Tschüss Populismus, hallo Demokratie?

"Wir leben in einer total offenen Situation"

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Eine Illustration zeigt vor rotem Hintergrund einen Politiker, der eine mit Bomben als Köpfen stilisierte Menge mit aufrührerischer Sprache anheizt.
Sebastian Puschner erwartet keine "plötzliche Blütezeit der Demokratie", die Populisten werden bleiben. Dennoch liege in Donald Trumps Abgang auch eine Chance. © imago images / Ikon Images / Eva Bee
Sebastian Puschner im Gespräch mit Anke Schaefer · 08.01.2021
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Bald ist die Präsidentschaft von Donald Trump zu Ende, wichtige Politiker der Republikaner rücken von ihm ab. Bekommt der Populismus endlich einen Dämpfer? Eine Analyse vom stellvertretenden Chefredakteur des "Freitag", Sebastian Puschner.
Der Mythos Donald Trump hat mit den Ausschreitungen am Kapitol in Washington Glanz verloren. Der Fraktionschef der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, erklärte: "Wir dürfen uns nicht in zwei Lager aufspalten, die in zwei Realitäten leben." Mehrere Politiker der Republikanischen Partei werfen dem noch amtierenden US-Präsidenten vor, die radikalen Proteste angestiftet zu haben und traten zurück - darunter die Verkehrsministerin und Ehefrau von McConnell, Elaine Chao.
Wird nun alles gut? Von einer plötzlichen Blütezeit der Demokratie sei nicht auszugehen, sagt Sebastian Puschner, Journalist bei "Der Freitag". "Was ich aber spannend finde, ist, dass wir in einer total offenen Situation leben – nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande." So habe es beispielsweise in Georgia Wahlerfolge für die Demokraten gegeben, die sehr bemerkenswert waren, erklärt Puschner. "Das ist ein bisschen so, als würde die Linke in Bayern ein Bundestagsdirektmandat holen."
Auch in Deutschland habe man einerseits einen klaren Rechtsterrorismus und andererseits eine sozial-ökologische Wende und Transformation. "Das zeigt sich zwar nicht unbedingt in parlamentarischen Mehrheiten – Schwarz-Grün ist dahingehend wohl das Höchste der Gefühle – aber das Vakuum, in das jemand wie Trump oder die AfD stoßen, ist nicht gesetzt", so Puschner weiter.

Coronabedingte Ausnahmepolitik bietet Chancen

An der Schlussfolgerung, dass mit dem Abgang Trumps auch andere rechtsgerichtete Parteien in Europa im Sinkflug seien, zweifelt der Wirtschafts- und Politikredakteur allerdings. Zwar lägen die Umfragewerte der AfD in Deutschland derzeit bei acht bis elf Prozent, "aber das reicht nicht, um tatsächlich eine Wende einzuleiten".
Porträt von Sebastian Puschner
Sebastian Puschner ist seit März 2020 stellvertretender Chefredakteur bei "Der Freitag" und zuständig für Politik und Wirtschaft.© Heike Blenk Heike Blenk
"Ich glaube, dass in der pandemiebedingten Ausnahme-Fiskalpolitik eine Chance liegt", sagt Puschner. Jahrelang habe man gelernt, der Staat dürfe kein Geld ausgeben und nun sei man froh, dass man die Pandemie überbrücken könne. "Wir lernen: Mein Staat kann Kredite aufnehmen und er kann investieren und das sollte er tun", so der stellvertretende "Freitag"-Chefredakteur. Das betreffe nicht nur den Bereich Gesundheit, sondern auch den Klimawandel und die Verkehrswende sowie die Bildung. "Darin liegt die Chance."
Ein konkretes Beispiel seien die Gesundheitsämter, die mit Impfungen und Kontaktverfolgung derzeit "hemmungslos überfordert" seien, sagt Puschner. "Das hängt damit zusammen, dass wir aus einem Zeitalter der staatlichen Austerität kommen, in der man gespart hat und nicht in solche grundlegenden wichtigen Dienste investiert hat." Daran könne sich aber etwas ändern.
(lsc)
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