Trump und Putin

Brüder im Geiste

Ein Graffiti in Vilnius (Litauen), auf dem Donald Trump und der russische Präsident Putin sich küssen.
Trump und Putin vereint gegen den Liberalismus - das könnte für die Welt gefährlich werden, findet unser Kommentator. © picture alliance/dpa - Valda Kalnina
Von Jörg Himmelreich · 13.07.2018
Todfeind, Rivale oder bester Kumpel: Das Verhältnis von Donald Trump zu Wladimir Putin scheint sich mitunter im Stundentakt zu ändern. Für den Politologen Jörg Himmelreich jedoch steht fest: Hier treffen sich zwei vom gleichen antiliberalen Schlag.
So irrational, unberechenbar und widersprüchlich die Politik Trumps auch ist, er setzt genau das um, was er im Wahlkampf seinen Wählern versprochen hat. Sein Wahlprogramm aus der Feder eines erzkonservativen philosophischen Instituts im kleinen kalifornischen Claremont prägt seine Politik.

Wie breite Ströme des amerikanischen politischen Konservativismus nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich auch die "Claremonsters", wie sie sich nennen, die politischen Ideen des deutsch-jüdischen Philosophen Leo Strauss auf die Fahnen geschrieben, der vor den Nazis aus Berlin in die USA nach New York floh.

"Alle Menschen sind ungleich", sagt die reaktionäre Kaderschmiede

Strauss interpretiert das Naturrecht im Rückgriff auf Plato völlig neu: Im Naturzustand seien alle Menschen ungleich, die einen stärker, die anderen schwächer, und erst der politische Liberalismus habe später versucht, diese natürlichen Ungleichheiten des Menschen zu egalisieren.
Diesen Kampf des Leo Strauss, übrigens in Weimar an der Seite des von ihm hochverehrten Carl Schmitt, gegen den politischen Liberalismus nehmen die "Claremonsters" und Donald Trump heute wieder auf. Amerika muss wieder zu seiner eigentlichen, ungebundenen und überlegenen Macht zurückgeführt werden, frei von den Einschränkungen des Rechts und der Rücksichtnahme auf Alliierte. "America First" – um jeden Preis.

Konservativer Argwohn gegen einen "tiefen Staat"

Schon während Trumps Wahlkampf belebten Amerikas Erzkonservative dazu wieder die verschwörungstheoretische Denkfigur des "tiefen Staates", "the deep state". Der "tiefe Staat" bestehe aus einer verborgenen Kooperation von Bürokraten, Geheimdiensten, Militärs, Gerichten und Medien, die sich gegen die vom Volk gewählten Vertreter, zuoberst den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, verschworen haben.
Dieses linke Kartell aus "Progressisten", Globalisten und politisch Korrekten hätte die liberale politische und rechtliche Ordnung genutzt, um als eine Art Schattenregierung die Machtzentren zu kapern. Anfang 2016 kletterte das Buch des Republikaners Mike Lofgren über "The Deep State" in die US-Bestsellerlisten und zeigte an, welch breite Zustimmung diese Verschwörungstheorie in den USA fand.

Auch Putin verachtet den Liberalismus

Ähnelt diese junge verschwörungstheoretische Denkfigur des "tiefen Staates" der amerikanischen Erzkonservativen nicht genau dem traditionellen politischen Konservativismus Russlands, den Putin heute fortsetzt?
Denn auch für die russische Neue Rechte ist der starke politische Autokrat für ein starkes Russland überlebensnotwendig. Nur der Westen, so die konservative russische Verschwörungstheorie, versuche dieses starke Russland mit den Forderungen nach Grund- und Menschenrechten und einer verfassungsrechtlichen Einbindung staatlicher Gewalt zu schwächen.
Die Vorstellungen konservativer politischer Denkrichtungen in beiden Staaten, an deren Spitze Trump und Putin sich jeweils setzten, haben eines gemein: Der aufgeklärte politische Liberalismus unterwandere mit seinen Forderungen nach Recht und rechtlicher Einbindung staatlicher Gewalt nur die uneingeschränkte politische Herrschaft. Und hinderte so Amerika und Russland daran, jeweils ihre wahre nationale Größe wieder zu erlangen.
Der politische Liberalismus ist daher für Trump und Putin ihr wahrer Feind. Darin sind sie sich mit ihren Verschwörungstheorien einig. In dieser neuen, nie erahnten, ideellen politischen Nähe zwischen den USA und Russland, und zwischen Trump und Putin, liegt das revolutionäre Moment ihres Treffens. Eine neue, beängstigende Weltordnung bricht an.

Der Politikwissenschaftler Jörg Himmelreich schreibt als Autor für die "Neue Zürcher Zeitung" und forscht zu kulturgeschichtlichen und außenpolitischen Themen Russlands und Asiens. Er war Mitglied des Planungsstabs des Auswärtigen Amts in Berlin sowie Gastdozent in Washington, Moskau, und London.

© Peter Ptassek
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