Und Gott sprach

Von Thomas Kroll · 10.05.2008
Es mag verwundern, dass Ben Becker die Bibel als Performance auf die Bühne bringt. Kirchentreue und Bibelfestigkeit zählen bisher nicht zum bizarren Image des bekannten deutschen Schauspielers. Die Resonanz des Publikums fällt gespalten aus. Der große Wurf scheint die Bibel-Show nicht zu sein.
Besucher:

"Wir sind begeistert, also es ist eine tolle Inszenierung."

"Schön - imposant - sehr gut - beeindruckend - bombastisch."

"Ja, es war Wahnsinn."

"Am Anfang schuf Gott [den] Himmel und [die] Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag."
Ben Beckers größtes Potenzial ist seine sonore, raue Bass-Stimme. "Jesus mag Gottes Sohn sein", formuliert die Zeitschrift "Vanity Fair" provozierend, - Zitat - "aber Ben Becker ist seine Stimme".

Nach der erfolgreichen Inszenierung zu Texten von Friedrich Schiller bringt der Theater und Filmschauspieler nunmehr Bibeltexte auf die Bühne. Dafür greift er auf die revidierte Übersetzung von Martin Luther zurück. Im Laufe eines Abends spannt Becker den Bogen von der Genesis bis zur Offenbarung des Johannes, vom ersten bis zum letzten Buch der Bibel.

"Das Thema in der heutigen Zeit, das finde ich unglaublich. Ich bin ganz beeindruckt davon, wie viel aus meiner Schulzeit und aus meiner Konfirmationszeit hängen geblieben ist. Ich könnte ja glatt als Souffleuse auftreten."

Das Alte und Neue Testament in knapp zweieinhalb Stunden. Da bleibt vieles auf der Strecke. Für die Zehn Gebote etwa hat Becker keine Zeit. Aus der neutestamentlichen Briefliteratur zitiert er kein Wort. Dennoch: Dank lautmalerischer Musik und Beckers eindringlicher Stimme werden jahrhunderte alte Geschichten wieder lebendig.

Den Mimen unterstützt dabei auf der einen Bühnenseite das Deutsche Filmorchester Babelsberg unter der Leitung von Christian Feigel. Auf der anderen Bühnenseite wartet Beckers Band namens "Zero Tolerance" auf ihren Einsatz. Sie ist seltener zu hören ebenso wie vier Background-Sängerinnen, Delilah Singers genannt. In dunkler Kleidung steht Becker hinter einem großen Rednerpult. Dessen Vorderseite ziert ein Kreuz.

Mitunter formt der 43-jährige Ex-Punker die rechte Hand mit dem Totenkopfring zur Faust, wenn etwa Gottes Ärger und Eifersucht zur Sprache kommen. Wenig später malt er mit derselben Hand dem Publikum das Kainszeichen auf die kollektive Stirn.

"So ging Kain hinweg von dem Angesicht des Herrn und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, [gen] Osten."

"”In the ghetto!
And his hunger burns
so he starts to roam the streets at night
and he learns how to steal
and he learns how to fight
in the ghetto (in the ghetto).”"


"Überrascht hat mich denn doch Elvis Presley, fand ick kurios, hat meines Erachtens "In the Ghetto" nicht so janz hinjepasst. Dadurch, dass Kain auch ausgestoßen wurde, hat et natürlich einen Bezug, aber so richtig passend fand ich es nicht."

Dreimal unterbricht Ben Becker seine Lesung. Dann steht er in der Mitte der Bühne und singt. Spätestens bei "Bridge Over Troubled Water", dem gesungenen Kommentar zu Jesu Gang über das Wasser, werden Beckers musikalische Grenzen offensichtlich.

"Er ist mit Sicherheit kein ausgebildeter Sänger."

Bei der Live-Lektüre hat es bisweilen den Anschein, als schraube sich Beckers Körper geradezu in das Mikrofon hinein. Vor Publikum kommt seine Stimme im Gegensatz zur CD-Fassung nicht selten mit viel Pathos und allzu viel Timbre daher, zum Beispiel bei der Grablegung Jesu:

"Am Abend aber kam ein reicher Mann, der hieß Josef und war auch ein Jünger Jesu. Er ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu."

Beckers Bibel-Bühnen-Show will auch den Augen der Menschen etwas bieten. Doch wirken permanent zur Decke steigende Nebelschwaden ebenso kitschig wie die Kleidung der Band, die sich pseudo-klerikal gibt. Man entdeckt schwarze Hemden mit Römerkragen, eine Stola mit Jerusalemkreuz sowie ein Mischgebilde aus violetter Soutane und Chorrock.

Einfallsreicher erweist sich da schon die große dreiteilige Videoinstallation im Bühnenhintergrund. Ein Tryptichon mit bewegten Bildern, mal von Granatäpfeln und Gewürm, mal von aufgehender Sonne und judäischem Bergland.

"In dem ersten Teil diese leicht bewegten Stillleben - das finde ich sehr eindrucksvoll, solche Bilder."

Am Ende sind mehr als 2000 Menschen begeistert, und Becker reckt die gefalteten Hände zum Himmel. Nein, predigen wolle er nicht, nur vorlesen, verkündet der Schauspieler in Interviews. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack. Mal kommt Becker als Gottvater daher, mal als Jesus, und beim finalen Gospel "He’s alive" wirkt er wie ein vergleichsweise müder Fernsehprediger. Unterm Strich: Gute Unterhaltung, streckenweise. Doch wird man den Verdacht nicht los, einer riesigen Selbstinszenierung beigewohnt zu haben, einem letztlich belanglosen postmodernen Spektakel.

"Das Talent von Ben Becker beeindruckt, aber er hat, wie ich finde, den Text zum Vehikel für sein Talent und für seine Fähigkeit mit der Sprache gemacht und kein Ansatz geboten, sich mit ihm oder der Bibel kritisch auseinander zu setzen."

"Ich finde, er ist Klaus Kinski light."