Ukraine-Krise

Odessa und die Folgen

Das ausgebrannte Foyer des Gewerkschaftshauses in Odessa
Das ausgebrannte Foyer des Gewerkschaftshauses in Odessa © Deutschlandradio / Sabine Adler
Von Sabine Adler · 04.05.2014
In Odessa gedenken die Menschen der mehr als 40 Opfer des Brandes vom Freitag. Die Stimmung in der Stadt im Süden des Landes ist angespannt. Auch im Osten der Ukraine bleibt es weiterhin bedrohlich. Hier sprechen die Separatisten nun davon, die Hauptstadt Kiew anzugreifen.
Mehrere hundert Menschen haben heute vor der Polizeizentrale in Odessa verlangt, die rund 150 am Freitag verhafteten pro-russischen Aktivisten freizulassen. Dann stürmten sie das Gebäude. Es fielen Schüsse, ein Journalist wurde verletzt. Die Polizei ließ fast 70 Personen frei.
Die Stimmung in der Stadt ist aufgeheizt. Vor dem Gewerkschaftshaus legen viele Blumen nieder, die Ruine des ausgebrannten Hauses ist zugänglich, dort, wo Leichen gefunden worden waren, wurden Kerzen aufgestellt.
„Das kam für Odessa so unerwartet, es gab Spannungen, aber wir sind eine Stadt mit vielen Ethnien und es gab die Maidan-Bewegung und die Antimaidanbewegung. Aber das hat niemand erwartet."
12 Städte sind besetzt
Für den Osten und Südosten der Ukraine war die zurückliegende Woche mit über 60 Toten die blutigste. In Maripoul, Kramatorsk, Lugansk wird immer noch gekämpft, der Chef des Nationalen Sicherheitsrates Anatoli Parabi kündigte die Ausweitung der Anti-Terror-Operation, insgesamt sind 12 ost-ukrainische Städte von Aufständischen besetzt.
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazeniuk machte in Odessa pro-russische Kräfte für die Gewalt verantwortlich. Gestern spendeten viele Bürger Blut, in den Krankenhäusern liegen über 200 Verletzte, 20 davon in kritischem Zustand. In Gottesdiensten, wie in dem der evangelischen Gemeinde wurde heute der Opfer gedacht und zu Spenden aufgerufen. Pfarrer Andrej Gamburg:
„Das was in den vergangenen Tagen passiert ist, hat keine Sieger und keine Besiegten. Nur Opfer. Haben wir die Weisheit, den Gruß „Ruhm der Ukraine" niemals zu beantworten mit „Tod den Feinden".

Odessa gedenkt der Toten mit Blumen vor dem ausgebrannten Gewerkschaftshaus
Odessa gedenkt der Toten mit Blumen vor dem ausgebrannten Gewerkschaftshaus© Deutschlandradio / Sabine Adler
"Wir gehen nach Kiew"
Die Gefahr der Abspaltung des Ostens ist mitnichten vorüber, der Widerstand der Aufständischen längst nicht gebrochen. Im Gegenteil. Die Regierungsgegner haben zum ersten Mal als erklärtes Ziel die Einnahme der Hauptstadt Kiew verkündet. Der selbst ernannte Gouverneur von Lugansk - Waleri Bolotow - trat mit dieser Kampfansage gegen die Kiewer Übergangsregierung vor die Kameras: „Der Stab erarbeitet einen Angriff, wir gehen nach Kiew."
Zu Verhandlungen mit der Regierung zeigte sich der selbsternannte Lugansker Gouverneur Bolotow nicht bereit. Die ukrainischen Polizisten und Soldaten forderte er auf, die Seite zu wechseln.

„Alle Sicherheitskräfte, die nicht Bürger des Lugansker Gebiet sind haben bis 18uhr das Territorium zu verlassen, alle anderen, die zu den Sicherheitsdiensten gehören, haben sich bis 18 Uhr im Stab der südöstlichen Armee einzufinden, um hier ihren Eid auf das Volk von Lugansk zu schwören. Wer dies nicht tut, gilt als Feind des Volkes und wird nach Kriegsrecht bestraft."
Regierung zieht positive Bilanz der "Anti-Terror-Operation"
Agenturen melden, dass Regierungsgegner eine Kaserne in Lugansk erstürmen wollten. In Maripoul sind in der Nacht und am Morgen Schüsse gefallen, an Straßensperren brennen Reifen. Die ukrainische Regierung zog nichts desto trotz eine überwiegend positive Bilanz ihrer vor anderthalb Wochen eröffneten sogenannten Anti-Terror-Operation, konstatiert Wasili Krutow.
„Wir haben die Anti-Terror-Operation begonnen ohne dass es dafür zuvor eine Führung gegeben hat oder überhaupt eine solche Organisation. Dank des großen Patriotismus und Professionalismus der Kräfte des Geheimdienstes, des Innen- und Verteidigungsministerium, der Nationalgarde und vieler Bürger gelang es uns etwas zu erreichen, wofür man sonst viele Monate gebraucht hätte."
Die bekannte Ärztin und Präsidentschaftskandidaten Olga Bogolmolez kritisierte die Regierung dafür, die Menschen in Odessa nicht vor der Gewalt geschützt zu haben, ihrer Meinung nach hätten sich in der Hafenstadt Ereignisse wie auf dem Maidan widerholt.