TV-Sender Al Jazeera Balkans

Mit und ohne Kopftuch im Newsroom

Journalisten der Al Jazeera Balkans-Redaktion arbeiten an Computern. Im Hintergrund hängt ein großer Fernseher. Eine Journalistin trägt ein Kopftuch.
Der Newsroom der Al-Jazeera-Balkans-Redaktion in Sarajevo © Sabine Adler
Von Sabine Adler  · 18.12.2018
Die Redaktion von Al Jazeera Balkans setzt seit 2011 auf Toleranz und wehrt sich gegen politische Vereinnahmung. Und das in einer Region, in der erbitterte ethnische Kriege geführt wurden und die Medien ansonsten als gesteuert gelten.
Der Sender Al Jazeera aus dem Golfstaat Katar berichtet seit 2011 auch aus dem Westbalkan. Vorbehalte gegen Al Jazeera Balkans hört Fernsehdirektor Tarik Dodic schon so lange wie er den Sender führt, acht Jahre. Der freundliche Manager reagiert gelassen. Auch wenn er schon ahnt, was jetzt kommt: "Müssen Ihre Journalisten muslimisch sein?" "Auf keinen Fall", antwortet er, "Serbien ist die größte Nation in der Region." Die ist mehrheitlich christlich-orthodox.

"Wir haben ein großes Büro und sehr viele Redakteure in Belgrad. Ich bin stolz auf die Mischung unserer Mitarbeiter, die unterschiedlichen Religionen angehören und aus verschiedenen Balkan-Ländern kommen", so Dodic. Im Programm sind deshalb alle Sprachen der Region zu hören, die in den Schulen immerhin noch getrennt unterrichtet werden. Die unterscheiden sich in Wahrheit aber fast nicht, meint Tarik Dodic in Sarajewo, wo Al Jazeera Balkans sein Hauptquartier hat.

Al Jazeera Balkans ist kein muslimischer Sender

"Alle sprechen sehr ähnliche Sprachen: Bosnisch, Serbisch, Kroatisch oder Montenegrinisch. Das ist nach meinem Verständnis eine Sprache, die vier Namen hat, aber wir können einander zu 100 Prozent verstehen. Das zu übersetzen, wäre geradezu krank", findet Dodic. Al Jazeera-Büros gibt es noch in Zagreb, Skopje, Podgorica, in Pristina, Banja Luka, Mostar sowie in Washington. Harun Cero schreibt für Al Jazeera online.
"Für die Kollegen in London und in Doha kann ich nicht sprechen, obwohl ich weiß, dass sehr viele Journalisten von BBC, CNN, Guardian und anderen großen Medienhäusern zu Al Jazeera gewechselt sind, aber ich kann für meine Firma, Al Jazeera Balkans sprechen, natürlich arbeiten da viele Muslime, aber ich würde uns nicht als einen muslimischen Sender ansehen."
Im Newsroom sitzen rund 20 Journalisten, keine der Kolleginnen trägt ein Kopftuch, bis auf eine. "Es ist nicht verboten", sagt Direktor Dodic mit Blick auf die Kopftuchträgerin. Auch Reporterinnen mit Tuch gebe es, nur Moderatorinnen im Studio dürften keins tragen.

Versöhnung als politische Agenda

Heikel wird es bei politischen Fragen, in denen sich die Länder des Westbalkans nicht einig sind. Von einer Republik Kosovo wird zum Beispiel nicht gesprochen, sondern nur vom Kosovo. Dodic erklärt: "Wir haben eine harte Vergangenheit hinter uns, mit Kriegen, Konflikten in den neu geschaffenen Ländern. Deshalb wollen wir zur Versöhnung beitragen. Wenn man das als politische Agenda bezeichnen will, sage ich ja, denn darum geht es."
Al Jazeera Balkans wird oft auch als Jugo-TV bezeichnet, eine Anspielung auf die multiethnischen Programme, als die Länder noch zu Jugoslawien gehörten. Marion Kraske von der Heinrich Böll Stiftung in Bosnien-Herzegowina stellt dem Sender ein gutes Zeugnis aus: "In Bosnien ist es ganz klar, dass hier die Medien die verlängerten Arme einzelner politischer Akteure sind. Wir haben keine freie Medienlandschaft, das sind alles Portale, die bestimmten Gruppen gehören oder zuzuordnen sind. Al Jazeera halte ich für einen guten Sender, der ganz gute Nachrichtenformate bringt. Es gibt gute Dokumentationen. Während andere Sender hier wirklich ganz klar ethno-national auftreten."

Westlicher Journalismus als Orientierung

Als Vorbild dient die BBC, nur produziere Al Jazeera Balkans weitaus effizienter, sagt der Direktor. "Wir sind kein Werkzeug. Anfangs gab es auch in Bosnien die Erwartung, dass es sich um ein muslimisches, islamisches Programm handeln könnte, hinter dem eine Partei steht. Das wurde ich 2011 ständig gefragt. Aber das ist nicht der Fall."
Dodic sagt, man wolle die Menschen informieren, was in diesem Land sonst nicht üblich sei. "Denn überall hier üben Lokalpolitiker einen enormen Druck auf die TV-Stationen aus. Hinter allem steht eine Partei, jeder bedient ein Feindbild. Wir dagegen orientieren uns an der besten Form des westlichen Journalismus, die Menschen zu informieren und zu bilden."
Unter politischem Druck steht der Sender dennoch von Zeit zu Zeit, so Dodic. "Aber nicht oft. Wir wiederholen ständig, dass es uns um Information, um Nachrichten und nicht um die Unterstützung einer bestimmten politischen Idee geht."
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