U wie Untergang

    Von Gerald Felber · 13.05.2013
    Richard Wagner war selten mit dem einfachen Bühnentod zufrieden; sein Begriff für das böse Ende war der "Untergang".
    Wagners "Fliegender Holländer": geradezu süchtig jagt er dem Tod nach, und weil das bei ihm mit den üblichen Technologien irgendwie nicht gelingen will, hofft er auf den Weltuntergang und deklamiert am Ende des gerade gehörten Monologs:

    Wann dröhnt er, der Vernichtungsschlag / mit dem die Welt zusammenkracht?
    Wann alle Toten auferstehn / dann werde ich in Nichts vergehn …
    Ihr Welten, endet euren Lauf! Ew’ge Vernichtung, nimm mich auf!


    Man beachte den delikaten Reim von "Schlag" auf "kracht" – aber wir müssen unserem Meister ja noch einige ganz andere Dinge nachsehen. Jedenfalls hat es, wie eben zu hören, schon der jüngere Komponist nicht ohne erträumten Weltuntergang gemacht, und das - "Erlösung durch Untergang" nennt es Martin Geck in seinem Wagner-Buch – bleibt fortan ein Leitmotiv seines Lebens und Schaffens. Dann sterben nicht einfach Mann oder Frau dahin, sondern das Ganze hat in der Regel eine höhere philosophische und damit mehr oder minder weltumspannende Bedeutung – vollends nach der Begegnung Wagners mit den Schriften Arthur Schopenhauers. Vorbildhaft wird das am desillusionierten und von Daseinsekel ergriffenen Obergott Wotan in seiner sechzehnstündigen "Nibelungen"-Tetralogie vorgeführt – und der Trauermarsch für seinen Wunschenkel Siegfried verheißt dann mit seiner Mischung aus Zerschmetterung und Triumph, das aus der ersehnten Apokalypse sogar etwas werden könnte.

    So weit, so katastrophal: Der jugendliche Hauptheld ist schon mal vom Platze gespießt, und nun können eigentlich, wie es der Titel "Götterdämmerung" ja erwarten lässt, vielleicht auch noch Himmel und Erde mitsamt ihren jeweiligen Bewohnern untergehen. Ganz so klar aber ist die Sache dann doch nicht; gerade mit dem Ende seines größten Werkes hat sich Wagner ausgesprochen schwer getan und im Laufe etlicher Jahrzehnte vier komplett unterschiedliche Schlüsse konzipiert: erst eine Apotheose Siegfrieds samt Götter-Rettung, dann wenigstens eine Liebes-Verklärung, der wiederum ein nachtschwarzes Schopenhauerisches Nirwana folgte, bis es schließlich zum definitiven Schluss kam, in dem zwar die Götter samt ihrer Trutzburg Wallhall weiterhin eingeäschert werden, aber immerhin einige Menschen übrigbleiben – und dazu ein sehr erwärmendes, ins Licht drängendes musikalisches Thema, das von den Wagner-Deutern später als "Erlösungs"-Motiv verbucht worden ist. Vielleicht nur ein Etikett – doch es geht ja nicht um die Begriffe, sondern die Klänge am Ende der gewaltigen Welt-Tragödie, und die hören wir jetzt.