Uhl: Vertrauen in BND-Spitze ist "nachhaltig erschüttert"
In der Affäre um die Bespitzelung deutscher Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) hat der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, personelle Konsequenzen verlangt. BND-Präsident Ernst Uhrlau könne offenbar nicht garantieren, dass sein Dienst nach Recht und Gesetz handele, sagte das Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium.
Hanns Ostermann: Einmal mehr steht der Bundesnachrichtendienst in der Kritik. Der letzte Fall, über Monate hinweg hatte er den E-Mail-Verkehr zwischen einer "Spiegel-Korrespondentin" und einem afghanischen Politiker mitgelesen. Der BND bespitzelte also mindestens eine Journalisten 2006, vielleicht auch noch andere 2007 nach Informationen der "Berliner Zeitung". Ernst Uhrlau, der BND-Präsident, hat sich zwar mittlerweile entschuldigt. Die Frage bleibt aber natürlich, wie kann der Geheimdienst besser kontrolliert werden, und welche Rechte braucht jenes parlamentarische Gremium, das genau hierfür vorgesehen ist, das Kontrollgremium? Eine mehrstündige Sitzung reichte gestern nicht. Heute besteht weiterer Gesprächsbedarf. Die Zeit drängt. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl. Er ist auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Guten Morgen, Herr Uhl!
Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Wie groß ist eigentlich noch Ihr Vertrauen in den Bundesnachrichtendienst?
Uhl: Ja, das ist genau die entscheidende Frage, die ich mir stelle und meine anderen acht Kollegen. Wir sind dort zu neunt, parteiübergreifend. Die gestrige Sitzung, ich darf die Einzelheiten und Tatsachen und Details nicht berichten, aber das Stimmungsbild war eindeutig gestern. Das Vertrauen in den Dienst und insbesondere in die Spitze des Dienstes ist nachhaltig erschüttert.
Ostermann: Die Spitze des Dienstes, damit meinen Sie Uhrlau, der heute auch wieder Rede und Antworten stehen muss. Es ist ja ein Unding, dass Sie aus den Zeitungen erfahren müssen, was der BND macht. Wie ist das möglich. Warum halten sich BND-Mitarbeiter nicht an Recht und Ordnung?
Uhl: Ja, wir erleben ganzjährig diesen Zustand, dass uns vom Dienst das Wenigste nur berichtet wird und wir immer aus der Zeitung die erste Information bekommen und dann diesen Fall danach besprechen, nachdem er öffentlich geworden ist. Jetzt gibt es natürlich das Argument, das sind Einzelne aus dem Dienst, die das durchstechen und an die Presse bringen. Aber es steht natürlich auch die Frage nach der Führung des Dienstes durch die Spitze. Das heißt, wird der Dienst so geführt, dass im Wesentlichen, Pannen passieren überall, bei jeder großen Behörde, aber im Wesentlichen das gemacht wird, wie die Nachrichten beschafft werden im Ausland für uns, für die Sicherheit der Deutschen und die Regierung, dass dabei auch Gesetz und Recht beachtet wird. Das ist der Punkt, um den es geht. Und da haben wir ganz konkrete Vorstellungen, und die muss der Präsident umsetzen. Er muss garantieren dafür, dass ein Apparat das so tut. Und dieses Vertrauen haben wir nicht mehr.
Ostermann: Es ist ja ein großer Apparat, das muss man ganz deutlich sagen. Und ein Präsident, der Kopf einer Behörde, hat das dann natürlich auch entsprechend schwierig. Aber fühlen Sie sich eigentlich auch vom Bundeskanzleramt ausführlich und gut genug informiert?
Uhl: In diesem einen Fall, den wir jetzt gerade besprechen, ist bereits nachgewiesen worden, dass, obwohl er so hoch sensibel ist der Fall, der Dienst gemacht hat, was er für richtig hielt. Der Präsident sagt, er sei nicht informiert worden, folglich das Kanzleramt gar nichts davon wusste und wir erst recht nichts wissen konnten. Das heißt, wenn ein Dienst so strukturiert ist, der Dienst macht, was er will, dem Präsidenten sagt man einiges, den Kanzlern drüber sagt man nur das Nötigste und dem Parlamentarischem Kontrollgremium sagt man gar nichts. Wenn sich die Dinge so herausstellen, dann muss ein Schnitt gemacht werden.
Ostermann: Also personelle Konsequenzen, und die werden wir in den nächsten Tagen erwarten können. Wesentlich länger wird es wahrscheinlich dauern, bevor die Aufgaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums erweitert werden und man hier möglicherweise besser arbeiten kann als bisher. Gemeinsam mit der SPD wollen Sie das Parlamentarische Kontrollgremium reformieren, die Aufgaben erweitern, aber entscheidende Differenzen gibt es bei dem Wie. Sie möchten einen eigenständigen Untersuchungsbeauftragten installieren. Welche Vorteile hätte ein solches Modell?
Uhl: Das hätte den Vorteil, dass wir ein Werkzeug, einen verlängerten Arm bekommen als parlamentarische Kontrolleure. Als Abgeordneter hat man ja nicht nur diese Aufgabe, sondern eine ganze Reihe anderer Aufgaben, das heißt, man hat nur ganz begrenzte Zeit zur Kontrolle, also brauchen wir Unterstützung. Das ist der Vorteil. Es gibt dann natürlich auch wieder Nachteile. Es gibt andere Modelle, über die man in aller Ruhe diskutieren muss. Da gibt es nicht nur eine richtige Lösung. Das Hauptproblem besteht in etwas anderem. Wir leben in Zeiten akuter terroristischer Bedrohung. Und diese Zeiten werden anhalten, vielleicht sogar noch schwieriger werden. Das heißt, wir brauchen dringend einen gut funktionierenden Nachrichtendienst, der so viel Informationen wie irgend möglich aus dem Ausland zum Thema terroristischer Bedrohung beschafft. Und diese Arbeit dürfen wir ja auch nicht behindern, die dürfen wir auch nicht durch falsche Veröffentlichung gefährden. Wir dürfen auch nicht die Zusammenarbeit des deutschen Dienstes mit ausländischen Diensten beschädigen. Sie sehen, es ist eine ganz schwierige Gradwanderung, die wir da machen. Einerseits Kontrolle, ob Recht und Gesetz eingehalten werden, andererseits Unterstützung des Dienstes, dass er möglichst viel beschafft.
Ostermann: Völlig klar. Trotzdem sind sich ja alle Parlamentarier offensichtlich einig, es muss etwas geschehen und auch, was die Aufgaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums betrifft. Auch dort muss sich etwas tun. Wie schnell, glauben Sie, einigen Sie sich? Denn dass Handlungsbedarf besteht, das sieht man doch jetzt am Fall der "Spiegel"-Korrespondentin?
Uhl: Es besteht in der Tat dringender Handlungsbedarf. Und unabhängig von diesem einem Fall, der spektakulär ist, haben wir ja schon vor Monaten uns parteiübergreifend über eine Verbesserung dieses Kontrollgesetzes verständigt und sind jetzt sozusagen in der Zielgeraden. Wir haben schon einen konkreten Gesetzentwurf, an dem wird jetzt in den nächsten Wochen gefeilt, sodass ich hoffe, dass wir noch vor der Sommerpause das Gesetz reformieren können.
Ostermann: Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!
Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Wie groß ist eigentlich noch Ihr Vertrauen in den Bundesnachrichtendienst?
Uhl: Ja, das ist genau die entscheidende Frage, die ich mir stelle und meine anderen acht Kollegen. Wir sind dort zu neunt, parteiübergreifend. Die gestrige Sitzung, ich darf die Einzelheiten und Tatsachen und Details nicht berichten, aber das Stimmungsbild war eindeutig gestern. Das Vertrauen in den Dienst und insbesondere in die Spitze des Dienstes ist nachhaltig erschüttert.
Ostermann: Die Spitze des Dienstes, damit meinen Sie Uhrlau, der heute auch wieder Rede und Antworten stehen muss. Es ist ja ein Unding, dass Sie aus den Zeitungen erfahren müssen, was der BND macht. Wie ist das möglich. Warum halten sich BND-Mitarbeiter nicht an Recht und Ordnung?
Uhl: Ja, wir erleben ganzjährig diesen Zustand, dass uns vom Dienst das Wenigste nur berichtet wird und wir immer aus der Zeitung die erste Information bekommen und dann diesen Fall danach besprechen, nachdem er öffentlich geworden ist. Jetzt gibt es natürlich das Argument, das sind Einzelne aus dem Dienst, die das durchstechen und an die Presse bringen. Aber es steht natürlich auch die Frage nach der Führung des Dienstes durch die Spitze. Das heißt, wird der Dienst so geführt, dass im Wesentlichen, Pannen passieren überall, bei jeder großen Behörde, aber im Wesentlichen das gemacht wird, wie die Nachrichten beschafft werden im Ausland für uns, für die Sicherheit der Deutschen und die Regierung, dass dabei auch Gesetz und Recht beachtet wird. Das ist der Punkt, um den es geht. Und da haben wir ganz konkrete Vorstellungen, und die muss der Präsident umsetzen. Er muss garantieren dafür, dass ein Apparat das so tut. Und dieses Vertrauen haben wir nicht mehr.
Ostermann: Es ist ja ein großer Apparat, das muss man ganz deutlich sagen. Und ein Präsident, der Kopf einer Behörde, hat das dann natürlich auch entsprechend schwierig. Aber fühlen Sie sich eigentlich auch vom Bundeskanzleramt ausführlich und gut genug informiert?
Uhl: In diesem einen Fall, den wir jetzt gerade besprechen, ist bereits nachgewiesen worden, dass, obwohl er so hoch sensibel ist der Fall, der Dienst gemacht hat, was er für richtig hielt. Der Präsident sagt, er sei nicht informiert worden, folglich das Kanzleramt gar nichts davon wusste und wir erst recht nichts wissen konnten. Das heißt, wenn ein Dienst so strukturiert ist, der Dienst macht, was er will, dem Präsidenten sagt man einiges, den Kanzlern drüber sagt man nur das Nötigste und dem Parlamentarischem Kontrollgremium sagt man gar nichts. Wenn sich die Dinge so herausstellen, dann muss ein Schnitt gemacht werden.
Ostermann: Also personelle Konsequenzen, und die werden wir in den nächsten Tagen erwarten können. Wesentlich länger wird es wahrscheinlich dauern, bevor die Aufgaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums erweitert werden und man hier möglicherweise besser arbeiten kann als bisher. Gemeinsam mit der SPD wollen Sie das Parlamentarische Kontrollgremium reformieren, die Aufgaben erweitern, aber entscheidende Differenzen gibt es bei dem Wie. Sie möchten einen eigenständigen Untersuchungsbeauftragten installieren. Welche Vorteile hätte ein solches Modell?
Uhl: Das hätte den Vorteil, dass wir ein Werkzeug, einen verlängerten Arm bekommen als parlamentarische Kontrolleure. Als Abgeordneter hat man ja nicht nur diese Aufgabe, sondern eine ganze Reihe anderer Aufgaben, das heißt, man hat nur ganz begrenzte Zeit zur Kontrolle, also brauchen wir Unterstützung. Das ist der Vorteil. Es gibt dann natürlich auch wieder Nachteile. Es gibt andere Modelle, über die man in aller Ruhe diskutieren muss. Da gibt es nicht nur eine richtige Lösung. Das Hauptproblem besteht in etwas anderem. Wir leben in Zeiten akuter terroristischer Bedrohung. Und diese Zeiten werden anhalten, vielleicht sogar noch schwieriger werden. Das heißt, wir brauchen dringend einen gut funktionierenden Nachrichtendienst, der so viel Informationen wie irgend möglich aus dem Ausland zum Thema terroristischer Bedrohung beschafft. Und diese Arbeit dürfen wir ja auch nicht behindern, die dürfen wir auch nicht durch falsche Veröffentlichung gefährden. Wir dürfen auch nicht die Zusammenarbeit des deutschen Dienstes mit ausländischen Diensten beschädigen. Sie sehen, es ist eine ganz schwierige Gradwanderung, die wir da machen. Einerseits Kontrolle, ob Recht und Gesetz eingehalten werden, andererseits Unterstützung des Dienstes, dass er möglichst viel beschafft.
Ostermann: Völlig klar. Trotzdem sind sich ja alle Parlamentarier offensichtlich einig, es muss etwas geschehen und auch, was die Aufgaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums betrifft. Auch dort muss sich etwas tun. Wie schnell, glauben Sie, einigen Sie sich? Denn dass Handlungsbedarf besteht, das sieht man doch jetzt am Fall der "Spiegel"-Korrespondentin?
Uhl: Es besteht in der Tat dringender Handlungsbedarf. Und unabhängig von diesem einem Fall, der spektakulär ist, haben wir ja schon vor Monaten uns parteiübergreifend über eine Verbesserung dieses Kontrollgesetzes verständigt und sind jetzt sozusagen in der Zielgeraden. Wir haben schon einen konkreten Gesetzentwurf, an dem wird jetzt in den nächsten Wochen gefeilt, sodass ich hoffe, dass wir noch vor der Sommerpause das Gesetz reformieren können.
Ostermann: Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!