Ukraine

Schlechte Stimmung vor der Wahl

Pro-russische Aktivisten laden Waffen auf einen Truck, nachdem sie sich Gefechte mit ukrainischen Soldaten vor Donetsk geliefert haben.
Pro-russische Aktivisten laden Waffen auf einen Truck, nachdem sie sich Gefechte mit ukrainischen Soldaten vor Donetsk geliefert haben. © dpa / picture alliance / Roman Pilipey
Von Florian Kellermann · 24.05.2014
Die einen sind enttäuscht von der "Partei der Regionen", die anderen wollen gar nicht erst wählen oder die Abstimmungen sabotieren. Im Osten der Ukraine ist die Stimmung am Tag vor den Wahlen aufgeheizt.
Der Freiheits-Platz in Charkiw ist einer der größten Plätze in Europa. 700 Meter lang, über 100 Meter breit, am südlichen Ende steht eine Lenin-Statue, dahinter erhebt sich das konstruktivistische Gebäude der Universität aus den 1930er-Jahren. Im Umkreis dieses zentralen Platzes gibt es eine ganze Handvoll Wahlkampf-Zelte - aber kein einziges der "Partei der Regionen", aus der Ex-Präsident Viktor Janukowitsch stammte. Das ist erstaunlich: Diese ostukrainisch geprägte Partei bekam in Charkiw in den vergangenen Jahren stets die meisten Stimmen - und ihr Kandidat für die Präsidentenwahl, Michail Dobkin, stammt aus Charkiw. Er war hier zunächst Bürgermeister und später Gouverneur.
Aber am Sonntag werde kaum jemand für ihn stimmen, sagt Wolodymyr Iwanowytsch, ein 36-jähriger Psychologe, der sich in der Mittagspause in einem kleinen Park an einen Brunnen gesetzt hat:
"Er und seine Mannschaft haben schon etwas für die Stadt getan, aber noch mehr haben sie gestohlen und in die eigenen Taschen gesteckt. Sie haben die Kommunalsteuern erhöht und die kleinen und mittleren Unternehmen abgewürgt. Dobkin hat ein paar Bänke aufgestellt und hier und da neuen Asphalt auf die Straßen legen lassen - und auch das nur, weil der Bürgermeister Hennadij Kernes, Dobkins Freund, eines Baufirma hat. Als Präsident kommt Dobkin nicht in Frage. Er würde die Demokratie in der Ukraine abbauen."
Die "Partei der Regionen" ist geschwächt
Wolodymyr will für einen Kandidaten stimmen, der die Ukraine an die EU annähert, wahrscheinlich für den sogenannten Schokoladenkönig Petro Poroschenko.
Westlich orientierte Menschen wie er standen der "Partei der Regionen" immer skeptisch gegenüber, aber auch bei ihren Stammwählern hat Michail Dobkin wenig Chancen. Sie sind enttäuscht von der "Partei der Regionen" und werfen ihr vor, die Korruption im Umkreis von Ex-Präsident Janukowitsch geduldet zu haben.
Zum Lenin-Denkmal kommen jeden Abend Anhänger einer radikalen Opposition. Sie lehnen die Regierung in Kiew als illegitim ab und bezeichnen sie - gemäß der Propaganda im russischen Fernsehen - als faschistisch. Die "Partei der Regionen" vertrete die Interessen des Ostens nicht mehr, meint ein Mann, der sich als Stahlarbeiter vorstellt:
"Wir hier alle boykottieren die Wahl, aus einem einzigen Grund: Wenn wir für eine hohe Wahlbeteiligung sorgen, heißt das doch, dass wir diese Militär-Junta, diese Faschisten in Kiew anerkennen. Wenn der Genosse Dobkin seine Kandidatur nicht zurückzieht, dann macht er mit bei diesem Verbrechen. Wir haben Bürgerkrieg, was für Wahlen kann es da geben."
Separatisten in Donezk und Luhansk wollen die Wahl sabotieren
Doch während die Menschen in Charkiw wenigstens die Chance haben, ihre Stimme abzugeben, versuchen die Separatisten in Donezk und Luhansk die Wahl zu sabotieren. Fast die Hälfte der 34 Bezirkswahlkommissionen dort kann nicht oder nur eingeschränkt arbeiten, so offizielle Angaben aus Kiew. Die Separatisten besetzen Büros, stehlen Computer und haben Organisatoren gefangen genommen. Erste konkrete Gegenmaßnahmen kommen spät: Fünf der Kommissionen sollen ihre Arbeit am Donezker Flughafen fortsetzen, unter Bewachung von Sicherheitskräften, beschloss die Zentrale Wahlkommission gestern.
Wie hoch wird die Wahlbeteiligung in den östlichen Bezirken - trotz der Sabotage, trotz der Enttäuschung über die "Partei der Regionen"? Eine wichtige Frage für die Beurteilung der Abstimmung. Daran wird gemessen werden, ob sich die Menschen dort, die den Umsturz in Kiew mehrheitlich ablehnten, in den politischen Prozess eingebunden fühlen.
Mehr zum Thema