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Neues 'Maccabees'-Album
Wohl dosierte Gesellschaftskritik

Die Maccabees, eine Band aus London, die sich nach den Anführern einer jüdischen Rebellenarmee um 160 vor Christi benannt hat, sorgen mit ihrem Namen immer wieder für Verwirrung. Auch ihr neues Album hört sich anders an, als es auf den ersten Blick aussieht.

Von Marcel Anders | 07.08.2015
    "Es ist öfter passiert, dass wir für Veranstaltungen gebucht wurden, bei denen ganz offensichtlichen die anderen Maccabees gefragt waren. Wir haben diese Band dann irgendwann angerufen, um das zu klären. Und sie haben sehr christlich reagiert. Nach dem Motto: 'Kein Thema – macht einfach unter dem Namen weiter.' Zum Glück ist das schon ein bisschen her – und das Problem scheint sich mittlerweile erledigt zu haben."
    Während sie bei uns noch als Geheimtipp gelten, sind die Maccabees auf der Insel längst eine Institution – mit erfolgreichen Alben, ausverkauften Konzerten und berühmten Freunden wie Mumford & Sons oder Florence And The Machine. Trotzdem ist ihre Karriere zuletzt ins Straucheln geraten. Denn der jüngste Studiobesuch – so gibt Orlando offen zu - erwies sich als echter Härtetest.
    "Es war eine zähe Sache. Denn wir sind fünf Leute mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen davon, was wir erreichen wollen. Und die Art, wie wir das handhaben, ist, alle Ansätze durchzuprobieren und sie dann Schritt für Schritt zu eliminieren – bis wir etwas finden, mit dem wir zufrieden sind. Dafür hatten wir diesmal ein Jahr angesetzt. Aber was wir in der Zeit erreicht haben, war nicht gut genug. Deshalb hat es wirklich lange gedauert."
    Herrliches Chaos
    Laut Orlando stand die Band kurz vor dem Aus. Zu konträr waren die Ansätze, zu heftig die Diskussionen um Stil und Umsetzung. Weshalb die elf Songs auch völlig unterschiedlich klingen. Mal sind sie bombastisch, dann verhalten, im nächsten Moment avantgardistisch. Und die erste Single, zugleich Opener und Titelstück, ist eine Rockhymne. Ein herrliches Chaos, das eigentlich nicht zusammenpasst – wären da nicht die Texte, die sich allesamt um Elephant & Castle drehen. Ein Stadtteil von London, der für sozialen Wohnungsbau, hohen Ausländeranteil, Überlebenskünstler und tägliches Verkehrschaos steht.
    "Wer sich nicht auskennt, für den klingt Elephant And Caste sehr glamourös und exotisch. Aber wer sich Fotos im Internet anschaut, merkt sofort, dass es das nicht ist. Es ist es ein vergessener Ort, mitten im Zentrum von London. Den Trafalgar Square erreicht man von dort in nur 20 Minuten. Genau wie das Parlament. Trotzdem gilt die Gegend als unterentwickelt und als Problemfall. Aber wenn man sich dort umschaut, liefert sie viele spannende Geschichten."
    Die Themen, die Orlando aus dieser Umgebung ableitet, sind amüsante Beobachtungen und Kurzgeschichten. Da geht es um Brettspieler in marokkanischen Cafés, die futuristische Form eines maroden Einkaufszentrums, geheime unterirdische Flüsse und Sonnenbaden im lokalen Park. Der willkommene Anlass, um durchtrainierte und gut gebräunte Körper wie Statussymbole zu präsentieren.
    "Vor 25 oder 30 Jahren sind die Leute in den Urlaub gefahren und mit diesen fürchterlichen Bräunungsstreifen zurückgekehrt. Einfach, um anzudeuten, wie vermögend sie sind, dass sie sich einen Urlaub leisten können. Heute machen sie das mit Selfies, die nichts anderes als eine fortgeschrittene Version der Bräunungsstreifen sind."
    Ein kleines bisschen Kulturpessimismus und wohldosierte Gesellschaftskritik. Eben very british.