Unruhen im Iran

Wer sind die Protestierer und wofür stehen sie?

Dieses, von einem nicht bei AP beschäftigten Fotografen aufgenommenen Foto, das der AP ausserhalb des Irans zur Verfügung gestellt wurde, zeigt Studenten, die am 30.12.2017 in der Universität von Teheran (Iran) während Protesten gegen die Regierung vor der Polizei flüchten.
Protest in Teheran am 30. Dezember. © dpa-Bildfunk / AP
02.01.2018
Die Lage im Iran ist äußerst schwierig zu beurteilen, weil wenig Information aus dem Land dringt. Daniel Walter, Vorstand des Bildungsvereins Al Sharq, hält es aber für relativ sicher, dass die Proteste von anderen Schichten als 2009 getragen werden.
Die Proteste im Iran weiten sich aus - aber wer ist es eigentlich, der dort auf die Straße geht?
"Was sich abzeichnet ist, dass die Proteste eher getragen werden von einer Schicht, die nicht dieselbe ist wie 2009", sagte Daniel Walter, Vorstandsmitglied von Al Sharq, einem Verein für politische Bildung, im Deutschlandfunk Kultur.
"Damals waren es vor allem urbane, mittelstädtische Bevölkerungsteile, die die Proteste getragen haben. Sie gehörten zu den Reformern. Jetzt ist es allen Anschein nach so, dass die Proteste zu großen Teilen von der Unterschicht und der unteren Mittelklasse getragen werden, die normalerweise nicht die Reformer wählen, sondern vielleicht eher einen Ahmadinedschad oder einen anderen Präsidenten oder gar keinen Kandidaten wählen würden."

Gegen Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht

Ob sich der Protest vorrangig gegen die schlechte wirtschaftliche Lage der Menschen oder gegen die politischen Verhältnisse richtet, lässt sich Walter zufolge nicht trennen:
"Das Politische und das Ökonomische sind im Iran sehr eng miteinander verflochten, und es richtet sich gerade gegen die Zentralisierung von ökonomischer und politischer Macht."

Weiten sich die Proteste noch aus?

Ob sich die gegenwärtigen Unruhen wie die 2009 zu einer Massenbewegung ausweiten und diesmal womöglich zum Sturz des Regimes führen, sei "sehr schwer zu beantworten", so Walter:
"Laut den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, die meistens aus der Mittelschicht oder der oberen Mittelschicht sind, da kennen ganz wenige Freunde oder auch Freundinnen, die tatsächlich auf die Straße gegangen sind. Und es ist ja auch deutlich, dass die Proteste bislang größtenteils – und das ist ja auch ein riesiger, wichtiger Unterschied zu 2009 – in den Provinzstädten ausgetragen werden.
Die Frage ist, ob eine kritische Masse erreicht werden kann und dann auch in Teheran wirklich eine Million oder auch mehr als eine Million Menschen auf die Straße gehen, wie es damals der Fall war. Ich kann das gerade nicht sehen. Wie gesagt, das Regime fängt jetzt schon an, brutaler gegen die Demonstrierenden vorzugehen und deswegen wird es, glaube ich, wohl schwieriger sein, die kritische Masse zu erreichen, als es damals war."
(mf)
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