Tristan zwischen vielen Fronten

Von Jörn Florian Fuchs · 18.09.2011
Während der Liebesnacht des eigenartigen Paares sieht man in Zeitlupe Hinrichtungen von verschleierten Frauen, die später auferstehen und Flugblätter kopieren. Das ist längst nicht die einzige rätselhafte Idee von Tilman Knabe für "Tristan und Isolde" in Mainz.
Zumindest der erste Aufzug überzeugt szenisch zur Gänze, wenngleich auch hier sich schon manche Fragen stellen. In drei unwirtlichen, mit Metall ausgeschlagenen Zimmern spielt sich ein seltsames Geschehen ab: Soldaten beobachten per Videokamera zwei verschleierte Frauen, die eine (Brangäne) versorgt die andere (Isolde) mit Drogen und braucht bisweilen selbst welche. Bald reißt sich Isolde das Tuch vom Kopf, während ihre Dienerin artig bis zum bitteren Ende ihre Haarpracht verbirgt. Die Soldaten benehmen sich den Damen gegenüber rau und rüde, ihr Anführer ist ein markiger General in Fantasieuniform. Er erinnert entfernt an den derzeit flüchtigen libyschen Diktator, ein wenig aber auch an einen westlichen Militärführer.

Tristan gehört – irgendwie – wohl zu Markes Mannen. Während der Liebesnacht des eigenartigen Paars sieht man in Zeitlupe Hinrichtungen von verschleierten Frauen, die später auferstehen und Flugblätter kopieren. Das bleibt dann leider so schleierhaft wie manches in den folgenden eineinhalb Akten. Tristan wird nach seiner Verwundung lautstark, indes nur kurzzeitig, mit dem Defibrillator wieder erweckt, bevor er endgültig stirbt, gibt ihm Isolde mittels Pistolenkugel den Rest. Auch sie wird angeschossen. Überhaupt wird im Laufe des Abends Wagners Partitur ziemlich oft mit so nicht notierten (Waffen-) Geräuschen ergänzt …

König beziehungsweise General Marke nimmt das Geschehen recht gelangweilt, fast ironisch hin – Trauer und Verletztheit erkennt man bei ihm keine. Während Isoldes Schlussmonolog laufen dann drei blutverschmierte Doubles langsam durchs Parkett. Kurz zuvor schickte Marke dem toten Tristan einen Kranz und ließ sich dabei von einem Rudel Kameraleuten fotografieren.

Beim besten Willen – und der Rezensent schätzt den Regisseur wirklich sehr – diesmal blieben zu viele, ja, die meisten Fragen offen.

Auf der Habenseite stehen immerhin etliche starke Bilder, eine weitgehend präzise Personenführung und diverse Überraschungsmomente.

Musikalisch gelingt den Mainzern eine glänzende Aufführung. Der neue GMD des Staatstheaters, Hermann Bäumer, dirigiert mit Schmackes, sehr kernig, mit großer Klanggeste, aber nie zu laut. Das überzeugt eigentlich mehr als etwa Sebastian Weigles eher symphonisch angelegte Wagner-Dirigate im nahen Frankfurt. Alexander Spemann müht sich anfangs arg mit der Tristan-Partie, er kommt aber zunehmend in Fahrt und bringt im finalen Aufzug Spitzenleistungen. Ruth Staffa gibt Isolde mit Dauer-Vibrato – was ausnahmsweise nicht als Kritik gemeint ist, da es erstens Technik statt Unzulänglichkeit ist und zweitens gut zur Rollenanlage passt. Exzellent waren auch Patricia Roach als Brangäne, Jürgen Rust als Melot und Thorsten Büttner als Hirte.

Informationen des Staatstheaters Mainz