Unfreier Identitätswechsel

13.03.2007
In seinem neuen Roman unternimmt Louis Begley, geboren 1933 in Polen unter dem Namen Ludwig Begleiter, eine packende Gesellschaftsanalyse der USA. "Ehrensachen" erzählt von den ausgeklügelten Inklusions- und Exklusionmechanismen einer Machtelite, die am Hof des chinesischen Kaisers vor 2000 Jahren, in Versaille zur Zeit des Sonnenkönigs oder im amerikanischen Harvard der 50er Jahre mit einem ganzen Set von Sanktionen und Ermunterungsmaßnahmen darüber bestimmt, wer dazu gehört - und vor allem, wer nicht.
"Mehr denn je ist ihm klar, dass Ficken die Schubkraft ist, die die Welt bewegt", lautete eine der Erkenntnisse des Helden, eines Selfmade-Millionärs aus Louis Begleys Roman "Mistlers Abschied". Daran hat sich auch in "Ehrensachen", dem vielleicht persönlichsten Buch Begleys nach "Lügen in Zeiten des Krieges", nichts geändert. Nur kommt nun in dieser eindringlichen Geschichte von den Studienjahren dreier ungleicher Freunde in den 50er Jahren, die alle in unterschiedlichen Milieus aufgewachsen sind, etwas Entscheidendes hinzu: der biographische Faktor.

Die Möglichkeit, sich neu zu erfinden, lautet das Versprechen des amerikanischen Traums. Aber: Gilt das auch für Juden? Und wie hoch ist der Preis dieser neuen Identität? Henry, die Hauptfigur von "Ehrensachen", entwickelt für sich ein neues amerikanisches Credo:

""Solange es Leute gibt, die es kümmert, ob ich ein Jude bin, der vorgibt, keiner zu sein, so lange muss ich Jude bleiben, auch wenn ich mir innerlich nicht jüdischer vorkomme als ein geräucherter Schweineschinken". "

Rezensiert von Denis Scheck


Louis Begley: "Ehrensachen"
Deutsch von Christa Krüger
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2007
444 Seiten, 19,80 €