Nationales Filmarchiv

Das British Film Institute als Vorreiter

Filmmaterial aus der Zeit des Ersten Weltkrieges im Filmarchiv des deutschen Filminstituts in Wiesbaden.
Das National Archive hat nicht nur alte Filme gesammelt, sondern auch Kostüme, Deko oder auch die Originaldrehbücher. © picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Oliver Schwesig · 25.10.2014
Das gesamte filmische Erbe, gut restauriert an einem Ort: Davon können Cineasten hierzulande nur träumen. In Großbritannien ist es Realität, wo sich im nationalen Filmarchiv des British Film Institutes Dutzende Experten um alte Filme kümmern.
Ein unscheinbarer Flachbau auf einer Farm in Berkhamsted eine halbe Stunde nördlich von London. Brian Robinson, Pressechef des Britischen Film Instituts, leitet mich durch einige Sicherheitstüren tief hinein in das verwinkelte Gebäude, bis wir nach einer Weile in einem riesigen Kühlschrank stehen. Eine Halle mit acht Meter hohen Regalen wie in einem Baumarkt und darin liegen sie nun: rund 200.000 Filmdosen von monströsen Lüftern permanent auf vier Grad gekühlt. Es ist nur eins von drei großen Lagern mit insgesamt über einer Millionen Filmrollen. Und alles findet sich hier: Werbefilme, Heimvideos, erste Spielfilme oder Nachrichten.
Brian Robinsons Augen leuchten, wenn er von diesen Filmschätzen erzählt. Das National Archive dokumentiert seit 1936 britische Alltagskultur in all ihren Facetten. Und dafür gibt es einen guten Grund:
Brian Robinson: "Nun mit einem Film - das ist doch wie eine Zeitreise. Egal wie viele historische Neuauflagen von Geschichte man im Kino sieht – nichts übertrifft das Original. Wenn man sich zum Beispiel einen alten Film über die Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert anschaut, da sieht man vielleicht eine alte Frau, eine Kutsche, ein paar Jungen und so weiter. Und das erzählt doch so viel über das alltägliche Leben. Hunderte Geschichtsbücher könnten einem nicht vermitteln, was man da im Film sieht."
Mitarbeiter im Laborkittel
Zum Leben erweckt werden diese alten Filme ein paar Zimmer weiter von David Gurney. Wie viele der Mitarbeiter hier trägt der Film-Restaurator einen weißen Laborkittel. Es riecht nach Chemikalien. Gurney steht vor einer großen Maschine. Hier wird gerade jedes Bild eines alten Straßenfilms aus dem Jahr 1900 einzeln mit Filtern und Reinigungsflüssigkeit optimiert und dann auf einen nagelneuen schwarzweiß-Film kopiert.
David Gurney: "Das ist ein Projekt, das ich vor zehn Jahren schon mal bearbeitet habe. 74 Rollen, die damals als unkopierbar galten. Jetzt versuche ich's nochmal, mit einer anderen Technik und einer anderen Kamera. Szenen von Passagierschiffen sieht man hier, oder ein Torpedoboot. Echte Handarbeit - jedes Bild wird einzeln wie bei einem Trickfilm durch die Kamera transportiert."
Die Pflege des filmischen Erbes heißt in Großbritannien aber nicht nur, sauber restaurierte Filme in kühlen Regalen aufzuheben. Regelmäßig werden sie in den Kinosälen des Britischen Film Instituts, BFI, gezeigt oder erscheinen neu auf DVD. Etliche Filme aus dem Archiv und auch ganz neue Spielfilme gibt es als Stream im Internet. Gebündelt sind diese Informationen an einem Ort, der Internetseite des BFI. Eine Goldgrube für Filmfans – die hierzulande von so viel professioneller Filmpflege und Auswertung nur träumen können.
Die Zukunft des BFI ist gesichert
Die Zukunft dieser Filmeinrichtung ist übrigens gesichert. Das BFI-Motto "Film forever" kann man fast wörtlich nehmen. Das Institut tritt als offizielle Filmabteilung des Kulturministeriums auf und wird unter anderem aus dem großen staatlichen Lotterie-Fond finanziert.
Das Archiv in Berkhamsted hat seit dem Bestehen auch alles andere rund um Filme gesammelt: Plakate, Storyboards, Drehbücher, sogar Kostüme. Zwei Millionen solcher Exponate. Über sie waltet Carolyne Bevon. Die kleine Dame holt aus einem Regal die schönsten Stücke. Und schlägt das Original-Drehbuch von Carol Reeds "Der dritte Mann" auf.
Carolyne Bevon: "Dies ist das Skript, mit dem er beim Dreh gearbeitet hat. Und man kann sehen, dass hier viel weggestrichen und verändert wurde. Dialoge wurde umgeschrieben. Der Film änderte sich also noch während gedreht wurde. Oder hier: Wir haben zum Beispiel das große Glück, alle Notizbücher des exzentrischen britischen Regisseurs Derek Jarman zu besitzen. Von ihm stammt zum Beispiel dieses dicke Drehbuch, voll mit Ideen. Diagramme für Kameraeinstellungen, Polaroids oder Papierservietten mit Notizen. Stück für Stück wurde dieses Buch am Ende ein ganz eigenes Kunstwerk."
Carolyne Bevon bereitet gerade eine Ausstellung zur Geschichte britischer Science Fiction Filme vor. Und da zeigt sich dann die hohe Qualität dieses Archivs. Denn im britischen Filminstitut in London werden nicht nur die alten Filme gezeigt, sondern im selben Haus kann man nach dem Kinobesuch dann die Objekte der Filme bestaunen: Kostüme, Deko oder eben auch die Originaldrehbücher. Lebendiger kann Filmgeschichte kaum werden.
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