Übersetzer in der Erstaufnahmestelle

Wer kontrolliert eigentlich die Dolmetscher?

Der beeidete Dolmetscher Amir Hanah aus Schwerin
Der beeidete Dolmetscher Amir Hanah aus Schwerin: "Da kommt man in ein Dilemma." © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann · 14.01.2016
Arabisch, Farsi, Dari: Der Bedarf an Übersetzern in der Flüchtlingsarbeit ist groß. Vereidigte Sprachmittler gibt es nicht unendlich viele. Daher wird die Hilfe sprachkundiger Flüchtlinge und Asylbewerber gern genutzt. Silke Hasselmann wollte wissen, ob das Sicherheitsrisiken birgt.
Schwerin Stern Buchholz. Von den 1200 Betten in der hiesigen Landeserstaufnahmestelle sind derzeit knapp 700 belegt - vor allem mit Afghanen, Irakern, Serben und Syrern. Zuständig für deren Betreuung und damit auch für eine möglichst reibungslose Verständigung ist der Malteser Hilfsdienst. Der setzt nicht auf externe Profi-Dolmetscher, sondern auf Migranten mit guten Deutschkenntnissen, sagt die stellvertretende Leiterin, Cindy Hager.
"Das heißt, dass wir zum Beispiel fünf Mitarbeiter im Moment eingestellt haben, die Arabisch sprechen. Somit sind Sprachmittler gleichzeitig auch Betreuer."
Hier in Stern Buchholz arbeitet die deutschlandweit erste "Aufnahmestrecke" mit allen nötigen Stationen unter einem Dach, auf einem Flur. Gerade kommt ein älteres Ehepaar von der Registrierung, wo es angab, aus Syrien zu sein. Schon morgen wird es hier bei den Kollegen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag stellen. Immer auch dabei: ein Muttersprachler der Malteser.
- "Ich heiße Amir Hanah, stamme aus Ägypten und arbeite hier in Stern Buchholz seit dem 1.Juni 2015. Also die Asylbewerber, die kommen, lasse ich zur Polizei den Fingerabdruck abgeben. Dann werden die bei uns im Landesamt registriert. Danach werden die zum Arzt gebracht, und nach dem Arzt werden die zum Bundesamt gebracht für das Interview. Dort wird ganz genau gefragt, woher die kommen, warum haben sie das Land verlassen, wie die hierhergekommen sind und was sie alles erlebt haben."
- "Was tun Sie, wenn Sie Zweifel an der Geschichte haben, die da erzählt wird?"
- "Also wenn da mal was ist - ich bin so belehrt worden bei den Maltesern, dass ich die Wahrheit sage. Ich verdiene damit mein Geld und ich weiß, wenn ich mal was falsch mache, was dann auf mich zukommt. Und von daher muss ich dann auch die Wahrheit sagen."
"Ich habe Vertrauen in jeden einzelnen unserer Mitarbeiter"
Vor allem die arabischsprechenden Mitarbeiter sind stark belastet durch die Geschichten, Fragen und Erwartungen der Asylbewerber, sagt Vize-Leiterin Cindy Hager. Gibt es also einen Schutz- und Kontrollmechanismus, so etwas wie ein Vier-Ohren-Prinzip zumindest bei wichtigen Übersetzungen?
"Also wenn Sie so danach fragen: Eigentlich nicht. Ich habe Vertrauen in jeden einzelnen unserer Mitarbeiter, wenn es um den Informationsfluss geht. Man muss natürlich auch ein bisschen versuchen da mit sich selbst im Reinen zu bleiben."
Mohamed Aref kam vor zwei Jahren nach Schwerin. Der Afghane spricht Farsi und ein gutes Deutsch, das er vor 30 Jahren bei Lehrgängen der Nationalen Volksarmee gelernt hatte. Nun ist Aref als ehrenamtlicher Sprachmittler sehr gefragt - auch in der Erstaufnahme Stern Buchholz.
Seit Bundesinnenminister Thomas de Maizière Afghanistan zu einem quasi sicheren Herkunftsland erklärt hat, steigt der Druck auf seine Landsleute und auch auf ihn als Dolmetscher, besonders überzeugende Fluchtgeschichten und Verfolgungsgründe vorzutragen. Doch gefragt, ob die Sprachmittler nicht sehr viel Macht hätten, und zwar sowohl gegenüber den Behörden wie auch gegenüber den Asylbewerbern, meint Mohamed Aref:
"Wir verstehen beide Kulturen und deswegen spielen wir eine große Rolle. Aber Macht haben wir nicht. Unsere Aufgabe ist es, von einer Seite zur anderen alles richtig darzustellen und das machen wir gerne. Macht haben wir überhaupt nicht."
Sprachkundiges Scharnier zwischen Staat und Asylbewerber
Das sieht der in Rostock lebende Hikmat Al-Sabty etwas anders. 1980 aus dem Irak geflohen, wird der beeidigte Dolmetscher oft von der Polizei, von Gerichten und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge herangezogen. Auch er spürte schon die Macht, besser: die Verantwortung, die ein Dolmetscher als das einzige sprachkundige Scharnier zwischen Staat und Asylbewerber haben kann.
- "Weil der Mensch, wenn er sagt 'Gut, ich komme aus Gaza' - und er gibt sich als Syrer aus - da kommt man in ein Dilemma, tatsächlich. Aber ich bin ja beeidigt und ich stehe zu meinem Wort und ich muss eine Antwort geben. Ich kann nicht sagen: 'Na, das kann ich nicht machen.'"
- "Und Sie müssen wahrheitsgemäß antworten?"
- "Natürlich, natürlich.
Doch wer kontrolliert, ob das wirklich immer geschieht? Die Schweriner Ministerien für Justiz und für Inneres erklärten derweil auf Nachfrage, dass in Mecklenburg-Vorpommern bislang keine Probleme mit Loyalitätskonflikten, gar bewusst gemachten Falschübersetzungen bekannt geworden seien.
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