Tourismus auf der Zugspitze

Schlange stehen für Deutschlands höchste Bratwurst

Bergsteiger stehen Schlange vor einem goldenen Gipfelkreuz
Längst keine einsamer Gipfel mehr: die Zugspitze © Alexandra Schuler/dpa
Von Frank Ulbricht · 18.11.2018
Acht Stunden klettern Frank Ulbricht und seine Freunde dem Zugspitzengipfel entgegen. Ein beschwerlicher Weg trotz Magnesiumtabletten. Einmal oben sehen sie statt einsamer Landschaft Hunderte Touristen.
Wer es mit dem frühen Vogel hält, der hat einen kräftigen Vorteil, wenn es auf die Zugspitze gehen soll. Vier Uhr und der Wecker klingelt. Ein Trost: Im Kuhstall, gleich neben unserer Pension, ist man auch schon wach. Zu viert wollen wir auf den Gipfel – meine Freunde Alex, Sebastian und Arne begleiten mich.
Eine Frage, die wir uns vor der Tour immer wieder stellen: Reicht unsere Kondition für einen Klettersteig, der uns auf knapp 3000 Meter führt? Acht Stunden soll man dafür mindestens einplanen.
Bei Michael Schmidt, der ehrenamtlich für den Alpenverein und die Bergwacht tätig ist, leihen wir uns Helme und Klettergurte. Wir können ihn beruhigen, ganz unerfahren sind wir nicht, ein paar Berg-Wanderungen haben wir schon hinter uns. Weil er fast täglich erschöpfte und verletzte Wanderer bergen muss, möchte er eine Botschaft aber unbedingt loswerden:
"Ich finde es immer schwierig, wenn Leute sagen, ich gehe jetzt das erste Mal Bergsteigen. Und such' mir dann als erstes Ziel den höchsten Berg Deutschlands raus. Das ist wie, als wenn jemand noch nie Auto gefahren ist und in ein Formel-Eins-Auto steigt."

Zu viert kraxeln hoch oben über dem Abgrund

Halb sieben erreichen wir den ersten Höhepunkt der Tour, die Höllentalklamm. Eine Schlucht mit tosenden Wasserfällen, Brücken und Tunneln. Als uns die Klamm wieder ausspuckt, sind wir auf knapp 1400 Metern. Noch eine Stunde bis zur ersten Klettereinlage auf dem Weg, dem so genannten Brett.
"Das ist eine relativ glatte Wand, die so drei bis 400 Meter nach unten wegzieht. Und in diese Wand sind so Drahtstifte eingebohrt, über die man quasi drüber geht. Und da es auch relativ weit unten kommt, für viele eigentlich, psychisch so diese Schlüsselstelle der Tour. "
Das Brett ist konditionell keine große Herausforderung. Schwindelfrei sollte man aber sein, hier blickt man viele Meter in den Abgrund.

Einer kommt nicht mit – abbrechen oder weiter?

Bei etwa 2200 Metern beginnt der Höllentalferner, fast 40 Grad steil. Man muss kein Fachmann sein um zu erkennen, wie stark der Gletscher in den letzten Jahren geschrumpft ist. Heute aber ist das Eis bedeckt, es hat kräftig geschneit. Der Anstieg ist beschwerlich, bei jedem Schritt sinkt man ein. Mittlerweile tragen wir aus Sicherheitsgründen Steigeisen. Ich muss an einen Wanderer denken, der hier mit Turnschuhen unterwegs war. Der Mann musste von der Bergrettung abgeholt werden. Doch jetzt haben wir selber ein Problem. Sebastian, eigentlich der konditionell Stärkste von uns, kommt kaum hinterher. Sollen wir abbrechen?
Sebastian: "Also, mir ging es schon mal besser. Bei jedem Schritt ziehen sich bei mir die Oberschenkel zu. Sprich, ich habe Krämpfe."
Frank: "Hast Du Traubenzucker dabei?"
Sebastian: "Nein, aber Magnesiumtabletten."
Am Gletscher gehen Alex und ich voran, spuren den Weg. Das soll es Arne und Sebastian etwas leichter machen.

Mit Schokolade und Magnesiumtabletten gen Gipfel

Frank: "Man kann ja in so einem Schneefeld dankbar sein, wenn es jemanden gibt, der vor einem läuft, so wie Alex gerade und einen Pfad oder eine Spur tritt. Das bedeutet allerding für denjenigen, der vorne läuft, der muss sich viel mehr konzentrieren und braucht einiges mehr an Kraft. Man muss nämlich seine Stiefel in den Schnee rammen, damit er so eine Art Treppen baut."
Mit Schokolade, Magnesiumtabletten und regelmäßigen Pausen schafft es Sebastian über den Gletscher. Gegen 12 Uhr, später als vorgesehen, stehen wir an der so genannten Randkluft. Wenn nur noch wenig Schnee liegt, dann klafft hier, zwischen Gletscher und Fels, eine Lücke von über einem Meter. Dann heißt es springen um das erste Stahl-Seil vom Klettersteig zu erreichen. Der Schneefall der letzten Tage erweist sich jetzt als Vorteil. Helm, Klettergurt und Karabiner kommen endlich zum Einsatz. Von hier ist der Weg komplett mit Stahlseilen und Drahtstiften versichert.
"Also hier oben ist eigentlich eine Stelle wo man normalerweise durchläuft und sich nicht einhakt. Aber aufgrund des Schnees ist es eigentlich besser, man kann nie wissen wo man hier wegrutscht."

Auf der Zugspitze ist Betrieb wie auf einem Bahnhof

Das Klettern kostet Kraft. Über Stunden der gleiche Rhythmus: Karabiner in das Stahlseil hängen, bis zum Seilende klettern, durchschnaufen. Nach über acht Stunden, gegen 14 Uhr, sehen wir es, das goldene Gipfelkreuz der Zugspitze. Bislang waren wir fast allein. Doch auf dem Plateau geht es zu wie auf einem Bahnhof. Schlange stehen für Deutschlands höchste Bratwurst.
Das Fazit von meinem Freund Arne:
"Die letzte halbe Stunde, die hat mich echt geschafft. Durch den vielen Schnee war es konditionell so anstrengend, man konnte gar nicht gut klettern. Aber: Wir haben es geschafft, wir sind oben."
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