Transparenz bei Riester und Co.

Wohin fließt die Rentenvorsorge?

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Illustration einer Familie, die ein umweltfreundliches Auto fährt, während im Hintergrund dunkle Autos zu sehen sind.
Oft ist es schwierig bis gar unmöglich, die persönlichen Überzeugungen in Einklang mit Geldanlagen zu bringen. © imago images / Jens Magnusson
Von Caroline Nokel · 25.01.2021
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Versicherer und Pensionskassen legen rund 1,5 Billionen Euro für die Altersvorsorge am Kapitalmarkt an. Fließt das Geld in die Rüstungsindustrie oder in klimaschädliche Projekte? Wer das als Einzahler wissen will, stößt auf viele Hindernisse.
"Die Generationengerechtigkeit ist mir sehr wichtig. Ich habe auch einen Sohn und wenn man Vater ist, dann möchte man natürlich auch, dass das eigene Kind die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat wie man selbst."
Stefan Krostitz ist Ende 40, arbeitet bei den Stadtwerken in Lübeck und wohnt mit seiner Familie in Eutin.
Der Wirtschaftsingenieur will möglichst nachhaltig leben, das heißt: Zusammen mit seiner Frau hat er schon den Energieverbrauch und den Müll der Familie reduziert, außerdem Flugreisen vom Urlaubsplan gestrichen. Dann kam Stefan Krostitz auf die Idee, die Finanzen der Familie unter die Lupe zu nehmen:
"Mein Ziel wäre es rauszufinden, nach welchen Prinzipien das Geld angelegt wird bei der privaten Altersvorsorge, bei der privaten Rentenversicherung beispielsweise und natürlich auch Einfluss zu nehmen auf die Anlageformen in dem Sinne, dass solche Formen gewählt werden, die ich unterstützen möchte."

Stefan Krostitz und seine Frau zahlen in zwei Riester-Verträge ein, sogenannte Investmentfondsverträge. Jetzt will er herausfinden, in welche Unternehmen die Versicherung sein Geld investiert:
"Ich persönlich hätte schon K.O.-Kriterien. Die sehe ich bei Unternehmen, die sich eben mit Dingen beschäftigen, die mir gar nicht gefallen. Dazu gehört beispielsweise die Nutzung der Kernenergie, der Betrieb von Kernkraftwerken. Dazu gehört die Waffenindustrie allgemein gesprochen, aber auch ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Asien beispielsweise in der Textilindustrie."

Anlagepolitik ist für Laien schwer zu durchschauen

Aus den Unterlagen ihrer Versicherung HDI geht nicht hervor, ob die Familie mit dem Riestern in Kernkraft oder Rüstung investiert. Auf Nachfrage erhält Stefan Krostitz von seiner Versicherung das Anlageziel und eine Portfolioaufstellung seines Fonds zugesandt. Als Laie kann er damit nicht viel anfangen. Obwohl Versicherer zu einer sogenannten "Nachhaltigkeitsberichterstattung" verpflichtet sind, informieren sie ihre Kundinnen und Kunden nur sehr spärlich über ihre konkrete Anlagepolitik. Die Unternehmen, die tagtäglich mit Zahlen, Statistiken und Geld jonglieren, passen hier. Jörg Asmussen ist Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer:
"In der Tat ist Transparenz zum Teil im Moment schwierig zu erzielen. Wenn Sie als Kunde was einzahlen, wird alles gesammelt und die Investitionen sind zum Teil in 100.000 verschiedene Anlageprodukte, und die Frage ist, wie du als Kunde einen Blick kriegst auf diese über 100.000."
Genau das ist auch das Problem von Stefan Krostitz. Er weiß nur, dass er mit seinen Riesterbeiträgen in einen sogenannten Dachfonds einzahlt.


Stefan Krostitz fährt nach Berlin zu Thomas Küchenmeister.

Küchenmeister ist Vorstand der Organisation Facing Finance. Hier wird recherchiert, wohin Gelder aus Fondsgesellschaften, Versicherungen und Banken fließen. Ein Dachfonds setzt sich aus sehr vielen Einzelfonds zusammen, die wiederum in Hunderte von Unternehmen investieren, erklärt der Finanzexperte dem Laien Stefan Krostitz.
"Je Fonds noch mal Hunderte von Unternehmen?"

"Ja, zum Teil sind es Hunderte von Unternehmen", sagt Thomas Küchenmeister.
"Das als Kunde oder Verbraucher zu überblicken, ist ja sehr schwierig."
Ein Mann sitzt in einem Garten an einem Laptop.
Stefan Krostitz möchte nicht in Kernkraft und Rüstung investieren.© Dieter Stürmer

Gewünschte Kriterien werden nicht erfüllt

Für die ARD-Dokumentation "Schmutzige Geschäfte mit unserer Rente" analysiert Thomas Küchenmeister den Investmentfonds, in den Stefan Krostitz einzahlt. Stichprobenartig hat er aus dem Portfolio einige Fonds ausgewählt und die Aufstellung ihrer Wertpapierbestände recherchiert. Stefan Krostitz hatte Ausschlusswünsche formuliert, besonders interessiert ihn, ob Kernkraft und Rüstungsgüter finanziert werden.
"Haben wir alles gefunden", erklärt Thomas Küchenmeister: "Sie sehen Fluggesellschaften. Sie sehen Ölkonzerne. Sie sehen, auch die Rüstungsindustrie ist vertreten. Thyssen-Krupp zum Beispiel ist einer der größten U-Boot-Produzenten der Welt. Das, was Sie ausschließen wollen, ist nicht ausgeschlossen."

Ausgerechnet dieser Fonds wird als nachhaltig beworben. Er ist einer von insgesamt 42 im gesamten Portfolio. Die Geldanlage wird möglichst breit gestreut, um Risiken zu minimieren. Stichproben der weiteren Fonds ergeben, dass sie in fossile Energien, Alkohol und Tabak investieren. Stefan Krostitz ist ernüchtert.

Der Staat könnte mehr tun für nachhaltige Investitionen

"Zu erwarten war es, dass die Nachhaltigkeitskriterien nicht besonders scharf sein werden, damit hatte ich gerechnet. Dass es so schwer ist, nachhaltige Anlageformen zu finden, hätte ich nicht erwartet."
Nicht nur bei Riester-Produkten ist es mühselig bis unmöglich, Informationen über die Investitionen zu bekommen und wirklich nachhaltige Produkte zu finden. Auch Pensionskassen geben nur in wenigen Sätzen an, ob sie ethische und ökologische Kriterien bei der Geldanlage berücksichtigen oder nicht. Das muss anders werden, fordert Gerhard Schick. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen setzt sich mit seiner Organisation "Bürgerbewegung Finanzwende" für mehr Transparenz und Ökologie im Finanzwesen ein.
"Dort, wo der Staat fördert, kann er Bedingungen stellen. Und das ist ja bei Riester-Produkten der Fall. Und da könnte man klar ausschließen, dass das Riester-Geld auch noch in fossile Energien reingeht oder in Rüstung."
Das Hauptproblem besteht aber noch darin, dass es keine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit gibt. Fondsmanager, Investoren und Versicherungen wenden ganz unterschiedliche Ansätze an. Einer lautet "best in class", das heißt, es wird in die "nachhaltigsten" Unternehmen der Branche investiert. Das kann auch der am nachhaltigsten arbeitende Kohle- oder Ölkonzern sein.


Ein anderer Ansatz schließt Investments in bestimmte Branchen wie verbotene oder geächtete Waffen strikt aus. Doch selbst wenn das Bemühen um eine ökologische und soziale Anlagepolitik da ist – schließen sich Rendite und Nachhaltigkeit nicht gegenseitig aus? Nein, hat auch der Verband der deutschen Versicherer festgestellt. Aber nur Schritt für Schritt. Jörg Asmussen:
"Wir wollen grüner werden, die Kunden fordern das auch, das ist auch richtig so, aber es geht nicht von heut auf morgen. Kern ist die Sicherheit. Dann spielt die Rendite eine Rolle, und dann haben wir regulatorische Auflagen."
Ein älterer Mann mit Bart sitzt in einem Büro und lächelt.
Gerhard Schick: „Dort, wo der Staat fördert, kann er Bedingungen stellen."© Dieter Stürmer

EU sagt Greenwashing den Kampf an

Tempo macht jetzt die EU. Sie hat eine sogenannte Taxonomie-Verordnung erlassen, die ganz konkret 130 Wirtschaftsaktivitäten auflistet, die auf die Umweltziele der EU einzahlen. Ab 2022 wird anhand dieses Schemas errechnet, wie umwelt- und klimafreundlich ein Unternehmen wirklich ist. Ziel ist, die Finanzflüsse in nachhaltigere Wirtschaftsformen als bisher zu leiten. Henrik Pontzen von Union Investment sieht in der Taxonomie einen Schritt in die richtige Richtung:
"Ich glaube, es ist das beste Mittel, was wir uns bislang überlegt haben. Wir dürfen auch feststellen, ohne dieses Mittel ist die Reise nicht schnell genug vorangegangen und insofern die Taxonomie, Orientierung und Transparenz stiftet, und das Werte sind, die die Kunden mögen, die Vermögensverwalter mögen. Insofern ist die Taxonomie der Schritt in die richtige Richtung trotz der Risiken und Kosten, die damit einhergehen."
Bis das neue Instrument für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor greift, will Stefan Krostitz mit seinem Riester-Vertrag in einen anderen Fonds wechseln. Er trägt den Namen "Zukunft".
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