Umzug des Thüringer Landtags

25.000 Euro pro Sitzungstag – wegen der AfD

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Drei Thüringer Landtagsmitarbeiter besichtigen einen Saal mit Tischen und Stühlen.
Hunderttausend Euro Mehrausgaben wegen einer AfD-Abgeordneten: Ab dem 8. Mai tagt das Thüringer Parlament in einer Halle des Erfurter Steigerwaldstadions. © picture alliance/dpa/Martin Schutt
Von Henry Bernhard · 08.05.2020
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Weil im Thüringer Landtag die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können, tagen die Abgeordneten nun in einer Halle des Erfurter Fußballstadions. Entscheidend für den teuren Umzug war eine Stimme aus der AFD.
Es ist die erste Landtagssitzung nach der Krise – der Verfassungs- und Staatskrise vom Februar dieses Jahres, die durch die Wahl des FDP-Abgeordneten Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD ausgelöst worden war. Auf dessen Wahl am 5. Februar waren vier wirre Wochen ohne Minister, mit Krisengesprächen, Marathonsitzungen, Rücktritten in der Landes- und der Bundespolitik gefolgt.
Die erneute Wahl eines Ministerpräsidenten am 4. März drohte dann, am Coronaverdacht eines CDU-Abgeordneten zu scheitern. Doch Bodo Ramelow wurde schließlich gewählt, ermöglicht dadurch, dass sich die CDU-Abgeordneten fast vollständig der Stimme enthielten.

Rechnungen über 100.000 Euro

Die heutige Plenarsitzung am 8. Mai ist die erste nach Ramelows Wiederwahl zum Ministerpräsidenten – und sie steht ganz im Zeichen der nächsten Krise – der Coronakrise. Ramelow wird eine Regierungserklärung abgeben; der Landtag soll über 1,2 Milliarden Euro für Coronahilfen abstimmen.
Dafür wird das Parlament in einer Veranstaltungshalle im Erfurter Stadion tagen, da im Landtagsgebäude die Abstandsregeln nicht einzuhalten sind. Die Mehrkosten für Miete, Bestuhlung, Sicherheit, Ton- und Videotechnik belaufen sich auf 25.000 Euro – pro Sitzungstag. Da der Thüringer Landtag auch in der kommenden Woche dreimal tagen wird, stehen aktuell Rechnungen von 100.000 Euro ins Haus.

AfD-Abgeordnete gegen Verkleinerung des Parlaments

Das wollten einige Fraktionen ursprünglich dadurch vermeiden, dass sich nur die Hälfte der Abgeordneten versammelt – die Mehrheitsverhältnisse wären beibehalten worden. Dann hätte man im eigenen Plenarsaal bleiben und sich sicher verteilen können.
Dem stimmte allerdings eine einzige der 90 Abgeordneten nicht zu. Somit war der Umzug ins Stadion nötig. Die Abgeordnete gehört der AfD-Fraktion an, die sich selbst gern "Fraktion des gesunden Menschenverstandes" nennt und für eine radikale Verkleinerung des Parlaments plädiert.

Höcke wiederholt seine Dresdner Rede von 2017

Bei der ersten Sitzung erinnerten Ministerpräsident Bodo Ramelow und die Parlamentspräsidentin Birgit Keller an das Kriegsende und die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren.
Björn Höcke, Chef der AfD-Fraktion und vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist beobachtet, widersprach dem und wiederholte, was er bei seiner Dresdner Rede 2017 schon gesagt hatte: Die Vergangenheitsbewältigung lähme "ein Volk mit der Zeit". Zudem sprach er von einer "Herrschaft der Angst", die die Politik vor dem Coronavirus schüre.
Der Sozialdemokrat Matthias Hey sprach direkt nach Höcke: "Meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich wäre nach dieser Rede Zeit zum Durchlüften gewesen."
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