Triennale der Photographie in Hamburg

Bilder von verdrängten Gefühlen

Eine Besucherin betrachtet in der Deichtorhalle in Hamburg Arbeiten des Künstlers Phillip Toledano aus der Serie "A New Kind Of Beauty"; Aufnahme vom Juni 2015
Eine Besucherin betrachtet in der Deichtorhalle in Hamburg Arbeiten des Künstlers Phillip Toledano aus der Serie "A New Kind Of Beauty"; Aufnahme vom Juni 2015 © picture alliance / dpa
Von Anette Schneider · 18.06.2015
Der Brite Philip Toledano zeigt Menschen, die sich durch Schönheitsoperationen ewige Jugend erhoffen oder den Alltag seines dementen Vaters. Seine Fotos sind im Rahmen der Triennale der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen.
Das irritierende biblische Triennale-Motto erhält in der Hamburger Kunsthalle eine angemessene Fortsetzung: "The day will come - when there is hope“ heißt die dortige Ausstellung. Das klingt nach Sonntagspredigt.
Doch Kuratorin Petra Roettig stellt klar: "Wir zeigen 18 verschiedene Künstler, die einerseits im Foto aber auch im Film, ganz unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema machen. Schwerpunkt ist die Hoffnung als Motor und Antrieb für die Emigration, die ja im Moment ein sehr, sehr wichtiges Thema ist."
In vielen Arbeiten entpuppt sich die Hoffnung schnell als brüchig. Wie in dem kurzen Film des Albaners Adrian Parci: Man sieht das Rollfeld eines Flughafens, und - angeschnitten im Vordergrund - eine Gangway, auf der dichtgedrängt Menschen stehen: Schwarze, Latinos, Asiaten, gezeichnet vom Leben, auf dem Weg, ihre Heimat zu verlassen. Dann rückt die Kamera etwas weg - und es zeigt sich: Die Treppe steht völlig allein auf dem Rollfeld. Die Menschen auf ihr stehen vor dem Nichts. Sie blicken in den Abgrund.
Einige hundert Meter weiter versammelt das Bucerius Kunst Forum Fotografien einige Gemälde aus den letzten 180 Jahren, in denen Künstler sich mit dem Thema Wasser beschäftigen. Ein Schwerpunkt liegt auf aktuellen Arbeiten, in denen sich das Meer als Bedrohung entpuppt.
Kuratorin Ortrud Westheider: "Und dort sind dann die Themen: Die Verschmutzung unseres Wassers, die Bedrohung auch durch Wasser das man nicht mehr den Eindruck hat, man kann alles beherrschen, und dann natürlich auch Wasserknappheit und das Thema Wasser als Grenze, das Meer als Grenze."
Alter und Tod, Jugendwahn und Sexarbeit
Das Haus der Photographie präsentiert eine erste große Ausstellung des britischen, in den USA lebenden Fotografen Philip Toledano: Unter dem düsteren Titel "The day will come when men falls“ versammelt sie sieben umfangreiche Serien des 47-Jährigen, die sich zum Beispiel mit Alter und Tod, Jugendwahn und Sexarbeit beschäftigen.
Kuratorin Sabine Schnakenberg: "Diese Themen, um die Toledano kreist sind, keine wahnsinnig kunstvoll ausgetüftelten Themen, sondern es sind Sachen und Gefühle, die in jedem von uns existieren, die wir aber immer wieder verdrängen, die wir außen vorlassen, die wir wegschieben von uns, und das wird eben in jeder einzelnen Bildserie auch deutlich."
Anrührend zeigt Toledano den Alltag seines dementen Vaters. Nach dem Blick auf das schmerzhafte wirkliche Leben folgt ein Blick in eine albtraumhafte Zukunftsvision: Die Serie "A new kind of beauty“ versammelt Bildnisse von Menschen, die sich durch Schönheitsoperationen ewige Jugend erhoffen. Stolz präsentieren sie sich der Kamera. Lebendig aber wirken sie nicht.
200 historische Fotografien aus dem eigenen Archiv und einige aktuelle Arbeiten versammelt die Ausstellung "The Day will come when we share more than ever“ im Museum für Kunst und Gewerbe. Das Material wird "neutral“ präsentiert: ohne Hinweise, ohne Texte. Erst mithilfe eines Booklets lässt es sich erschließen.
So stoßen in der Ausstellung historische Wissenschaftsfotos auf Bilder von Google Earth. Oder alte, auf Dauer angelegte Erinnerungsfotos aus Fotoalben auf die Foto-Sharing-Plattform Instagram, auf der Ai Weiwei dutzende Male pro Tag seine Follower mit Bildern versorgt.
Kuratorin Esther Ruelfs: "Ich denke, dass man auf jeden Fall über diese neue Funktion von Bildern nachdenken muss. Wenn ich an mein eigenes Verhalten denke, dann schicke ich Fotos über das Handy zu und es geht vielleicht gar nicht mehr darum, dass diese Bilder irgendwann mal in einem Album landen, sondern es geht darum, einen bestimmten Moment zu teilen."
Historische Wissenschaftsfotos treffen auf Aufnahmen von Google Earth
Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe ist das anspruchsvollste Projekt der Triennale. Sie stellt sich den entscheidenden Fragen, die mit der Veränderung des Mediums Fotografie einhergehen. Etwa: Wie beeinflussen digitale Bilderdatenbanken unsere Vorstellung vom Bild? Und: Welche Folgen haben diese Bildermassen für unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit?
Die Künstlerin Taryn Simon führt die Folgen der angeblich neutralen Bildermassen drastisch vor Augen: Gemeinsam mit einem Programmierer schuf sie einen "Bilderatlas", für den sie die erstgelisteten Suchergebnisse von fast 60 lokalen Bilder-Suchmaschinen zusammenführte. Auf einen Touchscreen tippt Esther Ruelfs das Wort "Woman“.
"Es geht ja darum, wie Einfluss genommen wird auf ein bestimmtes Bild-Repertoire, dass uns überhaupt gezeigt wird. Also: Wie funktioniert Zensur? Und in welchen Ländern gibt es was zu sehen? Es gibt natürlich jetzt bestimmte Länder, wo gar nichts auftaucht: Afghanistan: Frauen gibt’s nicht. Ägypten auch nicht. Iran auch nicht. Das ist ja im Grunde genommen genau das, worauf sie abzielt: Auf diese Normierung, auf diese Einschränkungen dieses scheinbaren 'Bilderatlas', der natürlich nur ganz bestimmte Sachen erlaubt, bestimmte Zensurmechanismen auch offen legt, mit denen wir natürlich im Internet auch ständig zu tun haben."
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