Uffa Jensen: "Zornpolitik"

Das Grundgrollen der Gegenwart

Uffa Jensens "Zornpolitik"
Heute im Adventskalender: "Zornpolitik" von Uffa Jensen, verschenkt von Catherine Newmark © Cover: Suhrkamp/Collage: Deutschlandradio
Von Catherine Newmark, Sachbuchredakteurin  · 22.12.2017
Die Politik unserer Zeit ist geprägt von negativen Gefühlen wie Angst, Hass und Ablehnung. Der Berliner Historiker Uffa Jensen geht dem nach - im historischen Vergleich und in philosophischen Detailanalysen. Ein wertvoller Wegbegleiter für die Gegenwart.

Worum geht es?

Ich verschenke dieses Jahr das Buch "Zornpolitik" von Uffa Jensen. In dem Essay geht es um die negativen Gefühle, welche die gegenwärtige Politik prägen: Angst, Zorn, Hass, Verachtung, Ressentiment… Der Berliner Historiker und Antisemitismus-Forscher nimmt hier natürlich vor allem die Rechtspopulisten in den Blick – Pegida, die AfD, anti-muslimische Polemiken. Aber er vergleicht deren Gefühlswelten auch mit den negativen Gefühlen gegenüber Juden im Deutschland des 19. Jahrhunderts.
Es geht ihm freilich nicht darum zu behaupten, heutige "Islamkritiker" seien gleichzusetzen mit früheren Antisemiten. Vielmehr versucht er die Unterschiede herauszuarbeiten, zwischen Hass und Ekel, die den Antisemitismus des 19. Jahrhunderts dominierten, und dem Zorn und der Angst, die heute Muslimen entgegenschlagen. Grundlage allerdings ist hier wie da das, was Jensen mit dem Phänomenologen Max Scheler als eine Art "negatives Grundgrollen" beschreibt, nämlich das Ressentiment. Ein negatives Gefühl, zu dem Jensen zufolge besonders moderne Gesellschaften neigen, weil es in ihnen immer eine Spannung zwischen dem demokratischen Versprechen nach Mitbestimmung und den tatsächlichen politischen Machtverhältnissen gibt.

Was ist das Besondere?

Besonders interessant ist, dass Uffa Jensen nicht nur eine politische Analyse versucht, sondern im Anschluss an die philosophische Phänomenologie eine kleinteilige Beschreibung und Differenzierung von Gefühlen unternimmt. Was an manchen Stellen wie wissenschaftliche Detailverliebtheit wirken mag, zielt dabei auf einen zentralen Punkt, der für die gegenwärtige politische Debatte wirklich wichtig ist: nämlich zu zeigen, dass Gefühle nicht irgendwie "naturgegeben" sind, dass sie nicht einfach über uns hereinbrechen und völlig unkontrollierbar sind. Vielmehr werden sie in bestimmten Kontexten durchaus auch bewusst hergestellt – und es ist darum auch möglich, sie gezielt zu verändern. Man kann auch eine angemessene Haltung zu seinen Gefühlen entwickeln.

Wem wollen Sie es denn schenken – und warum?

Ich schenke das Buch meinem Mann, mit dem ich in letzter Zeit immer wieder wirklich intensive Diskussionen über die Wut in der Politik führe, wobei wir uns oft darüber streiten, ob und inwieweit rechte Wut aber auch linke Empörung gegenwärtig berechtigt, verständlich, hilfreich oder schädlich für die Demokratie sind. Und diese Diskussionen kann man auf Grundlage dieses Buch viel differenzierter führen.

Uffa Jensen: Zornpolitik
Suhrkamp, Berlin 2017
208 Seiten, 16 Euro

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