Tomas Tranströmer: "Randgebiete der Arbeit"

Herausragende Zeugnisse eines erfüllten Lebens

Stockholm: Hier dichtete Tomas Tranströmer.
Stockholm: Hier dichtete Tomas Tranströmer. © dpa / picture alliance / Peter Zimmermann / Carl Hanser Verlag
Von Michael Opitz · 19.12.2018
Tagebücher, Briefe und Notizen bewahrte Tomas Tranströmer nicht im Arbeitszimmer auf, sondern in der Speisekammer. Aus diesem Teil seines Nachlasses ist jetzt ein Buch entstanden – für alle, die mehr über Leben und Werk des großen Lyrikers erfahren wollen.
Es gehörte zu Höhepunkten der Feierlichkeiten rund um den achtzigsten Geburtstag von Tomas Tranströmer, dass ein Käfer nach dem schwedischen Dichter benannt wurde. Bereits in seiner Jugend war der 1931 in Stockholm geborene Lyriker – wie aus dem Buch "Tomas Tranströmer. Randgebiete der Arbeit" zu erfahren ist – ein leidenschaftlicher Insektensammler. Im selben Jahr nun, als ein nur sechs Millimeter großes Insekt den Namen "Mordellistena transtroemeriana" erhielt, wurde der Schriftsteller auch mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Verdiente Anerkennung für den Entomologen und für den Dichter.

Die Übergabe des Nobelpreises lief nicht wie gewohnt

Für die Übergabe der Nobelpreisurkunde am 10. Dezember 2011 – so ist aus dem mit feiner Ironie verfassten Beitrag des ehemaligen Hanser Verlegers Michael Krüger zu erfahren – erwies sich eine Änderung der ansonsten minutiös arrangierten Verleihungsprozedur als notwendig. Denn Tranströmer, der seit 1990 durch einen Schlaganfall rechtseitig gelähmt war, konnte sich nicht – wie es sonst im Protokoll vorgeschrieben ist – nach der Laudatio erheben und dem König entgegengehen, um die Urkunde in Empfang zu nehmen. An diesem denkwürdigen Tag musste der König auf den Dichter zugehen, vor dem er sich verneigte und in dessen Schoß er die Urkunde legte.
In seinem Gedicht "In den Randgebieten der Arbeit" spricht Tranströmer davon, dass es der "Mond der Freizeit" ist, der um den "Planeten Arbeit" kreist. Jeder Arbeitstag habe seine private Stille: "Wenn wir auf dem Heimweg sind, spitzt der Boden die Ohren. / Die Unterwelt belauscht uns über die Grashalme."
Die zu den Randgebieten seiner Arbeit gehörenden Materialien verwahrte Tranströmer in seiner Stockholmer Wohnung in der ehemaligen Speisekammer. Dort lagerte das Material, von dem Tranströmer wusste, dass er jederzeit darauf zurückgreifen könne: Tagebücher, Briefe, Manuskripte, Notizbücher und Entwürfe. Was sich so über die Jahre hinweg angesammelt hat, haben Tranströmer, seine Frau Monica und Magnus Halldin gesichtet und ausgewählt. Die herausragenden Zeugnisse aus Tranströmers Leben liegen nun in einem wunderbar gestalteten Buch vor.

Was er zu sagen hatte, steht in seinen Gedichten

"Begrenzung" hieß das Motto, das der Auswahl zugrunde lag. Aufgezeigt werden biographische Spuren und verschiedene Facetten von Tranströmers schriftstellerischem Schaffen. Das Buch ist chronologisch angeordnet und reich, sowohl mit Fotos als auch mit Faksimiles ausgestattet.
Auf einem der ersten Bilder ist Tranströmer mit seinem Großvater zu sehen, eine der letzten Fotografien zeigt ihn am Flügel sitzend bei einer Aufnahme in einem Tonstudio. Der leidenschaftliche Musikliebhaber spielte seit dem Schlaganfall nur noch mit der linken Hand. Auch das Sprechen fiel ihm seitdem schwer. Was er aber wirklich zu sagen hatte, ist seinen Gedichten eingeschrieben, die von einer glasklaren Schönheit sind.
Tomas Tranströmer starb am 26. März 2015. Das vorliegende Buch ist eine Handreichung für diejenigen, die mehr über den Autor aus dem Norden erfahren wollen, der zu den ganz Großen der Literatur des 20. Jahrhunderts gehört.

Tomas Tranströmer: "Randgebiete der Arbeit"
Aus dem Schwedischen übersetzt von Wolfgang Butt
Carl Hanser Verlag, München 2018
262 Seiten. 28,00 Euro

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