Unerwartetes Mutterdasein und unerwünschte Spukerei

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 19.03.2008
"Die Geheimisse der Spiderwicks" ist ein Fantasy-Abenteuer mit überschaubarem Haltbarkeitswert um einen kleinen Jungen, ein paar Spukgestalten und ein magisches Buch. "Juno", eine kleine, aber feine Independent-Komödie, zeigt eine vorwitzige Teenagerin, die überraschend schwanger wird. Mit dem Heranwachsen des Babys reift auch sie.
"Juno"
USA 2007. Regie: Jason Reitman. Darsteller: Ellen Page, Jason Bateman, Jennifer Garner, Michael Cera, Allison Janney u.a. Länge: 96 min.

Der 30jährige kanadische Drehbuch-Autor und Regisseur Jason Reitman, Sohn des Komödien-Experten Ivan Reitman ("Ghostbusters"; "Staatsanwälte küsst man nicht"; "Twins - Zwillinge"; "Dave"), hatte schon im Vorjahr mit seinem Debüt-Spielfilm "Thank you for smoking" einen Außenseiter-Hit gelandet. Den hat er nun in dieser Kino-Saison mit seinem zweiten Film noch getoppt.

Der Film wurde von den amerikanischen Kritikern begeistert aufgenommen und war dort auf vielen Top-Ten-Listen von 2007. Zugleich bekam der Film vier "Oscar"-Nominierungen (Bester Film, Beste Regie, Bestes Original-Drehbuch und für Ellen Page als Beste Hauptdarstellerin); bekommen hat ihn Diablo Cody für das Beste Original-Drehbuch. Das gesamte Budget von 6,5 Millionen Dollar spielte der Film in den USA bereits nach 20 Tagen ein, bis Anfang März 2008 hatte er dort 132 Millionen Dollar und weltweit insgesamt 172 Millionen Dollar eingespielt. Und auch der Soundtrack (mit u.a. Mott the Hoople, The Kinks, Velvet Underground) platzierte sich unerwartet gut und war zehn Wochen lang das am meisten verkaufte Album.

Dabei ist - zunächst - das Thema eigentlich alles andere als unterhaltsame komödiantische Vermittelbarkeit: Die 16-jährige Juno MacGuff ist schwanger. Der koboldhaften Schülerin aus einer Kleinstadt in Minnesota wird ein eher "ungelenker Nachmittags-Geschlechtsverkehr" mit einem eher Langweiler-Typen aus der Bio-Klasse auf einem Stuhl zum Verhängnis.

Würde man jetzt den "normalen dramaturgischen Spuren" eines Hollywoodfilms folgen, müssten erst einmal alle ausrasten: Eltern, Erzieher, Freunde, kirchliche Seelsorger, Verwandte aus Nah und Fern, Nachbarn. Das Gegenteil ist der Fall: Alle hier bleiben erst einmal - vergleichsweise - ruhig. Vor allem Sie, Juno. Die ist eine ziemlich selbstbewusste, schlagfertige junge Frau, die mit ihrem Vater, der Stiefmutter und ihrer kleinen Schwester zusammenlebt. Als sie denen das "beichtet", sind weder Hysterie noch Herumschreien oder Vorwürfe angezeigt, sondern das Sich Stellen der neuen Situation.

Juno, mit viel Grips, sarkastischem Humor und schön frecher Klappe ausgestattet, handelt mit einem beneidenswert gesunden Menschenverstand, Stellt sich ihrer Situation und ihrer Umgebung, um sich sogleich auf die Suche nach Adoptiveltern zu begeben. Als eine Art "Bilderbuch-Ehepaar" gefunden ist, stellt sich dort nach und nach die schön gestylte Fassade als "bröckelnd" heraus. Was auch wiederum mit Juno zu tun hat. Augenzwinkernde Situationskomik, pointierter Wortwitz zuhauf, charmante Unvernunft, überhaupt diese ganze ungewohnte Erzählweise, Abläufe sind ungewöhnlich bzw. permanent überraschend, bereiten viel Vergnügen, sind genau mit der richtigen Balance zwischen Spaß und Tiefgang, zwischen Glaubwürdigkeit und Konstruktion, zwischen Gefühl und Ernsthaftigkeit ausgelotet.

Unglaublich: Aus einer im Grunde ganz altbackenen Teenager-Geschichte wird eine herrlich beschwingte, prickelnd unterhaltsame Komödie, mit viel herrlichem Schnodder-Charme. Überzeugend vorgeführt durch den hinreißenden Unschuldstrampel in der Hauptrolle: Die 20- jährige Ellen Page spielt unverbraucht-natürlich wie hingebungsvoll-überzeugend diese 16-jährige Kesse. Die mit der rebellischen, aber nicht übertriebenen, altklugen Coolness, die mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, die mit dem patenten Umgangston. Da auch das gesamte Ensemble in guter Stichwort-Stimmung und prima geführt ist, lautet das Fazit: Daumen absolut hoch! Gescheit, charmant, darstellerisch herausragend, also wieder so eine prima saisonale Kino-Außenseiter-Entdeckung mit höchst vergnüglichem Langzeit-Geschmack.

"Die Geheimisse der Spiderwicks"
USA 2007. Regie: Mark Waters. Darsteller: Freddie Highmore, Mary-Louise Parker, Nick Nolte, Joan Plowright, David Straithairn u.a. Länge: 96 min.

<im_43504>"Die Geheimnisse der Spiderwicks" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_43504>"Die Geheimisse der Spiderwicks" von Mark Waters, Jahrgang '64; von dem stammen nette Komödien-Leichtigkeiten wie "Hals über Kopf" (2001), "Freaky Friday - Ein voll verrückter Freitag" (2003), "Girls Club - Vorsicht bissig!" (2004) und "Solange du da bist" (2005). Sein neuester Streich ist ein Fantasy-Abenteuer, irgendwo zwischen "Harry Potter"-Hokuspokus, "Die Chroniken von Narnia"-Spinnereien und "Der goldene Kompass"-Kasperletheater angesiedelt. Diese geschätzte 100 Millionen-Dollar-Produktion basiert auf fünf Bänden einer populären Fantasy-Buchreihe für Kinder: "Die Spiderwicks-Geheimnisse" von Holly Black und Tony Di Terlizzi (Illustration) aus den Jahren 2003 bis 2005 (2007 ist Nr.6 erschienen). Mit dem heute 16-jährigen Jung-Star Freddie Highmore in einer Doppelrolle als die Zwillingsbrüder Jared und Simon Grace.

Nach Trennung vom Ehemann zieht die Mama mit ihren drei Kindern (und ältere Mallory) aus New York in das einsam gelegene, halb verfallene Landhaus der Großtante. Hier spukt es, natürlich. Aber: Die Spukgestalten wie Wichtel, Kobolde, Feen, Gnome und später auch Elfen sind diesmal zu sehen. Man kann mit ihnen "kommunizieren". Ebenso wie "draußen" mit äußerst hässlichen Kröten-Wesen, die an das Buch wollen. Dabei handelt es sich um ein magisches Buch, das einst vom Ur-Großvater (David Strathairn) vor 80 Jahren verfasst wurde und dessen Besitz die Türen "zu einer anderen Welt" öffnen.

Na ja, die alte gut gegen böse Geschichte mal wieder. Mit viel Action/Tricks/Spiel und Rechner-Spaß, aber auch der freundlichen Sinnfrage: Braucht man DAS im Kino wirklich noch? Es ist eine Art 1:1-Unentschieden-Kintopp: Teils ganz unterhaltsam, teils belanglos; teils nett-verschroben, teils Na Ja; teils witzig, teils brutal. Die Kleinen (ist ab 6 freigegeben) sollen ebenso bedient werden (Feen, poetische Märchenstimmung) wie die "Halbstarken" (Action-Kampf-Motive). Weder Fisch noch Fleisch; ein Irgendwo-dazwischen-Fantasy-Abenteuer, mit überschaubarem Haltbarkeitswert; kein Muss-Vergnügen, sondern ein Kann-Amüsemant. Weil es hauptsächlich um die Special Effects geht, sind die Darsteller zweitrangig. Nett aber, dass - nach langer Leinwand-Abstinenz - mal wieder der inzwischen 66-jährige Nick Nolte ("Zoff in Beverly
Hills") als Kröten-Oberschurke Mulgarath kurz auftaucht.