Trauern und sich besinnen

Vergiss mein nicht! – Die Kraft der Erinnerung

Blühende Vergissmeinnicht (blau) vor grünem Hintergrund.
Blühende Vergissmeinnicht. © Unsplash / Gemma Evans
Mit Anemone Zeim, Trauerbegleiterin, und Rainer Moritz, Autor; Moderation: Vladimir Balzer · 27.10.2018
Wenn ein Mensch stirbt, steht für die Angehörigen und Freunde oft die Zeit still. Was bleibt, sind Erinnerungen - doch wie können Geschichten und Anekdoten helfen, die Trauer zu bewältigen?
"Du bist erst tot, wenn sich niemand mehr an dich erinnert", sagt die Trauerbegleiterin Anemone Zeim. "Es steckt so viel Lebenskraft in Geschichten und den Gegenständen, in denen diese gespeichert sind." In ihrer Erinnerungswerkstatt "Vergiss Mein Nie" in Hamburg bietet sie Hinterbliebenen die Möglichkeit, diese gemeinsamen Geschichten und Andenken in individuelle Erinnerungsstücke umzusetzen. Das kann ein Schmuckstück sein, gefertigt aus aus Omas Kochlöffel, den die Enkelin aufbewahrt hat, oder ein Gedicht an den verstorbenen Sohn, eingefasst in einen für ihn typischen Rahmen. Ihre Erfahrung: "Wer trauert, ist nicht krank, sondern braucht Raum, Zeit, Farbe und Verständnis für seine Gefühlswelten und Erinnerungen."

Seine Dinge sprechen zu mir

"Je länger ich an meinen toten Vater denke, über dessen Leben ich viel zu wenig weiß, desto mehr sprechen seine Dinge zu mir", schreibt der Autor Rainer Moritz in seinem jüngsten Buch "Mein Vater, die Dinge und der Tod". Darin erzählt der Autor und Leiter des Hamburger Literaturhauses von den Erinnerungsstücken an den Vater – und verbindet sie mit einer Vater-Sohn-Geschichte. Da ist der abgewetzte Fernsehsessel, in dem der Vater bis zuletzt beim gemeinsamen Sportgucken saß, sein Rasierer, der den Duft von "Old Spice" zu verströmen scheint, seine selbstgemalten Bilder, die von seiner Kreativität in jungen Jahren zeugen.
Und Moritz meint: "Wenn ich mit Menschen spreche, die einen nahen Angehörigen, einen Freund verloren haben, dann stellt sich fast allen rasch die Frage: Was bleibt? Und sie suchen auch eine tröstliche Antwort. Deswegen versuche ich zu schildern, was die Erinnerung in uns wachhält und was es heißt, die Alltagsdinge genau zu betrachten und darüber nachzudenken, was sie den Toten und den Übriggebliebenen bedeuteten und immer noch bedeuten."

Vergiss mein nicht! - Die Kraft der Erinnerung
Darüber diskutiert Moderator Vladimir Balzer von 9.05 bis 11 Uhr mit Anemone Zeim und Rainer Moritz. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen
Das Portal zu Anemone Zeims Erinnerungswerkstatt "Vergiss Mein Nie"

Rainer Moritz: "Mein Vater, die Dinge und der Tod"
Verlag Antje Kunstmann, München 2018
200 Seiten, 20 Euro, als E-Book: 15,99 Euro

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