Uisenma Borchu im Porträt

Eine radikale Filmkünstlerin wechselt ans Theater

Die Regisseurin Uisenma Borchu erhält am 15.01.2016 in München (Bayern) bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises im Prinzregententheater ihre Auszeichnung. Borchu wurden mit dem Nachwuchsregiepreis für ihren Film _Schau mich nicht so an_ ausgezeichnet. Foto: Tobias Hase/dpa | Verwendung weltweit
Die Regisseurin Uisenma Borchu © picture alliance / Tobias Hase / dpa
Von Noemi Schneider  · 30.09.2017
Mit "Nachts, als die Sonne für mich schien" inszeniert die Filmemacherin Uisenma Borchu ihr Theaterdebüt an den Münchner Kammerspielen. Für Aufmerksamkeit sorgte sie bereits 2015 mit ihrem Spielfilmdebüt "Schau mich nicht so an".
Uisenma Borchu ist ein bisschen erschöpft. In ihrer ersten Theaterarbeit an den Münchner Kammerspielen stellt sich die 33-jährige deutsch-mongolische Regisseurin und Schauspielerin ihrer Kindheit in Ostdeutschland: "Meine Problematik ist universell, da kann jeder, der eine Form von Diskriminierung erlebt hat, anknüpfen."
Eigentlich wollte sie Schriftstellerin werden, erzählt Borchu: "Aber da durfte ich ja nicht hin zu den Intellektuellen, das war ja auch sondiert. Das waren die klugen, weißen Kinder. Ich wollte da auch nicht hin, weil das auch so ein Getue war. Ich mag’s rauh, ich mag’s ehrlich, ich mag’s auch, wenn man sagt: 'Scheiß Schlitzauge', das ist viel ehrlicher, als wenn man sagt: 'Also wenn du das von Brecht nicht gelesen hast, dann geht das nicht.' Das ist so die typische Schulzeit gewesen."

Mit sechs Jahren plötzlich unerwünscht

Uisenma Borchu wurde 1984 in Ulan Bator geboren, mit fünf Jahren zog sie mit ihren Eltern und ihren beiden Geschwistern in eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Von der erwünschten mongolischen Familie in der DDR wurden die Borchus nach der Wiedervereinigung zu unerwünschten Ausländern in der BRD.
"Ein, zwei Jahre nach der Wende haben sich diese Jugendlichen vor unserem Haus formiert und rumgegrölt und die Nächte durchgetrunken. Die Bullen sind gekommen und wieder gefahren und dann waren sie wieder da. Es war 'ne chaotische Zeit. Man wusste nicht,k was richtig und falsch ist. Ich hab nur das eine Gefühl gehabt, dass das nicht richtig ist, was wir sind."
Um das Gefühl "nicht richtig zu sein" geht es in Borchus erster, autobiographischer Theaterarbeit "Nachts, als die Sonne für mich schien", in der sie Szenen aus ihrer Kindheit auf die Bühne bringt. Ihr Vater, der mongolische Künstler Borchu Brawaa ist ebenfalls Teil der Inszenierung:
"Ich hab sofort meinen Vater angerufen und gesagt: 'Du, ich will, dass du mit mir auf der Bühne stehst und ich möchte über unser Leben reden, das Leben inszenieren.' Und da wirst du dann nochmal zurückgeschickt in die Zeit."

Kunst ist die Lunge der Gesellschaft

Und das geht so: Während jeder Vorstellung wird Borchu Brawaa live auf der Bühne, parallel zum Stück seiner Tochter, ein Bild aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit malen:
"Wenn ich gefragt hab, vor ein, zwei Jahren, bitte mal doch mal aus unserer Zeit etwas, grade wo es weh tut, dann hat er immer abgewunken: "Nee, das interessiert mich jetzt nicht so." Na, weil es unangenehm ist, das weiß ich auch."
Für das Stück stellt sich der Vater nun dieser "unangenehmen Aufgabe". In Watte gepackt wird niemand. In ihren Arbeiten geht Uisenma Borchu immer auch selbst dahin, wo es weh tut. 2015 drehte sie ihren mehrfach ausgezeichneten Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule "Schau mich nicht so an" über Frauenbilder, Sexualität und weibliche Selbstinszenierung, den keine Förderinstitution unterstützen wollte. "Zu weiblich, zu sexuell, zu radikal", lauteten die Argumente dagegen. Doch Borchu setzte sich durch, denn sie glaubt fest an die Kraft der Kunst, ob auf der Leinwand oder auf der Bühne.
"Ich finde Kunst, ist so etwas wie die Lunge einer Gesellschaft, die Kiemen bei den Fischen, man braucht sie einfach, wenn wir so ein Ventil nicht haben, würden wir ersticken."

Weitere Informationen und Spieltermine auf der Website des Theaters.

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