Unrealistische Schönheit

Kopenhagen will retuschierte Werbefotos kennzeichnen

Ein Bus mit Bademoden-Werbung in Kopenhagen
Ein Bus mit Bademoden-Werbung in Kopenhagen © imago/Dean Pictures
Von Kathrin Schmid · 12.06.2018
Makellose Haut, perfekte Haare und nicht ein Gramm zu viel: Die Werbung setzt noch immer auf ein unrealistisches Frauenbild und hilft mit dem Computer nach. Eine Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Werbefotos steht nun in der dänischen Hauptstadt zur Debatte.
Eine gnadenlos enge Taille, eine makellos glänzende Haut - und vor allem laaange Beine. Werbeplakate dieser Welt zeigen seit jeher vor allem perfekte Körperwelten. Schön anzusehen zwar, aber vor allem schön unrealistisch. "Powered by Photoshop" sozusagen - möglich gemacht durch Retuschier-Dienste aller Art. Und häufig mit verheerender Wirkung. Davor hat in Dänemark gerade eine Studie der Gesundheitsbehörden gewarnt.
Fanny Broholm, Mitglied des Stadtrats von Kopenhagen beschreibt das Problem:
"Die Werbeplakate kreieren ungesunde und unrealistische Ideen - besonders für junge Frauen. Sie vermitteln ihnen ein falsches Bild, wie man aussehen sollte, um normal zu sein. Wir wissen inzwischen, dass das ernsthafte mentale Probleme bis hin zu Wahnvorstellungen verursachen kann. Das behindert junge Frauen in ihrer Entwicklung. Und das ist ein großes Problem, nicht nur für die Frauen. Sondern für die gesamte Gesellschaft."

Psychische Probleme wegen des Aussehens

Laut dänischer Behörden leidet inzwischen gut jede sechste Frau zwischen 16 und 21 Jahren an psychischen Problemen, die mit ihrem Aussehen zusammenhängen.
Darum hat sich im Kopenhagener Stadtrat nun eine Allianz gebildet - aus Sozialdemokraten, der sozialistischen Volkspartei und der dänischen "Alternativet" – einer grün angehauchten, sozial-liberalen Partei. Sie sieht die Lösung in einer Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Werbefotos:
"In jedem Plakat muss klar angezeigt werden, wenn es digital manipuliert wurden. Die Markierung muss nicht besonders groß sein", sagt Fanny Broholm von der Alternativet und zeigt auf eine Werbeanzeige im Kopenhagener Rathaus: "Aber sie sollte klar erkennbar sein, in der oberen Ecke."
Sollte der Stadtrat die Initiative absegnen, könnte die Regelung künftig für die Werbeflächen der Stadt und die der kommunalen Unternehmen gelten - rund 900 Anzeigetafeln.
Damit würde Kopenhagen dem Vorbild Frankreichs folgen. Auch kleinere skandinavische Städte machen längst mit. Zuletzt, Anfang dieses Jahres, hat auch die norwegische Hauptstadt Oslo eine Markierungspflicht für bearbeite Werbung auf kommunalen Anzeigefläche erlassen. Mit sehr viel wohlwollenden Reaktionen, heißt es. Auch der Vorstoß der Parteien im Kopenhagener Stadtrat stößt auf Sympathie bei dänischen Jugendlichen:
"Ich denke, solche Markierungen sind wirklich sinnvoll. Sie helfen, nicht auf falsche Ideen zu kommen. Wenn die Stadt zu diesem Schritt bereit ist, ist das super. Andere werden vielleicht folgen. Es hilft uns sicher, wenn wir etwas gegen falsche Ideale tun."

"Nicht immun gegen den Druck"

Aber welchen Einfluss können korrekt gekennzeichnete Werbeanzeigen auf kommunalen Plakatwänden haben? Gerade bei Jugendlichen, die tagein, tagaus selbst auf ihren Smartphones schöne und zugleich unrealistische Bilder kreieren können. Ein berechtigter Einwand vieler Kritiker, sagt Broholm:
"Klar sind sich die jungen Leute über die Wirkung von Manipulationen voll bewusst - sie machen es selbst in ihren sozialen Medien. Aber sie sind auch nicht immun gegen den Druck, der von diesen Bildern ausgeht. Wir wollen ihnen helfen und wir wollen sie stärken. Das ist das, was wir als Stadt machen können."
Es gehe ums das Signal, dass tradierte Geschlechterbilder und Schönheitsideal hinterfragt werden. Und Fanny Broholm weiß, wovon sie spricht: Noch vor einem Jahr hingen Wahlplakate mit ihrem Konterfei in weiten Teilen Kopenhagens. Auch diese Fotos wurden retuschiert. Kein Widerspruch, erklärt sie. Es zeige lediglich, dass weibliche Politiker den gleichen Druck spüren wie andere Frauen, ob sie in der Öffentlichkeit stehen oder nicht.
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