Treffen von Trump und Putin in Helsinki

Gefährlicher Umgang mit der Macht

In Helsinki demonstrieren Tausende gegen die Politik von US-Präsident Trump und Russlands Präsident Putin.
In Helsinki demonstrieren Tausende gegen die Politik von US-Präsident Trump und Russlands Präsident Putin. © AFP / Jonathan Nackstrand
Regina Michalik im Gespräch mit Dieter Kassel · 16.07.2018
Macht und Intrigen sind das Spezialgebiet der Psychologin und früheren Grünen-Politikerin Regina Michalik. Das Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki ist für sie eine Demonstration der Macht und Selbstüberschätzung.
Beide hätten einen speziellen Umgang mit der Macht und würden sich damit auskennen, sagte die Psychologin Regina Michalik im Deutschlandfunk Kultur über die heutige Begegnung von US-Präsident Donalds Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin in Helsinki. Allerdings scheine Putin mit seiner Macht sehr viel reflektierter umzugehen, so die Ferndiagnose der früheren Grünen-Politikerin, die heute als Coach und Expertin für Machtkonflikte tätig ist.
Den Begriff "Machtmensch" sehe sie zunächst nicht negativ. Die Frage sei vielmehr, was jemand mit seiner Macht anstelle. "Allein die Tatsache, dass sie sagen, wir zwei Männer reden unter vier Augen, ist natürlich eine Demonstration dieser Macht und dieser Selbstüberschätzung, so nach dem Motto: Ich krieg das alleine hin, und ich gucke meinem Freund oder Kollegen Putin in die Augen, und dann werde ich das schon richten", sagte Michalik, die von 1987 bis 1989 bei den Grünen eine der Bundesvorstandssprecherinnen war. (gem/abr)

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Deutschlandfunk Kultur "Studio 9" am Montagmorgen, dem Morgen dieses Montags, an dem sich Wladimir Putin und Donald Trump in Helsinki treffen werden, und das wird dann auch Regina Michalik sowie viele andere von uns nur aus der Ferne beobachten. Machtkonflikte kennt sie aber auch von nahem, denn sie ist Psychologin, Coach, Mediatorin und bezeichnet sich auf der Internetseite ihrer Firma Interchange als Expertin für Machtkonflikte. Und in den 80er-Jahren übrigens war sie auch mal eine von damals drei Bundesvorsitzenden der Grünen. Einen schönen guten Morgen, Frau Michalik!
Regina Michalik: Guten Morgen!
Kassel: Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass einerseits Putin und Trump beide Machtmenschen sind, auf der anderen Seite aber doch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Haben die eigentlich bis auf die Tatsache, dass sie mächtige Regierungschefs sind und Männer, überhaupt was gemeinsam?
Michalik: Na ja, das ist schon mal sehr viel. Also Männer haben vieles gemeinsam bei aller Unterschiedlichkeit und mächtige Staatslenker auch. Was sie sonst gemeinsam haben, ist sicherlich, dass sie beide einen, ja, speziellen Umgang mit Macht haben und sich durchaus auskennen.
Allerdings scheint das Putin, jetzt aus der Entfernung gesehen, wesentlich reflektierter zu machen, als es Trump macht. Und das ist so einer der wenigen sympathischen Seiten, die ich an Putin finden kann, weil – das ist meine Erfahrung – mit Macht muss man reflektiert umgehen und sich sehr wohl bewusst sein, was ist meine Macht, was setze ich für Instrumente ein und was ist das Ziel meiner Macht.
Der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump auf einem APEC-Treffen in Vietnam.
Der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump bei einem früheren Zusammentreffen beim APEC-Treffen in Vietnam.© AFP / JORGE SILVA
Kassel: Aber lassen Sie uns doch vielleicht mal über diesen Machtbegriff und auch das Wort Machtmensch erst mal reden. Gerade Machtmensch ist ja sehr negativ annotiert inzwischen bei uns, und in Ihrer Branche, also der Beratungs- und Coachingbranche, gibt es tatsächlich – ich erfinde hier nichts – auch Angebote, Kursangebote, Einzelangebote, die so sinngemäß wirklich heißen "Führen ohne Macht", was ich ein bisschen absurd finde, schon von der Vorstellung her. Aber wie ist denn für Sie eigentlich Macht definiert, ist das grundsätzlich etwas Negatives?
Michalik: Bei mir gibt es Seminare und Vorträge zur Führung mit Macht, weil Führung und Macht zueinander gehören, und Macht ist für mich und auch vom Wortsinn her erst mal überhaupt nicht negativ, sondern das kommt aus dem Althochdeutschen, von magun, magan, das heißt, etwas bewirken, etwas vermögen, und das ist eigentlich ein Motiv, was jeder Mensch haben sollte.
Insofern ist weder Macht negativ noch Mensch negativ, und die Kombination von Machtmensch, der ist eigentlich ungerechtfertigterweise eine negative geworden. Also für mich sind Machtmenschen erst einmal interessant und erst einmal neutral, und dann guck ich genauer hin, was machen die mit ihrer Macht.

Persönliche Machtmotive

Kassel: Viele Politiker sagen ja zumindest, mit ein bisschen Glück tun sie es auch, aber sie sagen zumindest, ich will Macht haben, ich will sie auch einsetzen, aber nicht für mich persönlich, sondern zum Nutzen meines Landes. Da sind wir jetzt, glaube ich, auch wieder bei Trump und Putin. Ich meine, sagen tun die das beide auch, aber haben Sie immer den Eindruck, das meinen sie auch?
Michalik: Na ja, es ist immer ein bisschen schwierig, diese Ferndiagnosen von Menschen durchzuführen, aber es ist eindeutig so, dass es beiden auch um ihre eigene persönliche Macht geht. Und wenn es beispielsweise Trump angeblich darum geht, um sein Amerika und seine Menschen, insbesondere die Armen und Geknechteten und denen es nicht so gut geht, dann kann man das schon sehr bezweifeln, weil das, was er als Politik macht, zielt ja gar nicht in die Richtung, und wie er sie inszeniert auch nicht. Von daher glaube ich, dass das Machtmotiv von beiden eher eines ist, persönliche Macht haben zu wollen und nicht sogenannte soziale Macht – da unterscheidet man schon sehr wohl.
Kassel: Wenn nun aber, egal ob in der Politik oder auch in der Wirtschaft oder in ganz anderen Bereichen, zwei Menschen aufeinandertreffen, die dieses Bild von Macht haben und Macht so einsetzen, die vor allen Dingen auch beide mächtig sind, es wissen und es andere auch spüren lassen, ist es ein Vorteil, wenn zwei von der Sorte einander gegenübersitzen, weil sie eben tatsächlich auf Augenhöhe miteinander reden können, oder ist es eher ein Nachteil, weil ja tendenziell keiner wahrscheinlich wird nachgeben wollen?
Michalik: Na ja, der große Nachteil in dieser Kombination ist, dass der Umgang mit Macht nicht unbedingt ein reflektierter ist. Also ich kann mich auf Augenhöhe zusammensetzen und sagen, du oder sie willst das und das, weil so und so, so und so, ich will das und das und das, wie begegnen wir uns. Gibt es etwas Drittes, von dem wir beide oder unser beider Länder etwas haben, und wenn ja, was ist das, oder gibt es das nicht. Also reflektierter Umgang mit Macht ist sehr wohl nützlich.
US-Präsident Donald Trump bei seiner Ankunft in Helsinki
US-Präsident Donald Trump bei seiner Ankunft in Helsinki© AFP / Lehtikuva / Heikki Saukkomaa
Ich jedenfalls habe – und da bin ich nicht alleine – große, große Bedenken, ob das tatsächlich bei den beiden so der Fall ist. Gerade wenn man sich Trump anguckt, er reagiert er absolut emotional, unberechenbar. Das ist bei Putin etwas anders, aber das ist ja auch die große Angst aller Berater und Beraterinnen, was passiert, wenn die zwei aufeinandertreffen, kann man die irgendwie wieder einfangen, und was machen die da mit ihrer Macht. Und unberechenbare und unreflektierter Umgang mit Macht, der ist einfach höchst gefährlich, egal ob in der Politik oder in Unternehmen.

Zwei Männer unter vier Augen

Kassel: Nun, diese Sorgen, die Sie erwähnt haben, die machen sich viele Leute auch gerade in den USA selber, weil ja Trump darauf bestanden hat – wirklich eher Putin war das, glaube ich, relativ egal im Vorfeld –, Trump darauf bestanden hat, dass das eigentliche Gespräche wirklich unter vier Augen stattfindet. Da sind die angeblich ganz alleine, keine Berater in der Nähe, ich nehme an, einen Übersetzer werden sie schon brauchen, aber sonst nichts.
Nun frage ich mich, ist das wirklich – es ist gefährlich, kann ich nachvollziehen – aber nicht auch ein Vorteil, weil doch beide, Trump ein bisschen mehr, aber doch beide dazu neigen, auch ihre Macht immer stark zu demonstrieren, sprich, auch eine Show für die Außenwelt abzugeben. Wenn keiner dabei ist, müssen sie das nicht. Kann das nicht auch ein Vorteil sein?
Michalik: Na ja, das müssen sie weiterhin, auch wenn sie zu zweit sind. Es kann schon ein großer Machtkampf und eine Demonstration untereinander werden. Und allein die Tatsache, dass sie sagten, nein, wir zwei Männer reden unter vier Augen, ist natürlich eine Demonstration dieser Macht und dieser Selbstüberschätzung, so nach dem Motto: Ich krieg das alleine hin, und ich gucke meinem Freund oder Kollegen Putin in die Augen, und dann werde ich das schon richten. Ob das nun gut oder schlecht ist, ich finde schon, es sollte die Möglichkeit geben, in der Politik unter vier Augen zu reden, aber in diesem Fall halte ich auch wiederum genau das für eine Machtdemonstration.
Kassel: Ganz kurz noch zum Schluss, weil wir gerade einen Machtkampf mit der Telefonleitung führen, die wird gerade schlechter, aber zu dem, was Sie hauptberuflich tun, gehört ja genau das, also in Machtkonflikten auch Mediation anzubieten, sie idealerweise zu schlichten, und Sie tun das ja unter anderem schon auch im Bereich Politik manchmal. Nehmen wir an, Sie hätten tatsächlich jetzt dieses Angebot bekommen, vermitteln Sie zwischen Putin und Trump – es sähe schön aus als Referenz auf Ihrer Homepage, aber abgesehen davon, hätten Sie es wirklich angenommen und Spaß dran gehabt?
Michalik: Die Voraussetzung für alle meine Aufträge, wenn ich die annehmen soll, ist, dass ich wirklich die Bereitschaft von beiden – oder drei Seiten, es sind ja manchmal mehr Parteien – sehe, dass die wirklich diesen Konflikt lösen wollen, und das halte ich in dieser Kombination Putin und Trump für völlig illusorisch. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass eine solche Anfrage bei mir anlandet, und wenn, dann könnte ich jetzt natürlich auch nicht darüber reden.

Vertraulichkeit zählt

Kassel: Sie befeuern jetzt auch noch die Verschwörungstheoretiker.
Michalik: Nee, nee, nee, das ist Vertraulichkeit und Professionalität, darauf müssen sich meine Kunden und Kundinnen verlassen, und es stehen auch nicht alle auf meiner Webseite.
Kassel: Das kann ich hundertprozentig verstehen, nur Sie wissen, der echte Verschwörungstheoretiker interpretiert Ihre Antwort jetzt so: Sie arbeiten für Putin oder für Trump. Meines Wissens ist das nicht so, möchte ich an dieser Stelle doch mal bitte …
Michalik: Nein, nein, nein, und vielleicht kann ich Ihre Verschwörungstheorie noch ein bisschen anheizen: Ich bin nicht nur Machtexpertin, sondern auch Intrigenexpertin und habe genau darüber ein Buch geschrieben.
Kassel: Warum überrascht mich das jetzt nicht.
Michalik: Keine Ahnung, woher Sie das haben, aber vielleicht sind Sie ja selber sehr interessiert an dem Machtthema, weil Sie selber eine Intrige spinnen. Also auch Ihr Beruf hat viele Möglichkeit, Ihre Macht auszuüben.
Kassel: Gut, ich glaube, jetzt haben wir beide jedem, der Spaß an Verschwörungstheorien hat, jede Menge Material gegeben, aber auch noch sehr viel mehr als das. Regina Michalik war das. Sie ist Psychologin, Mediatorin, Coach und mit ihrer Firma Interchange unter anderem auch für – wir haben es gerade gehört – Intrigen, aber vor allen Dingen Machtkonflikte zuständig. Und mit ihr haben wir gesprochen über das heutige Treffen der beiden Machtmenschen Putin und Trump. Frau Michalik, vielen Dank fürs Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Regina Michalik, Intrige, Econ Verlag 2011, 18 Euro.

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