Unschuldig unter Mordverdacht

“Was soll ich denn gestehen?”

33:26 Minuten
Die Silhouette eines Mannes vor einem vergitterten Fenster.
Zwei Wochen sitzt Detlef in Untersuchungshaft. (Symbolbild) © picture alliance / dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Moderation: Utz Dräger · 05.03.2021
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Detlef lernt Hans auf einem Parkplatz kennen, wo sich Männer zum Sex verabreden. Sie werden zu Freunden. Dann wird Hans ermordet. Und die Polizei hält Detlef für den Täter. Ein Verdacht, der sein Vertrauen in den Rechtsstaat ins Wanken bringt.
Als sich Detlef und Hans auf einem Autobahnparkplatz kennenlernen, sind sie sich direkt sympathisch. Detlef hatte angehalten, weil ihm der Australiensticker auf Hans‘ Wagen auffiel. Und Detlef liebt Australien. Also spricht er ihn an, so wie er schon viele Männer vor Hans auf den Parkplätzen ansprach. "Autobahnparkplätze waren früher tatsächlich Treffpunkte für Männer, die Männer suchten", sagt Detlef über die Parkplätze. Detlef und Hans kommen ins Gespräch.

Detlef und Hans werden Freunde

Hans ist damals in einer schwierigen Situation: Seine Frau, die er lange gepflegt und geliebt hat, ist verstorben. Gleichzeitig hatte er schon über einen längeren Zeitraum Verhältnisse mit Männern, die er auf Autobahnparkplätzen kennenlernte. Das macht ihm zu schaffen und lässt ihn in ein tiefes Loch fallen. Doch Detlef hilft ihm. Er ermutigt Hans, wieder Freunde zu treffen, Sport zu machen. Er fährt sogar mit ihm in den Urlaub. Die beiden werden zu Freunden.
Detlef Saemann steht am Fenster und guckt in die Ferne.
Detlef Saemann wurde von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei festgenommen. © Marius Elfering
Dann, im Jahr 2010, machen Detlef und sein Partner Karl-Heinz einen Ausflug nach Augsburg. Auf der Autobahn sehen sie den Wagen von Hans. Ein Zufall. Alle drei fahren auf den nächsten Parkplatz. Hans sucht offensichtlich Sex. Ein kurzes Gespräch, eine Umarmung, die Freunde sind für den nächsten Tag zum Fußballgucken verabredet. Dann fahren Detlef und Karl-Heinz weiter.

Mord auf dem Parkplatz

Als sie am nächsten Tag von Augsburg zurückfahren, bemerken sie etwas Ungewöhnliches auf der Autobahn. Mehrere Polizeiwagen und ein Hubschrauber verfolgen sie bis zu ihrer Wohnung in Frankfurt. Dort wird Detlef von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen. "Du darfst jetzt nichts Falsches machen, sonst bist du nämlich tot", ging es Detlef damals durch den Kopf. Hinter den Polizisten: Mehrere Journalisten mit Kameras, die die Festnahme filmen.
Es wird klar: Hans ist ermordet worden. Und zwar auf dem Parkplatz, auf dem sich die Freunde am Tag zuvor noch kurz begegnet sind. Und die Polizei hält Detlef für den Täter. Als die Beamten ihn zu einem Geständnis drängen, fragt Detlef: "Was soll ich denn gestehen?"
Und auch in den Medien wird über Detlef berichtet. Ungepixelte Bilder von seiner Festnahme erscheinen. Er soll ein Mörder sein, steht in den Berichten.

Erschüttertes Vertrauen in den Rechtsstaat

Zwei Wochen sitzt Detlef in Untersuchungshaft, dann wird wohl auch den Polizisten und der Staatsanwaltschaft klar: Sie haben den Falschen. Doch nach seiner Entlassung ist für Detlef alles anders. Sein Vertrauen in Polizei und Justiz ist weg. Wenn ein Polizeiwagen an ihm vorbeifährt, zuckt er zusammen, bekommt Angst. Doch für ihn ist klar: Er möchte dem Rechtsstaat auch in Zukunft vertrauen können.
Ob Detlef dieses Vertrauen zurückgewinnen kann und welche ungewöhnlichen Wege er dafür geht, davon berichtet Marius Elfering in der Geschichte der Woche. Eine Geschichte, die auch die Frage in den Mittelpunkt rückt, wie der Rechtsstaat selbst mit eigenen Fehlern umgehen muss, damit Menschen an ihn glauben und ihm vertrauen.
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