Tübinger Wirt klagt gegen Rauchverbot

Moderation: Leonie March · 10.06.2008
Für den Tübinger Wirt Ulrich Neu geht es um seine Existenz. Der Inhaber der Einraumkneipe "Pfauen" in Tübingen ist einer der Kläger gegen das Rauchverbot vor dem Bundesverfassungsgericht und hofft auf eine Ausnahmeregelung für kleine Kneipen. Seine Verfassungsbeschwerde wird am Mittwoch in Karlsruhe verhandelt.
Leonie March: Der blaue Dunst, er trennt die Nation. Einige feiern das Rauchverbot in Kneipen, Restaurants und Clubs als Sieg für den Nichtraucherschutz, andere sehen ihre Grundrechte verletzt. Zum Beispiel die Wirte von Kneipen, die nur aus einem Raum bestehen, denn dort herrscht in vielen Bundesländern absolutes Rauchverbot. Eine Regelung, gegen die mittlerweile rund 30 Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingegangen sind, über drei von ihnen verhandeln die Richter morgen. Auch über die von Ulrich Neu, seit über 20 Jahren Inhaber des "Pfauen" in der Tübinger Altstadt. In Baden-Württemberg gilt das Rauchverbot seit dem 1. August. Herr Neu, wie hat sich Ihr Lokal seitdem verändert?

Ulrich Neu: Es hat sich dahingehend verändert, dass schlicht und einfach ab dem August an sofort 30 Prozent Umsatzeinbußen waren, und das sich eigentlich im Prinzip jetzt durchgezogen hat bis jetzt im Juni.

March: Wie kamen diese Umsatzeinbußen zustande? Sind die Ihnen die Stammgäste weggeblieben?

Neu: Ein Teil der Stammgäste ist geblieben insofern, aber sie verzehren weniger, weil es ist bei mir ein überwiegender Teil von Rauchern. Und die bleiben jetzt einfach nicht mehr so lange hier, verzehren weniger, und manche andere Stammgäste gehen jetzt einfach in die Zweiraumkneipen oder gehen gar nicht mehr fort.

March: Das heißt, das Rauchen gehörte auch zur Atmosphäre dazu?

Neu: Rauchen gehörte zur Atmosphäre und viele sind auch gekommen, um gemeinsam zusammenzusitzen und zu reden. Diese Gemütlichkeit geht jetzt auch, weil immer einer aufsteht und rausgeht zum Rauchen oder eine ganze Gruppe rausgeht zum Rauchen, haben draußen dann andere Themen. Die drin sind schon wieder mit ihrem Thema weiter. Im Sommer leidet auch unheimlich die Atmosphäre drunter.

March: Waren Sie denn da schon manchmal versucht, ein Auge zuzudrücken, einem Raucher gewähren zu lassen, oder halten Sie sich an das Rauchverbot?

Neu: Nee, ich halt mich dran. Ich meine, das muss man ganz klar sagen, das ist ein Gesetz. Und ich kann jetzt auch nicht einfach sagen, Diebstahl ist ja auch ein Gesetz, dass man das nicht darf, ich kann jetzt auch nicht sagen, ja, mein Gott, dann klaut einfach irgendwo.

March: Hier in Berlin sieht das zum Teil anders aus. Da gibt es durchaus Kneipen, wo noch fröhlich weitergeraucht wird.

Neu: Ich kann es bei manchen kleinen Kneipen, kann ich es wirklich verstehen, weil das ist wirklich Oberlippe Unterkiefer. Und da muss man das irgendwie, die klassische kleine Eckkneipe, wo vielleicht zehn Gäste drin sind, wenn diese zehn Gäste oder nur fünf oder drei wegbleiben, dann hängt da auch sehr viel dran.

March: Und Ihre Kneipe ist eine solche klassische kleine Einraumeckkneipe?

Neu: Meine Kneipe ist eine Einraum-Kneipe. Ich habe ungefähr 50 Sitzplätze und im Sommer noch ein paar Freitische draußen mit noch mal 20, 30 Sitzplätzen im Außenbereich. Aber es ist einfach eine klassische Einraumkneipe. Ich lebe überwiegend von den Getränken. Mein Küchenanteil, das sind eher bierflankierende Maßnahmen, und es liegt nicht mal bei fünf Prozent. Ich habe 95 Prozent Getränke-Umsatz. Insofern würde ich mich schon zur klassischen Kneipe zählen.

March: War es denn für Sie denn nur konsequent, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, oder hat Sie das schon noch Überwindung gekostet?

Neu: Nee, das war eigentlich schon die Konsequenz daraus. Durch das, was ich mit Hotel- und Gaststättenverband zusammen machen kann, war das überhaupt kein Thema.

March: Was stand da genau drin in Ihrer Beschwerde?

Neu: Ich berufe mich einfach auf Artikel 12 und Artikel 14, freie Ausübung des Berufes und Artikel 14 ist Eigentum.

March: Was erhoffen Sie sich denn jetzt von dem Urteil, eine Ausnahmeregelung für Einraumkneipen wie Ihre?

Neu: Ja. Ich erhoffe mir von diesem Urteil, oder von dieser Verhandlung erhoffe ich mir, dass im Großen und Ganzen das Nichtraucherschutzgesetz festgemacht wird, aber Ausnahmeregelungen für die Einraumkneipe. Für die Einraumkneipen wünsche ich mir eigentlich eine Regelung, dass der Wirt es selber bestimmen kann, ob er jetzt rauchen lässt oder nicht rauchen lässt.

March: Und ab diesem Punkt würde dann bei Ihnen wieder geraucht werden?

Neu: Ja.

March: Glauben Sie, dass dann auch Ihre Stammgäste wieder zurückkehren, die da in die Zweiraumkneipen weitergezogen sind?
Neu: Ich kann es nicht voraussagen, aber ich hoffe es. Und ich bin überzeugt, dass auf jeden Fall die typische Gemütlichkeit von der Kneipe wieder zurückkommt und dementsprechend auch die Gäste dann wieder.

March: Sollten die Richter nun nicht in Ihrem Sinn entscheiden, müssen Sie dann über kurz oder lang Ihre Kneipe schließen?

Neu: Ja.

March: Die Umsatzeinbußen sind wirklich so gravierend?

Neu: Die Umsatzeinbußen liegen bei 30 Prozent und immer noch. Und das kann ich einfach nicht mehr mit über irgendwelche Sparmaßnahmen oder so was reinholen.

March: Für Sie geht es ganz klar hier um die Existenz?

Neu: Ja.

March: Vielen Dank. Das war Ulrich Neu, er ist der Wirt des "Pfauen" in Tübingen und hat Verfassungsbeschwerde gegen das Rauchverbot eingelegt.