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Kurden
Partner des Westens, Gegner des Westens

Während der Westen einem Teil der Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz IS zur Seite steht, gilt die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, weiter als Terrorgruppe. Das Verhältnis der Kurden untereinander ist auch angespannt. Es herrscht ein tief sitzendes Misstrauen zwischen der PKK und der autonomen Kurdenregion im Nordirak.

Von Clemens Verenkotte | 29.07.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Masud Barzani, dem Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Nordirak.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Masud Barzani, dem Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Nordirak. (AFP / Tobias Hase)
    Erbil, vor acht Tagen, im Amtssitz des Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Nordirak: Gegenüber der Nachrichtenagentur AP gibt Masud Barzani Auskunft über sein Verhältnis zur PKK und zum türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan:
    "Wenn die Türkei eine friedliche Lösung vorschlägt und die PKK das ablehnt, dann sind wir bereit, alles gegen die PKK zu unternehmen. Und falls die Türkei die PKK als einen Vorwand benutzt, um uns zu bekämpfen, sind wir bereit, uns zu verteidigen."
    Das Verhältnis der autonomen Kurdenregion im Nordirak zur PKK war und ist angespannt. Die Gründe für Barzanis tief sitzende Antipathie gehen weit zurück in die jüngere Geschichte: Als 1991 die Vereinten Nationen nach dem Golfkrieg Wirtschaftssanktionen gegen den Irak unter Saddam Hussein verhängten, mussten die Kurden im Norden des Landes erleben, dass es mit der ethnischen Solidarität nicht sehr weit her war: Die PKK sorgte dafür, dass die einzigen Verbindungsrouten von der Türkei in den Norden des Irak für die dortigen Kurden versperrt blieben. Vergessen hat dies in der autonomen Kurdenregion niemand.
    Tief sitzendes Misstrauen
    Nach der US-angeführten Invasion und dem Sturz Saddam Husseins 2003 ein ähnliches Bild: PKK-Milizionäre, die das Kandil-Gebirge im äußersten Norden der irakischen Kurdenregion besetzt und es als Rückzugsgebiet bei Angriffen auf die Türkei genutzt hatten, stießen damit auf die strikte Ablehnung Barzanis. Genau dieses Gebiet, das von der türkischen Luftwaffe vor wenigen Tagen bombardiert wurde - wie das seriöse Onlineportal "Al Monitor" am Montag berichtete, hätten 75 türkische F16-Jets in drei Angriffswellen insgesamt 185 Einsätze gegen 400 mutmaßlichen PKK-Ziele geflogen. Zwischen der PKK und Masud Barzani, dem Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, herrscht ein beständiges Klima des gegenseitigen tief sitzenden Misstrauens. Barzani am 21. Juli gegenüber AP:
    "Vor einigen Tagen hat Erdogan die PKK aufgefordert, ihre Waffe niederzulegen und zurück ins Parlament zu kommen, um ihre Probleme zu lösen. Ich denke, das ist eine kluge Idee."
    Es waren die alarmierenden Telefonanrufe aus dem Büro Masud Barzanis, die US-Präsident Barack Obama in der Nacht vom 7. Auf den 8. August letzten Jahres zum drastischen Kurswechsel bewegten: Die IS-Terrormiliz stünden nach der Eroberung Mosuls nur noch 25 bis 30 Kilometer vor der Toren Erbils, ohne amerikanische Luftangriffe sei die Situation nicht mehr zu beherrschen, wie Barzanis Einlassungen später wiedergegeben wurden.
    US-Lob für Bodentruppen
    Obama gab noch in derselben Nacht grünes Licht - der Rest ist inzwischen Geschichte: Die kurdischen Perschmerga-Verbände erhielten vom Westen einschließlich Deutschlands militärisches Gerät, Waffen, Ausbildung - sie führen seitdem im Norden und Nordwesten des Irak, als einzig schlagkräftiger Kampfverband, den Bodenkrieg gegen die IS-Terrormiliz, massiv unterstützt von den alliierten Luftschlägen.
    Im Norden Syriens waren es ebenfalls vom IS bedrohte Kurden, die Amerika zum Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg veranlassten: Die Belagerung der Grenzstadt Kobanes Mitte September letzten Jahres durch die Terrormiliz IS, die mithilfe amerikanischer Luftschläge und herangeeilter Peschmerga aus irakisch Kurdistan durchbrochen werden konnte. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten - offiziell 2012 zum Schutz der kurdischen Bevölkerung im syrischen Grenzgebiet zur Türkei ins Leben gerufen, - sind bis heute die einzige militärische Kraft in dieser Region Syriens, die den IS zurückgedrängt hat. US-Verteidigungsminister Ash Carter nannte sie vor zwei Wochen "extrem effizient auf dem Boden". Die Nähe der kurdisch-syrischen Anti-IS-Kämpfer zur PKK störte den Pentagon-Chef dabei nicht.