Tschechisches Kino

Mehr als Märchen und bittersüße Komödien

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Klassiker der tschechischen Kinos: "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" © picture-alliance/ dpa
Von Jörg Taszman · 01.08.2015
Kaum internationale Erfolge, bei Festivalmachern mit Vorurteilen belegt: Das tschechische Kino hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Dabei hat es weit mehr zu bieten als Märchen und Komödien. Was läuft da falsch?
Das Verblüffende an Klischees ist ja, dass sie bis zu einem gewissen Punkt oft tatsächlich stimmen. Und mit tschechischem Kino verbindet man gerne Märchenfilme wie "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel", der Tschechen, Slowaken und Deutsche in Ost und West seit über 40 Jahren immer noch zu Weihnachten begeistert. In Tschechien werden auch heute noch Märchenfilme gedreht, aber man sieht sie bei uns kaum noch. Die in Berlin lebende Produzentin Jana Cisar wurde in Marienbad geboren und wuchs in Deutschland auf. Auch sie vermisst die Märchenfilme.
Cisar: "Ja es sind weniger geworden. Es werden eigentlich die alten immer wieder ausgestrahlt, wobei der Sverak ja jetzt auch ein bisschen in die Märchen geht und die auch interessant sind. Die ich auch gerne geguckt habe."
International renommierter Regisseur dreht fast nur noch für den heimischen Markt
Der erwähnte Jan Sverak ist das Wunderkind des tschechischen Kinos. Für "Kolya" gewann er 1997 den Oscar und mit "Leergut" feierte er den letzten großen Kinoerfolg eines tschechischen Films in den deutschen Kinos. Seitdem hat er sich mehr auf einheimische Kinder- und Märchenfilme spezialisiert. Zuerst drehte er den Puppenfilm "Cookie" und dann im Vorjahr das Märchenmusical "Drei Brüder".
Oscar-Verleihung 1997
Für "Kolya", die Geschichte über einen russischen Jungen, der die Zuneigung seines tschechischen Pflegevaters gewinnt, gab es 1997 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. © picture alliance / dpa / Foto: EPA AFP Kulish
Es ist nicht so leicht zu erklären, warum ein auch international so renommierter Regisseur wie Jan Sverak fast nur noch für das einheimische Publikum dreht. Allerdings muss man sich auch fragen, warum sich diese tschechischen Blockbuster international nicht verkaufen. Der Brite Peter Hames fährt seit Jahrzehnten nach Pilsen oder Karlovy Vary. Er ist ein Kenner des tschechischen Kinos und wählt Filme für das London Film Festival aus. Für ihn bleibt Sverak ein interessantes Phänomen.
Hames: "'Cookie' hat man international überhaupt nicht wahrgenommen. Und 'Drei Brüder' ist ja ein tschechisches Musical. Damit hat der Film auch wenig Chancen. Es gibt also eine Tendenz, nur noch den lokalen, nationalen Markt zu bedienen. Immerhin war 'Drei Brüder' der erfolgreichste tschechische Film im vorigen Jahr und überhaupt der erfolgreichste Film in den Kinos überhaupt. Bis auf Frankreich ist Tschechien das einzige Land in Europa, in dem eine hohe Anzahl von einheimischen Filmen in den Top Ten landet."
Die Genrevielfalt ist größer geworden
Nun hat sich das tschechische Kino in den letzten Jahren durchaus verändert. Vorbei sind die Zeiten in denen man vor allem bittersüße Komödien drehte, die sich liebevoll und ein wenig kritisch mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzten. Die Genrevielfalt ist größer geworden. Man dreht viel mehr für ein reiferes Arthouse-Publikum, aber auch schmutzige kleine Horrorfilme. David Ondricek, der Sohn des im April verstorbenen Kameramannes Miroslav Ondricek schuf vor drei Jahren mit 'In the Shadow' sogar einen sehenswerten Detektivthriller, der in der Stalinzeit spielt und mit dem deutschen Star Sebastian Koch durchaus prominent besetzt war. In Deutschland lief das Werk im Vorjahr nur auf dem Jüdischen Filmfestival in Berlin. Den internationalen Festivalmachern ist das alles nicht gut genug, wie Peter Hames treffend ausführt.
"Sicherlich ist es immer schwierig vorherzusagen, welche Filme auch international reüssieren könnten. Viele Regisseure versuchen wirklich, auch an den internationalen Markt zu denken und sich trotzdem treu zu bleiben. Aber ich glaube, es gibt vor allem auf Filmfestivals große Vorurteile gegen Filme aus Osteuropa. Nur sehr wenige schaffen es dort in die Wettbewerbsprogramme."
Der Erfolg des tschechischen Films im eigenen Land beruht darauf, dass man gezielt das Publikum anspricht. Daher ist die Machart der Filme eher konventionell. So bedient man jedoch nicht den eher elitären Geschmack von Filmkritikern oder Festivalmachern. Kritisch anzumerken bleibt allerdings die Fernsehästhetik der Kinofilme. Das bringt der aus Österreich stammende Regisseur und Kameramann Peter Zach, der viel in Tschechien arbeitet, auf den Punkt.
Kino in Fernsehästhetik
Zach: "Die Zeit der großen Kinematografen ist vorbei. Das liegt wahrscheinlich auch an der Ausbildung, dass die technische Ausbildung nicht mehr so perfekt ist, wie sie früher an der FAMU war. Und die heutigen Filme, wenn man die Spielfilme anschaut, sehen alle sehr fernsehspielmäßig aus, also das Licht ist ganz flach und ganz brav ausgeleuchtet, dass alles sichtbar ist. So wird kaum Spannung erzeugt. Das erinnert ganz stark an deutsche Fernsehspiele."
Peter Hames berichtet, dass beim A Festival in San Sebastian im Herbst wieder ein tschechischer Film im Wettbewerb laufen soll. Die Produzentin Jana Cisar, die vor allem Dokumentarfilme dreht, stellt ein größeres Interesse tschechischer Kollegen an Koproduktionen fest. Und Dank HBO Europe drehen immer mehr Regisseure auch richtig gute Fernsehserien. Die Tschechen kommen bestimmt bald wieder – auf dem kleinen wie auch auf dem großen Bildschirm.
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