Ukraine-Krise

Malaysisches Passagierflugzeug: Terrorakt oder Unglück?

Von Gesine Dornblüth · 18.07.2014
Bislang haben Rettungskräfte 121 Tote an der Absturzstelle des malaysischen Passagierflugzeugs geborgen. Knapp 300 Menschen waren an Bord. Ob die Maschine abgeschossen wurde und von wem, ist noch nicht sicher.
Die Boeing 777 war unterwegs von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Unter den 295 Toten sind auch viele Kinder. Die Absturzstelle befindet sich nahe der Ortschaft Grabowo im umkämpften Gebiet Donezk. Schnell fanden sich erste Stimmen, die von einem Abschuss des Passagierflugzeugs ausgehen. Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine:
"Das ist kein Unglück, keine Katastrophe, sondern ein terroristischer Akt."
Poroschenko kündigte eine Untersuchung an. Kiew habe mit dem Unglück nichts zu tun. Das Passagierflugzeug war auf einer Höhe von mehr als 10.000 Metern über der Ostukraine unterwegs. In dieser Höhe können Flugzeuge nur von wenigen Waffen getroffen werden. Eine ist das Flugabwehrsystem Buk. Der stellvertretende Innenminister der Ukraine, Anton Geraschenko, machte sogleich Russland für den Absturz mitverantwortlich:
"Das Flugabwehrsystem Buk wurde den Terroristen liebenswürdigerweise übergeben. Die Terroristen haben offenbar nicht verstanden, was sie tun, und mit diesem Komplex ein Passagierflugzeug abgeschossen. Rund 300 Menschen sind tot. Dafür werden sich diejenigen verantworten müssen, die das getan haben, und diejenigen, die diesen Terroristen solche Waffen zur Verfügung gestellt haben."
Rebellen haben sich mit Abschuss eines Militärflugzeugs gebrüstet
Es gibt aber Belege dafür, dass die Separatisten ein Buk-Abwehrsystem in der Ukraine selbst erobert haben. Am 29. Juni meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Itar Tass, der "Landsturm", wie die Aufständischen in Russland heißen, habe einen Stützpunkt der ukrainischen Armee eingenommen, auf dem es diese Abwehrraketen gäbe. Der Vizepremier der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Andrej Purgin, wollte das am Abend im russischen Fernsehsender TV Doschd weder bestätigen, noch dementieren. Allerdings müsse man diese Raketenkomplexe auch bedienen können, so Purgin:
"Um ein Flugzeug in der Höhe abzuschießen, braucht man Ortungssysteme, man muss wissen, wohin man schießt, man braucht eine ganze Gruppe von Spezialisten, die die Anlage bedienen. Wir haben all das leider nicht."
Die Separatisten machen Kiew für den Absturz der Maschine verantwortlich. Alexander Borodaj, Premierminister der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, sagte im russischen Fernsehen, die ukrainische Armee habe just in diesen Tagen Buk-Abwehranlagen in den Osten verlegt:
"Es sieht so aus, als sei das Flugzeug tatsächlich abgeschossen worden, und zwar von der ukrainischen Luftwaffe. Das ist eine gezielte Provokation."
Russland fordert eine internationale Untersuchung
Doch ein Detail spricht dafür, dass die Separatisten tatsächlich auf ein Flugzeug geschossen haben. So brüstete sich ihr Anführer Igor Girkin, genannt Strelkow, am frühen Abend im Internet, sie hätten soeben ein Transportflugzeug der ukrainischen Armee abgeschossen. Dazu veröffentlichte er das Foto einer Rauchsäule nahe einer Ortschaft. Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti verbreitete die Meldung weiter.
Kurz darauf wurde der Absturz der malaysischen Passagiermaschine bekannt – mit Bildern eben derselben Rauchsäule. Trümmer des angeblich abgeschlossenen Militärflugzeugs wurden hingegen nicht gefunden.
Unterdessen verbreiten die russischen staatlichen und staatsnahen Medien, nur ein Staat habe so ein Flugzeug abschießen können. Die russische Agentur Interfax meldete unter Berufung auf eine anonyme Quelle der russischen Flugbehörde, es sei sehr wahrscheinlich, dass die Rakete eigentlich auf das Flugzeug des russischen Präsidenten gezielt habe. Die Konturen und die farbliche Kennzeichnung der Präsidentenmaschine und der malaysischen Boeing seien ähnlich.
Russland fordert gleichfalls eine internationale Untersuchung des Vorfalls. Die Separatisten geben an, sie hätten die Blackbox bereits gefunden. Unklar ist bisher, ob sie sie internationalen Experten übergeben werden.
Sollten sich die Vermutungen eines Abschusses bestätigen, wäre das der bisher schwerste Vorfall im Konflikt um die Ostukraine.
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