Überwachungsgegner

Wenn der Spion den Stinkefinger zeigt

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Daniel Bangert, Student und Gründer des "NSA Spion Schutzbundes" © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Anke Petermann  · 25.07.2014
Seit einem Jahr sorgt Daniel Bangert mit "Gegenspionage-Aktionen" und "Spaziergängen" zum US-Areal in Griesheim für Aufregung bei den Spionen. Zum Jahrestag werden am Wochenende Hunderte Spion-Schaulustiger aus ganz Deutschland erwartet.
Der riesige Griesheimer Spion-Zoo liegt wie verwaist hinter dem zwei Meter hohen Metallzaun. Ein paar Gebäude in Weiß und Military-Ocker, ein paar Autos mit Wiesbadener und Kaiserslauterer Kennzeichen auf einem Parkplatz, viel trockener Rasen, ein großes Tor, dahinter der Empfang. Nur ein paar zivile Wachleute passen auf, dass keiner von den mutmaßlich 250 Geheimdienst-Agenten ausbricht. Spion-Forscher Daniel Bangert hält seine Spy-TV-Kamera aus schwarz lackiertem Schuhkarton ans Zaun-Gitter. Spione sind lichtscheu, Filmaufnahmen wären eine Sensation.
Gut bewacht
"Welcome to the Dagger Complex", steht auf einem Schild. "Vorsicht Lebensgefahr, Militärgelände", auf einem anderen. Als neuer Safari-Tourist weiß man nicht so recht, was man glauben soll. Die Sicherheitsleute schauen rüber, man sieht sie telefonieren. Bangert ist beruhigt. Aber da weiß er ja noch nicht, was später auf ihn zukommen wird. Ab jetzt ist er jedenfalls gut bewacht, sagt ihm die Erfahrung.
"Ah ja, das machen die immer gleich, dann rufen die bei ihren Vorgesetzten an, dann telefonieren die noch ne halb Stunde weiter, dann kommt eigentlich die Militärpolizei aus Wiesbaden, dann steht die ein bisschen rum. Und wenn die meinen, dass wir wieder Hausfriedensbruch begangen haben, weil wir vor dem Zaun stehen, rufen die die Polizei an, und die Polizei muss dann die Personalien aufnehmen, die sie schon hundert mal aufgenommen hat. Dann gehen die wieder und müssen sich damit abfinden, dass wir hier sind."
Ein paar Fotos
Und das nicht zum Vergnügen, sondern um rauszufinden, was NSA und Behörden nicht verraten wollen: wie Agenten leben und welche Daten sie am liebsten zum Frühstück verspeisen. Bangert trägt ein T-Shirt mit dem Konterfei von Edward Snowdon, dem Bernhard Grzimek der Spionschutzbewegung. Der Fachinformatiker in spe hat die Spy-TV-Kamera zur Seite gelegt, macht ein paar Handy-Fotos. Damit hält er den Zustand des Geheges fest,
"um vielleicht Auffälligkeiten zu entdecken. Ab und zu verändert sich mal was hier. Zum Beispiel hier vorn stehen immer große Radarschüsseln, die ändern häufig ihre Position, das kann man immer sehr schön an den Bildern sehen, und wenn ich genug hab, kann ich ja mal so Zeitraffer-Aufnahmen machen, in der Art wie Zeitraffer."
Die Spionschutzbewegung hat zwar Unterstützer in ganz Deutschland, doch bei 35 Grad im Schatten ist die Bewegung träge. Nur Mareike macht die Expedition mit. Und wird gleich eingespannt. Bangert schaut die 29-Jährige an:
"Spion aus Käfighaltung"
Sicherheitslücke gucken?
Ja, machen wir mal!
Hier vorne ist noch ne Sicherheitslücke, die müssen wir jetzt auch noch mal überprüfen. Da war ein Stück Zaun ganz schön locker, und über Monate sind wir da immer wieder reingelaufen und haben gesagt, ihr habt da ne Sicherheitslücke, müsst ihr aufpassen, da können die Spione ausbrechen! Wir fühlen uns hier bedroht, das ist ja unverantwortlich, wenn hier ein Spion aus Käfighaltung sich mit einem wilden Maulwurf paaren würde!
Die beiden pirschen am Zaun entlang. An einer Stelle hatte sich das Metallgehege aus der Verankerung im Boden gelöst.
"Dann haben sie es irgendwann so repariert, aber wie man sieht, haben sie da nur Metallplättchen drunter gelegt, und die bewegen sich halt mit, wenn der böse Wind kommt."
Sind sie gefährlich, die Gehege-Insassen?
"Für einen persönlich so direkt nicht. Aber so für ganze Gesellschaft mit dem, was sie tun, schon."
Bangert forscht weiter
Bangert hat die Erkenntnis, dass die lichtscheuen Griesheimer Wesen Kommunikationsdaten als Grundlage für tödliche Drohnen-Einsätze ausspähen, aus dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die Bundesregierung weiß ja angeblich nichts, die hessische Landesregierung ebenso wenig. Bangert aber forscht weiter, zückt wieder das Handy. Ein Auto mit einem mutmaßlich echten Geheimdienstler nähert sich dem Gehege-Tor. Bangert knipst.
Hupen. No, no!
Yes, yes!
No, no!
Yes, yes!
Der Spion parkt den Wagen im Gehege, steigt aus und redet gestikulierend auf das Sicherheitspersonal ein. Das versucht vergeblich, den erbosten Agenten zu beschwichtigen. Wutschnaubend kehrt er zum Auto zurück, fährt wieder raus, kurbelt die Scheibe runter:
"If you take my picture, make sure you get this!"
Der Spion zeigt den Stinkefinger.
Go ahead, fucker.
Oh no.
Take my picture and I'll come back and ...
Bye, bye - I love you!
Bangert lächelt selig: ein seltener Höhepunkt der Spionforschung, direkte Kontaktaufnahme mit der wilden Spezies in all ihrer Zügellosigkeit. Das Wochenende wird der Spionforscher damit verbringen, aus abfotografierten Autokennzeichen der Geheimdienstler Bewegungsmuster zu erstellen. Die will er dann als Datei ins Netz stellen. Aber erst, wenn ihm die Kanzlerin Geld für den Forschungsaufwand bewilligt. Der Antrag ist schon gestellt.
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