Universität Tübingen

Babys nach Gebärmutter-Transplantation geboren

06:25 Minuten
Wissenschaftliche Illustration einer Gebärmutter.
Eine erfolgreiche Gebärmutter-Transplantation ist in Deutschland möglich. Der Eingriff bleibt aber riskant. © imago/PIXOLOGICSTUDIO/SCIENCE PHOTO
Von Christine Westerhaus · 23.05.2019
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In Deutschland leben tausende Frauen ohne Gebärmutter. Bereits 2016 gelang an der Universität Tübingen die bundesweit erste Transplantation. Jetzt sind dort zwei Babys nach solch einer Verpflanzung zur Welt gekommen.
Sara Brucker ist sichtlich stolz. Seit vielen Jahren versucht die Tübinger Professorin Frauen zu helfen, die ohne Scheide und ohne Gebärmutter auf die Welt gekommen sind. Jetzt hat sie zweien mit einer Gebärmutter-Transplantation zu einem eigenen Kind verholfen.
"Für mich hat sich damit der Kreis geschlossen", sagt Brucker. Seit 16 Jahren beschäftige sie sich mit dem Schicksal dieser jungen Frauen und habe ein Verfahren entwickelt, um ihnen eine Scheide anzulegen. So könnten sich die jungen Mädchen endlich als Frau fühlen: "Jetzt schließt sich der Kreis, weil sich diese Frauen nun auch als Mutter fühlen können."

Transplantation nicht immer erfolgreich

Im Oktober 2016 haben Brucker und ihr Team erstmals einer Frau in Deutschland die Gebärmutter einer lebenden Spenderin eingepflanzt. Das Organ stammte von der Mutter der Patientin. Weitere Transplantationen folgten und im März und im Mai kamen nun die ersten beiden Babys in Deutschland auf die Welt, die in einer fremden Gebärmutter gewachsen sind. Bei einer weiteren Frau scheiterte der Eingriff jedoch: Zwar wurde der Spenderin die Gebärmutter entnommen, doch sie konnte nicht eingepflanzt werden und die Ärzte mussten das Organ schließlich verwerfen. Am Ende hatte sich die Spenderin dem riskanten Eingriff ohne den erhofften Nutzen unterzogen.

Doch selbst wenn die Transplantation gelingt: Die Belastungen für die Frauen in diesem experimentellen Verfahren sind groß. Etwa acht Stunden dauert die Operation, in der das Organ entnommen wird. Auch das Einsetzen ist langwierig.
Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, steht am 09.11.2016 vor einem Operationssaal. 
Die Tübinger Professorin Sara Brucker: "Für mich hat sich der Kreis geschlossen."© picture alliance/dpa/Marijan Murat

Erster Erfolg in Schweden

Die Schwedin Malin Stenberg, die weltweit 2014 als erste Frau nach einer Gebärmutter-Transplantation ein Baby auf die Welt brachte, erinnert sich noch gut an die Strapazen: "Es war anstrengend. Nach der Transplantation war ich ziemlich angeschlagen, denn es ist ein großer Eingriff, der lange dauert", so Stenberg. Und mit der Operation ist es nicht getan: "Direkt danach musste ich diese starken Medikament einnehmen."
Um zu verhindern, dass der Körper die fremde Gebärmutter abstößt, sind Immunsuppressiva nötig. Die Medikament unterdrücken das körpereigene Abwehrsystem. Neun Monate nach der Transplantation setzen die Ärzte Malin Stenberg eine befruchtete Eizelle ein. Schon beim ersten Versuch wird die Schwedin schwanger. "Es war ein bisschen, wie auf glühenden Kohlen zu gehen", sagt sie. Sie habe kaum glauben können, dass sie tatsächlich schwanger sei. Und gleichzeitig blieb da immer ein banges Gefühl: "Kann das wirklich gut gehen? Wird sich das Baby trotz der vielen Medikamente normal entwicklen?" Jeden Tag habe sie als kleinen Sieg empfunden auf dem Weg zum Mutterglück.
Bis zur 32. Schwangerschaftswoche verläuft tatsächlich alles weitgehend normal. Schwächere Abstoßungsreaktionen des Körpers bekommen die Ärzte mit Medikamenten in den Griff. Doch dann entwickelt Stenberg eine Schwangerschaftsvergiftung. Ihr Baby muss acht Wochen vor dem Geburtstermin entbunden werden. Ähnlich ergeht es auch zwei weiteren Frauen, die in Schweden ein Baby in einer gespendeten Gebärmutter austragen.

Risiko von Fehlgeburten

Inzwischen ist Stenbergs Sohn Vincent fünf Jahre alt. Die Ärzte testen ihn regelmäßig auf mögliche Auswirkungen der Medikamente. Bisher entwickeln sich alle in Schweden nach Transplantation geborenen Kinder normal. Dennoch: Der Eingriff bleibt riskant. In ein paar Fällen gab es Fehlgeburten und vereinzelt musste die Gebärmutter nach der Transplantation wieder entfernt werden. Und die Frauen setzen für ihren Kinderwunsch nicht nur ihre eigene Gesundheit aufs Spiel, sondern auch die der Spenderin und des Kindes.
Sich darauf einzulassen, sei aber eine freiwillige Entscheidung der Beteiligten, meint Urban Wiesing. "Die Frage lautet: Was ist es wert, Mutter zu werden?" Die Antwort, so der Tübinger Medizinethiker, müsse man in einer pluraen Gesellschaft letztlich der Mutter überlassen. "Es gibt Frauen, für die ist das nicht so wichtig. Aber eben auch welche, für die das sehr wichtig ist eine Schwangerschaft zu erleben."

Ein Fall für die Ethikkommission

Im Falle der Tübinger Gebärmutter-Transplantationen hat sich eine Ethikkommission mit der Frage beschäftigt, ob der Kinderwunsch der betroffenen Frau den Eingriff rechtfertigt. Und ob die Spenderin möglicherweise moralisch unter Druck steht und sich nur deshalb operieren lassen will. Jeder einzelne Fall sei sorgfältig geprüft worden, sagt Wiesing, der Vorsitzender dieser Kommission ist. Bisher sind fünf Transplantationen in Deutschland genehmigt worden. Dieser neue Weg zum leiblichen Kind werde also vorerst nur wenigen Frauen offen stehen, sagt Sara Brucker.
"Für eine Routineoperation ist das Verfahren zu komplex", so die Tübinger Gynäkologin. Es gebe in Deutschland etwa 15.000 Frauen, die ihre Gebärmutter sehr früh verloren oder nie eine besessen hätten. Der Kinderwunsch werde nur für einen Bruchteil so groß sein, dass sie entscheiden: "Ich möchte eine Gebärmutter-Transplantation."
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