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Von "guten" und "schlechten" Online-Prangern

16:31 Minuten
11.06.2016
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Mit nur ein wenig technischem Know-How, einem bekannten Namen und der dadurch entstehenden Reichweite kann man heute innerhalb weniger Tage, ja Stunden, die Reputation eines Menschen nachhaltig zerstören.
Mit nur ein wenig technischem Know-How, einem bekannten Namen und der dadurch entstehenden Reichweite kann man heute innerhalb weniger Tage, ja Stunden, die Reputation eines Menschen nachhaltig zerstören. So geschehen jüngst beim Fall Jacob Applebaum. Auf einer nach ihm benannten Webseite werden anonym Anekdoten erzählt, die von sozialem Fehlverhalten und Mobbing auf Konferenzen bis zu Vergewaltigung reichen. Nachzuprüfen sind diese Aussagen nicht, aber weitere Menschen aus dem Umfeld des Beschuldigten äußern sich plötzlich ähnlich.
Ohne den so beschuldigten Applebaum vorzuverurteilen, zeigen sich an diesem aufziehenden Skandal doch zwei Dinge: Einmal, dass es offensichtlich immer noch - oder gerade eben hier, in der Tech-Szene - eine Gruppe von Männern gibt, die ihre (technologische) Macht gegenüber anderen Menschen, vor allem Frauen, ausspielen. Passend dazu auch die Veröffentlichungen der Tageszeitung, die in ihrem internen Bericht über die Keylogger-Affäre deutlich macht, dass vor allem Frauen und Praktikantinnen von Sebastian Heiser ausgespäht wurden.
Zweitens stellt sich aber auch die Frage, ob die Veröffentlichungsstrategie des Public Shaming, welche hier mit eigens aufgesetzter Seite gegen eine Privatperson schon fast kampagnenartige Züge hat, seine Berechtigung hat? Warum wird nicht der Weg gewählt, den das Strafrecht vorsieht, nämlich Anzeige erstatten und ein Gericht urteilen lassen? Ein mutmaßlicher Bully und Vergewaltigter wird hier eben ganz bewusst öffentlich an den Cyber-Pranger gestellt - erste Konsequenzen gab es schon, so arbeitet Applebaum ab sofort nicht mehr für das TOR-Project und der berühmte Hackerspace Noisebridge in San Francisco schreibt:

What we can say for sure is that Jacob's behavior, as alleged, along with many incidents we regrettably overlooked in the past now would trigger the Noisebridge Anti-Harassment Policy. We did not have a culture or structure for people to bring forward claims - we do now. Because of this Jacob is no longer welcome in our community, either in its physical or online spaces.

Meike Laaf widmet sich in zwei Beiträgen dem Pro und Contra des Online-Prangers, gerade auch im Bezug auf die Person Jacob Applebaum, der ja eben auch Vertrauter von Julian Assange und Edward Snowden ist. Danach diskutieren wir mit Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Uni Tübingen und Herausgeber des Buches "Der entfesselte Skandal - Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter", über "gutes" und "schlechtes" public shaming.
Bild: The Pillory von Arallyn! auf flickr CC BY