Übersetzungen in der Musik

Text anpassen reicht nicht

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Illustration von Köpfen, in denen Symbole für Musik und Texte zu sehen sind.
Unterwegs in andere Sphären: Songs zu übersetzen bedeutet sehr viel mehr, als nur den Text in eine andere Sprache zu übertragen. © imago / Ikon Images / Stuart Kinlough
Olga Hochweis im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 30.09.2020
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Musik zu übersetzen, war früher gang und gäbe: Elvis und die Beatles sangen Ständchen auf Deutsch. So etwas ist eher selten geworden, aber es gibt sie noch, die übersetzten Songs. Am Welttag des Übersetzens stellen wir einige von ihnen vor.
Am 30. September wird alljährlich der Tag der Übersetzerinnen und Übersetzer gefeiert. Schließlich denkt man im Alltag selten an die Menschen, die Bücher, Filme oder auch Videospiele für uns konsumierbar machen.

Musikalische Liebeserklärung an Italien

Ein Beispiel ist das am Freitag erschienene Album der Crucchi Gang, für das Francesco Wilking deutschsprachige Songs ins Italienische übertragen hat, zum Beispiel "Bungalow" von der Wiener Band Bilderbuch.

Jede Übersetzung ist eine Interpretation

Die Qualität habe nicht unbedingt etwas damit zu tun, wie wortgetreu da jemand am Werk gewesen sei, sagt Hochweis, sondern vielmehr, wie organisch und in sich stimmig die neue Version klinge. Denn egal, wie nah man am Originaltext bleibe oder nicht: Eine Übersetzung bedeute immer erst mal Interpretation.
Das habe viel mit dem Klang der gewählten Sprache zu tun. Mit ihrem Rhythmus, ihrer Anmutung und auch mit den Konnotationen, die sie weckt – dabei müsse man nur einmal an das Image der französischen Sprache hierzulande denken. Dies alles würde schon ohne die Texte bestimme Assoziationen wecken. Genau damit würde Wilking hier auch spielen, nur eben auf Italienisch.

Dusty Springfield hofft und wartet

Besonders beliebt war es in den 1960er-Jahren in Westdeutschland, wenn US-Amerikaner und Briten für den deutschen Markt ihre Songs auch auf Deutsch gesungen haben. Da hieß es dann bei Dusty Springfield nicht mehr "Wishin' and Hopin'", sondern "Warten und Hoffen".
Dies sei so beliebt gewesen, dass das Label Bear Family Records in den 2000er Jahren unter dem Titel "1000 Nadelstiche" gleich eine ganze Serie von Alben herausgebracht habe – mit großen Namen von Cliff Richard bis zu den Beach Boys.

Übersetzungen mit Ironie und Sprachwitz

Auch erinnert Hochweis an den anhaltenden Erfolg der Band Erdmöbel, die sehr gelungen, mit Sprachwitz und Ironie, viele Pop-Songs von Kurt Cobain oder von Robbie Williams ins Deutsche gebracht hat.
Aber um international wirklich erfolgreich zu sein, müssten Songtexte dann doch meist ins Englische übersetzt werden – wie zum Beispiel "Girl from Ipanema", einem ursprünglich portugiesischen Song aus Brasilien.

Manchmal geht die Poesie verloren

Dieser sei, so Hochweis, ganz und gar nicht mit dem portugiesischen Original zu vergleichen: "Im Gegenteil – die Brasilianer betrachteten diese englische Textversion sogar als totale Verflachung, weil der Song zuvor einen poetischen, ja geradezu lebensphilosophischen Text hatte, von Vinicius de Moraes, einem der großen Dichter und Songtexter Brasiliens. Und daraus seien dann eben diese berühmten Worte 'Tall and tan and young and lovely The girl from Ipanema goes walking' geworden."
Wer übersetzte Songs hören wolle, die sowohl textlich als auch durch ihren Sound überzeugen, werde im Folk der 1950er und 60er Jahre fündig, so Hochweis. So gebe es von Pete Seeger-Songs großartige Übersetzungen in alle möglichen Sprachen. "Sag mir wo die Blumen sind" sei nur ein prominentes Beispiel von vielen dafür.

Ein sowjetischer Sänger wird neu entdeckt

Es gebe aber auch relativ aktuelle Beispiele, etwa auf dem jüngsten Album des US-Amerikaners Daniel Kahn. Kahn, der seit vielen Jahren in Berlin lebe, habe dem sowjetischen Liedpoeten Bulat Okudzhawa ein ganzes Album gewidmet und dessen Songs dafür ins Englische übertragen.
Damit stehe Kahn in einer langen Traditionslinie, sagt Olga Hochweis. Sehr viele Künstlerinnen und Künstler hätten Okudzhawas Lieder schon in ihrer eigenen Sprache interpretiert, darunter Wolf Biermann und Joan Baez.
(hte)
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