der "Herbert". Da dürfen die Reime ruhig rumpeln.
Inhaltlich geht´s dafür umso gefälliger zu.
Ironie war seine Sache nie, auch das bestimmt ein Grund dafür, warum Grönemeyer so massenkompatibel ist. Auch diesen Text kann jeder unterschreiben: In Deutschland auf die Welt gekommen zu sein, das ist tatsächlich praktischer und schöner als in der Sahel-Zone, dem Gaza-Streifen oder Nordkorea. Und, hey, da kann man jetzt auch einfach mal vorsichtig dazu stehen, sich hier wohl zu fühlen. Machen die anderen in ihren Ländern ja auch. Allerdings, bitte immer dran denken: Nicht die Geschichte aus den Augen verlieren! Und auch immer hübsch auf die sozial Schwachen und diejenigen achten, die neu dazugekommen sind.
Das Publikum findet sich in Herbert Grönemeyers Texten wieder. Der Mann aus dem Pott kennt den Zauber und die Abgründe des Alkohols, er weiß um die Macht und die Jämmerlichkeit von Männern, und vor einigen Jahren hat er uns mit seiner Trauer um eine Frau gerührt.
Es ging um große Gefühle. Mit Deutschland hingegen verbindet Grönemeyer eine "Liebe auf den zweiten Blick" wie er sie nennt. Sie ist nicht leidenschaftlich sondern vernünftig. Sie basiert auf Kompromissen und Konsens.
Lang, breit – wir verliern uns in Gleichgültigkeit
Stumpf, platt – wir bügeln alle Kratzer glatt
Schwarz, rot – stimulierend wie Knäckebrot
Insofern fallen bei diesem Lied Form und Inhalt in eins. Es tut niemandem weh, es spaltet nicht und Grönemeyer ist damit so wenig kontrovers wie die Politik der Großen Koalition. Stimulierend wie Knäckebrot eben.


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