Überwachung auf Schritt und Tritt

Von Matthias Martin Becker · 15.04.2009
Ein Tag im Gefängnis ist teuer - wesentlich billiger kommt es dem Staat, Häftlinge zu Hause mit einer elektronischen Fussfessel zu überwachen. Wer sich oder die Fessel unerlaubt entfernt, löst in einer Zentrale Alarm aus. In Großbritannien werden bereits rund 60.000 Personen mit dieser Methode überwacht, nun führte Hessen als erstes Bundesland die Funkfessel in der Bewährungshilfe ein.
"Aah, die habe ich hier. Das ist ganz dünn, merkt man gar nicht. Kann man damit Sauna machen, schwimmen, alles. Nee, nee, ausziehen geht nicht. Sobald man sie auszieht, wird das problematisch hier. Dann geht der Alarm los oder irgendwas!"

Paul zeigt bereitwillig, was er da unter seinen Tennissocken um seinen Unterschenkel trägt. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine breite Armbanduhr aus Plastik. In dem Band ist eine Funkzelle, die ständig Kontakt zu einem Empfangsgerät hält. Entfernt sich Paul zu weit von der Empfangsstation, bricht die Verbindung ab, und in einer Überwachungszentrale wird Alarm ausgelöst. Und weil diese Funkfessel eng um das Gelenk geschlossen wird, kann er sie auch nicht entfernen, ohne eine Fehlermeldung auszulösen. Seit zwei Wochen - seit Paul aus dem Gefängnis entlassen wurde - muss er mit dieser "elektronischen Fußfessel" herumlaufen. Die Frankfurter Bewährungshelferin Rita Amthor:

"Also man muss wissen, dass - wenn der richterliche Beschluss da ist, dass jemand elektronisch überwacht werden soll - der Bewährungshelfer bereits im Vorfeld mit dem zu Überwachenden einen sehr ausführlichen Tagesplan besprochen hat. Dieser Tagesplan weist aus, zu welchen Zeiten der zu Überwachende anwesend oder abwesend zu sein hat, welche Zeiten ihm zur Verfügung stehen, in denen er machen kann, was er will. Dieser Tagesplan liegt auf dem Zentralrechner der Hessischen Datenzentrale in Hünfeld. Bewegt er sich in dem Rahmen, passiert überhaupt nichts. Bewegt er sich nicht in dem Rahmen, gibt es eine Fehlermeldung. Und diese Fehlermeldung wird per SMS vom Zentralrechner auf ein so genanntes Bereitschaftshandy übertragen. Ein Bewährungshelfer hat 24 Stunden am Tag Dienst, und der reagiert zeitnah auf diese eingehende Fehlermeldung."

Hessen führte als erstes Bundesland die elektronische Überwachung in der Bewährungshilfe ein. Mittlerweile sind dort etwa 75 Funkfesseln im Einsatz. 35 Euro pro Tag kostet das – nicht ganz billig, aber auf jeden Fall günstiger als ein Tag im Gefängnis! Nun will auch Baden-Württemberg die Maßnahme einführen, an dem Pilotprojekt dort sollen ebenfalls 75 Personen teilnehmen. Die "elektronische Fußfessel" beginnt nur langsam, sich in Deutschland zu verbreiten. Kein Vergleich jedenfalls mit Großbritannien, wo jährlich 60 000 Menschen mit dieser Methode überwacht werden.

"Es wird sehr häufig eingesetzt. Zu jedem Zeitpunkt sind ungefähr 18. 000 Fußfesseln im Einsatz. Die Gerichte haben viele Möglichkeiten, die Maßnahme anzuordnen: als Bewährungsauflage, als Ergänzung zu einer Geldstrafe oder zu Arbeitsstunden."

Dick Whitfield hat als Chef der Bewährungshilfe im Bezirk Kent die Einführung der Funküberwachung organisiert. Bis vor kurzem experimentierten die Briten auch mit Überwachungssystemen, die den Aufenthaltsort des Verurteilten durch Satellitennavigation – beispielsweise GPS – ermitteln sollten. Denn mit den Funkbändern, wie sie bis heute in Europa gebräuchlich sind, lässt sich nur feststellen, ob sich eine Person an einem bestimmten Ort befindet oder nicht – aber nicht, wo sie sich stattdessen aufhält. Die Versuche mit GPS waren nicht erfolgreich, erklärt Dick Whitfiled.

"Satellitennavigation verspricht theoretisch, die Bewegungen von Leuten in Echtzeit verfolgen zu können. Aber die Kosten sind so hoch, dass wir das erst gar nicht versucht haben. Außerdem gab es technische Probleme mit der Signalstärke, mit den Sendern und vor allem mit der Kartographie. Also wurde das Pilotprojekt still und leise für beendet erklärt, und niemand hat im Moment vor, es wieder aufzunehmen."

Die britischen Richter verordnen den "elektronisch überwachten Hausarrest" sehr häufig – auch, weil die Gefängnisse des Landes bis zum Bersten überfüllt sind. Doch der massenhafte Einsatz der Fußfessel ist umstritten. Sogar John Smith, Manager der Firma Serco, die im Auftrag des Justizministeriums die Überwachung technisch betreut, sagt, dass die Maßnahme nur in manchen Fällen sinnvoll ist.

"Der elektronisch überwachte Hausarrest funktioniert, sonst würde die Regierung ihn ja nicht einsetzen. Aber er hat auch Grenzen. Er war sehr erfolgreich, wurde dann aber immer weiter ausgeweitet, bis die Fußfessel schließlich zum Einsatz bei Leuten kam, bei denen das weniger wirkt: Leute, die häufig ihre Wohnung wechseln, mit chaotischem Lebensstil, Heranwachsende. Bei denen gibt es mehr Verstöße. Das ist eben kein Allheilmittel, sondern eine sinnvolle Maßnahme von vielen, um mit Straftätern umzugehen."

Das hessische Justizministerium betont, man wolle die Überwachung gezielt und nur in ganz bestimmten Fällen einsetzen. Und die Bewährungshelferin Rita Amthor ist überzeugt, dass die Überwachung erzieherisch wirkt.