Türkei

Schriftsteller fürchten Übergriffe - und schweigen

Anhänger von Präsident Erdogan demonstrieren in Istanbul.
In der aufgeheizten Stimmung fürchten türkische Intellektuelle nun eine Lynchstimmung © AFP / Aris Messinis
Recai Hallac im Gespräch mit Andrea Gerk  · 19.07.2016
Nach der Niederschlagung des Militärputsches in der Türkei sind die türkischen Schriftsteller verstummt. Sie haben Angst vor Verhaftungen und Übergriffen. Der Übersetzer Recai Hallac spricht von einer "Lynchstimmung gegen die Intellektuellen".
"Die einen sind wütend und fassungslos und sagen, sie haben im Moment nicht die nötige Distanz", sagte der Übersetzer Racai Hallac im Deutschlandradio Kultur. Andere Autoren hätten einfach Angst. Hallac hatte dabei geholfen, Schriftsteller für Interviews anzufragen, die sich aber nach der Niederschlagung des Militärputsches in der Türkei mit Kommentaren sehr zurückhalten. Selbst der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk meldete sich dieser Tage nur mit einem kurzen Kommentar zu Wort und sagte weitere Anfragen ab.

Der Vorwurf des angeblichen Landesverrats

"Der Begriff Hexenjagd ist schon gefallen", sagte Hallac über ein Telefonat mit einer türkischen Schriftstellerin. "Sie sagte, sie haben sich alle in ihren Wohnungen eingeschlossen, redeten mit niemanden und diese Schriftstellerin hat auch gemeint, sie lehne jede Anfrage ab." Die Autorinnen und Autoren seien derzeit stumm und warteten gebannt ab, was komme. Hallac meinte, viele hätten Angst, verhaftet zu werden.
Präsident Recep Tayyip Erdogan habe zudem schon seit Jahren den Boden dafür bereitet, indem er immer abfällig über Künstler und Schriftsteller gesprochen habe. Erdogan habe den Begriff des "national denkenden Künstlers" geprägt und alle anderen als "Landesverräter" beschuldigt, die mit ausländischen Kräften paktierten. "Die negative Stimmung, fast schon Lynchstimmung gegen die Intellektuellen, ist schon da."

Angst vor dem Mob auf den Straßen

Eine zweite Gefahr drohe durch den Mob auf den Straßen, der von Erdogan stillschweigend unterstützt werde, sagte Hallac. "Weder er noch eine seiner Marionetten, sprich Minister oder Ministerpräsident, hat bis jetzt ein einziges Wort verloren gegen die Lynchmorde auf den Straßen und diese Menschen, die sowieso nie ein Buch gelesen haben, die in den Schriftstellern nur Gottlose und Atheisten sehen, sind bereit, mit Schlagstöcken alles zu tun, was das Gesetz nicht kann."
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