Über die natürlichen Feinde des Lehrers

25.07.2007
Das "Lexikon des schulischen Elends" wurde von einem Anonymus verfasst, der sich hinter dem Pseudonym Tom Blech verbirgt - wohl eine Andeutung, dass man seine lexikalischen Ausführungen nicht allzu tragisch nehmen sollte. Denn, um es zusammenzufassen, nicht ein einziger Artikel macht Hoffnung.
"Der Schüler, kein Mensch, sondern eine Rolle. Das merkt der Lehrmensch, wenn er einen Schüler privat trifft. Der Schüler erweist sich als ansprechbar, ja, er kann sogar selbst sprechen und ist überdies hilfsbreit. In der Schule ist das ganz anders. Da muss der Schüler böse sein, das spürt er, und das nimmt er an…"

Das Lexikon des schulischen Elends ist von einem Anonymus geschrieben, der sich hinter dem sprechenden Pseudonym Tom Blech verbirgt - wohl eine Andeutung, dass man seine lexikalischen Ausführungen nicht allzu tragisch nehmen sollte. Denn, um es zusammenzufassen, nicht ein einziger Artikel macht Hoffnung.

"Der Lehrer/die Lehrerin, Säugetier mit geringer Lebenserwartung. Leben des Lehrers / der Lehrerin gliedert sich in folgende Phasen: Kindheit und Jugend unauffällig, ggf. verstärkte Neigung, an Zeltlagern in Leitungsfunktionen teilzunehmen, Studium mit idealistischen Anteilen, dann Berufsausübung, die zunächst mit sozialem, dann psychischem, schließlich dem biologischen Tod einhergeht."

Vielleicht liegt das Dilemma darin, dass Lehrer immer und zu jeder Zeit geklagt haben, so dass jetzt, da die Schulverhältnisse wirklich zur Sorge Anlass geben, ein klagender Lehrer kaum noch Aufmerksamkeit findet.

"Der Chablis, diesen Wein gibt’s freitags nach der sechsten Stunde. Dem Schreiber dieser Zeilen ist vor Jahren ein Kollege aus der Rheinebene begegnet, der ohne falsche Scham schilderte, dass er sein erstes Viertel des Tages nach der Rückkehr von der schulischen Verrichtung immer bei noch offener Haustür im Stehen am Kühlschrank zu sich nehme, "dann geht’s". Siehe auch Artikel Alkoholismus."

Es ist ein rabenschwarzes Buch, ein Kompendium jahrelanger Erfahrung. Wir lernen, die natürlichen Feinde des Lehrers sind a) die Schüler und b) die Eltern und regelmäßig beide zusammen.

"Hochbegabt, nämlich das eigene Kind. … Wir haben (trotz allen Elends) Kevin, Marcel, Zoe und Yves hingekriegt, und alle sind sie hochbegabt und überspringen die Klassen flohgleich. Man fragt sich … wo die ganzen Genies eigentlich nach der Schulzeit hinkommen, sie verschwinden nämlich. Wahrscheinlich sind sie einfach so fürchterlich begabt, dass sie platzen."

Wie haben wir uns den Autor vorzustellen? Vermutlich ist er Deutschlehrer, darauf deuten erlesene Begriffe hin wie

"des eigenen Lebens entachtend"."

Das bezieht sich auf schulische Streitschlichter, oder:

""die Öhrlein von allerhand Maschinenterror frühen Hinschied nehmen"."

Das bezieht sich auf Techniklehrer, die von solchen Ziselierungen selbst wohl überfordert wären. Man traut sich nicht daran zu denken, auch nur zu 25 oder 30 Prozent seien die Lexikonartikel der Wirklichkeit angemessen. Aber jeder, der eine Lehrerin oder einen Lehrer kennt, weiß: Das Leben ist noch viel schlimmer.

""Die Waffen, Schüler haben sie, Lehrer wollen welche. Siehe auch die Artikel > Angst > Wut > Hass."

Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. Es sei denn die Tatsache, dass der Autor in der Lehrerausbildung tätig ist und somit aktiv für die Fortsetzung des Systems sorgt. Gewissensbisse scheint er nicht zu haben, dass er junge Menschen mit all ihren Idealen in die blutige Arena schickt - nun ja, sie werden meist Beamte, und das ist ja auch was Schönes.

"Der Bausparvertrag, zum strategischen Vermögensaufbau genutzte Geldanlage. Zwar werden die pädagogischen Fachzeitschriften (mehrheitlich zu Recht) von Mäusen gefressen oder verfallen einfach so zu Staub, der Wirtschaftsteil der großen deutschen Blätter wird indes intensivst studiert."

Das Lexikon des schulischen Elends ist ein Buch, das zum Freizeithit in Lehrerkreisen werden könnte. Man sieht sie schon, wie sie in den Sommerferien, bleich vom Schuldienst, mit autodestruktiv zerkauten Fingernägeln, mit vom Chablis zerplatzten Äderchen auf der Nase am Strand liegen und sich die Bosheiten von Tom Blech auf der Zunge zergehen lassen.

"Das Ritalin, hartes Narkotikum, wohl ursprünglich angemischt, um Unholden den Trieb einzuebnen und galoppierender Nymphomanie einen Riegel vorzuschieben. Heute jedoch tonnenweise zappeligem Kindsvolk verabreicht. Hirnschäden durch Ritalin sind bekannt und ergo wohl auch erwünscht."

Rezensiert von Paul Stänner

Tom Blech:
Lexikon des schulischen Elends,

rororo Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek 2007, 154 Seiten, 7,90 Euro.