Treffen der EU-Innenminister

Nationale Alleingänge in der Flüchtlingsfrage

Man sieht zwei Kinder hinter einem Drahtzaun.
Flüchtlingskinder an der Grenze Slowenien/Österreich, nahe dem Ort Spielfeld. © picture-alliance / dpa / Christian Bruna
Von Annette Riedel · 25.02.2016
Eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingskrise ist weiterhin nicht in Sicht. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten preschen vor und machen ihre Grenzen dicht. Ob es beim heutigen Treffen der EU-Innenminister zu einer Annäherung kommt, bleibt fraglich.
Sehr gesamteuropäisch sieht das nicht aus, was in den letzten Tagen in Sachen Flüchtlingskrise in der EU passiert. Solange eine angestrebte, gesamteuropäische Lösung - beim EU-Gipfel erneut betont - aussteht, blieben nur nationale und regionale Lösungen, sagte gestern Österreichs Innenministerin Mickl-Leitner.
Österreich hat mit seiner Obergrenze von täglich 80 Asylbewerbern, plus über 3000 Flüchtlingen, die nach Deutschland durchgelassen werden, einen Ansatz gewählt, die Zahl der Flüchtlinge im Land zu begrenzen, den die Bundesregierung so nicht akzeptieren will.
"Da werden wir auch darüber klar reden."
Sagt Bundesinnenminister De Maiziere mit Blick auf das heutige Innenministertreffen.
"Zu sagen, 3250 können nach Deutschland weiter - das ist das falsche Signal. Die Zahl ist viel zu hoch. Wir akzeptieren das nicht und deshalb ist darüber zu reden."
Mickl-Leitner weist die Kritik aus Deutschland zurück.
"Die Tages-Kontingente sind eine Erfindung von Deutschland. Seit Monaten werden an der deutsch-österreichischen Grenze nur gewisse Kontingente übernommen. Und was für Deutschland richtig und rechtskonform ist, ist auch für Österreich richtig und rechtskonform."

Österreichs Politik der Obergrenzen

Wie wohl man anerkennt, dass die Alpenrepublik eine vergleichbar große Belastung durch Asylbewerber hat wie Deutschland, stößt man sich doch nicht nur in Berlin an der österreichischen Vorgehensweise. Auch die EU-Kommission - traditionell eher zurückhaltend bei Kommentaren zu nationalen Entscheidungen - hatte Österreichs Politik der Obergrenzen vergangene Woche ungewöhnlich scharf als "unvereinbar mit geltendem Recht" kritisiert.
Man sei in einem Dialog mit Wien, bestätigte Kommissions-Sprecherin Natasha Bertrand. Um anschließend die Konferenz als wenig hilfreich zu bezeichnen, zu der sich die zehn Westbalkan-Länder auf Einladung Wiens gestern getroffen haben - ohne Deutschland, ohne Griechenland.
"EU-Länder sollten zusammenarbeiten und nicht gegeneinander. Wir arbeiten weiter an einer europäischen Lösung für die Flüchtlingskrise. Allerdings können die Beschlüsse der letzten beiden EU-Gipfel nur dann Ergebnisse bringen, wenn alle Elemente gemeinsam und koordiniert umgesetzt werden."
Wenn man so will war die Konferenz der Westbalkan-Länder, die Hälfte darunter Nicht-EU-Länder, Ausdruck der Tatsache, dass in vielen Hauptstädten, entgegen manch anders lautender Einlassung über eine "europäische Lösung" darauf eher weniger denn mehr gesetzt wird.

Belgien setzt Schengen aus

Weiteres Beispiel: Die belgische Regierung hat gestern als 7. Schengen-Land vorübergehend wieder Grenzkontrollen eingeführt - und zwar an der belgisch-französischen Grenze, an einem Abschnitt nahe der Küste. Warum, wird der belgische Innenminister Jambon der EU-Kommission zu erklären haben und heute auch seinen Amtskollegen in Brüssel.
Im belgischen Rundfunk begründete er es mit der für heute erwarteten Entscheidung des zuständigen Gerichts in Lille, ob Teile des Flüchtlingslagers bei der französischen Hafenstadt Calais geräumt werden.
Jambon sagte gestern im belgischen Rundfunk, dass in Erwartung des Urteils schon jetzt deutlich mehr Illegale aus Calais Richtung der belgischen Hafenstadt Zeebrügge strebten, um von dort aus nach Großbritannien zu gelangen:
"Was wir um jeden Preis vermeiden wollen, ist eine Situation an unserer Küste wie in Calais. Schengen ist wunderbar, offene Grenzen haben enorme Vorteile für unsere Wirtschaft, aber nur, wenn die Bedingungen stimmen. Und dazu gehört der Schutz der Außengrenzen."
Und dazu wiederum braucht man andere Verhältnisse an der griechischen Mittelmeerküste und die Zusammenarbeit mit der Türkei.

Viele offene Fragen

"Wir sind uns einig, dass der Außengrenzen-Schutz mit der Türkei zeitlich und inhaltlich Priorität hat, das heißt: Frontex-Einsatz, das heißt Nato-Einsatz, das heißt, dass Flüchtlinge zurückgeschickt werden können in die Türkei."
Bei alledem bleiben offene Fragen. Und so wird auch der türkische Innenminister beim Treffen seiner EU-Kollegen heute in Brüssel erwartet. Mit einem EU-Türkei-Sondergipfel, gestern für den 7. März angesetzt, wird der Schlüsselrolle der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise Rechnung getragen.
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